Die Schneeglanz-Arten (Chionodoxa Boissier) (Gregor Stolley)
Quelle: | Gregor Stolley 2007. Die Schneeglanz-Arten (Chionodoxa Boissier). Kieler Notizen zur Pflanzenkunde (Kiel. Not. Pflanzenkd.) 35: 44-59, Kiel. Online als PDF (Autorisierte Zweitpublikation) |
Hinweis: | Dieser Schlüssel ist mit dem Autornamen gekennzeichnet und die Mitarbeit ist auf Gregor Stolley beschränkt. Auf der Diskussionseite sind Kritik und Verbesserungsvorschläge jedoch sehr willkommen! |
Kurzfassung: Acht Schneeglanz-Arten (Chionodoxa albescens, C. forbesii, C. lochiae, C. luciliae, C. nana, C. sardensis, C. siehei und C. tmoli) und vier Schneeglanz-Sorten (C. luciliae 'Alba', C. siehei 'Blue Giant', C. siehei 'Pink Giant' und C. siehei 'Rosea') werden vorgestellt. Für die acht Arten und eine Hybride (C. siehei × C. luciliae) wird ein Bestimmungschlüssel vorgelegt. Der Status der derzeit bekannten, in Schleswig-Holstein verwildernden Arten wird diskutiert.
Abstract: The glories-of-the-snow (Chionodoxa Boissier): Eight species of the glories-of-the-snow (Chionodoxa albescens, C. forbesii, C. lochiae, C. luciliae, C. nana, C. sardensis, C. siehei and C. tmoli) and four cultivars of the glories-of-the-snow (C. luciliae 'Alba', C. siehei 'Blue Giant', C. siehei 'Pink Giant' and C. siehei 'Rosea') are shortly described. A key to the eight species and one hybrid (C. siehei × C. luciliae) is provided. The status of the now known naturalized species of Schleswig-Holstein is discussed.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Über die Verbreitung von Neophyten und Unbeständigen (auch verwildernden Gartenpflanzen) existieren heute noch große Wissenslücken. Es ist daher wichtig, Vorkommen unbeständiger Arten und damit auch verwilderter Gartenpflanzen zu notieren, um Veränderungen in der Flora zu dokumentieren (z. B. Romahn 2005, 2006). In Schleswig-Holstein fallen einige der Schneeglanz-Arten (Gattung Chionodoxa) in die Kategorie der „verwildernden Gartenpflanzen“. Dieser Artikel soll dazu beitragen, die bestehenden Wissenslücken zu schließen, um die Verbreitung der Chionodoxa-Arten in Schleswig-Holstein in Zukunft besser dokumentieren zu können. Des Weiteren wird Interessierten ein Einstieg in das Thema der verwildernden Gartenpflanzen gegeben. Ferner soll es ermöglicht werden die Schneeglanz-Arten nach heutigem Wissensstand einigermaßen sicher bestimmen zu können.
Die Gattung Chionodoxa umfasst nach derzeitigem Kenntnisstand acht Arten. Von diesen sind drei Insel-Endemiten und fünf Festland-Endemiten. Von den Insel-Endemiten kommen zwei Arten auf Kreta und eine Art auf Zypern vor. Von den Festland-Endemiten kommen vier Arten in der West-Türkei und eine Art in der Südwest-Türkei vor. Die Chionodoxa-Arten gehören zur Familie der Hyacinthaceae (= Hyazinthengewächse).
Der Gattungsname Chionodoxa setzt sich zusammen aus den griechischen Worten chion = Schnee und doxa = Glanz, Ruhm, Stolz. Das o zwischen diesen beiden Worten ist ein Bindevokal. Entsprechend wird diese Gattung im Deutschen als Schneeglanz, Schneeruhm oder Schneestolz bezeichnet. Eine weitere deutsche Bezeichnung für diese Gattung ist Sternhyazinthe. In den Niederlanden wird die Gattung sneeuwroem, in Großbritannien glory-of-the-snow, in Frankreich gloire des neiges, in Italien gloria di neve, in Spanien gloria de las nieves, in Schweden Vårstjärnor, in Norwegen Snøstjerne und in Dänemark Snepryd genannt.
Alle Schneeglanz-Arten haben eine ähnliche Ökologie: Sie haben das Vorkommen in Gebirgen im Schmelzbereich von Schneefeldern gemeinsam. Weiterhin werden die Samen aller Arten durch Ameisen ausgebreitet. Daher besitzen die Samen sämtlicher Arten ein Elaiosom. Schneeglanz-Arten sind also nivicol und myrmekochor. Effektiver ist allerdings die Ausbreitung über Brutzwiebeln. Die Hauptblütezeit aller Schneeglanz-Arten ist in Kultur März–April. Der Lucile-Schneeglanz, der Sardes-Schneeglanz und der Siehe-Schneeglanz können in für sie klimatisch günstigen Jahren bereits Ende Februar mit der Blüte beginnen.
Methoden
Die Nomenklatur der Epitheta richtet sich nach Speta (1976). Bei der Anerkennung der Gattung Chionodoxa wurde der Standardliste von Wisskirchen & Haeupler (1998) gefolgt. Weiterhin wurden für diesen Artikel die Arbeiten von Adler et al. (1994), Boom & Ruys (1950), Christensen (2000, 2006), Dashwood & Mathew (2005), D. K. (1892), Fukarek & Henker (2006), Greiner et al. (1995), Haeupler & Muer (2000), Jäger & Werner (2005), Lauber & Wagner (1996), Mathew (2005), Meikle (1970), Nicholson (1897), Nijssen & Nijssen (2005), Nijssen (2006), Phillips & Rix (1989), Rix (1986), Schacht & Köhlein (1985), Speta (1980) und Wurzell (1995) ausgewertet.
Speta (1976) kommt zur Schlussfolgerung, dass sich Chionodoxa nicht auf Gattungsebene von Scilla bifolia und seinen Verwandten trennen lässt. Entsprechend ordnet er diese Gruppe in die Gattung Scilla und dort in die sectio Nigriscilla series Chionodoxa ein (Speta 1980). Das mag wahr sein, da Hybriden zwischen Chionodoxa-Arten und Scilla bifolia sensu lato vorkommen. Für den Zweck der praktischen Verständigung ist es trotzdem nützlich weiterhin den Namen Chionodoxa für diese Ansammlung von acht Arten zu verwenden, zumal diese acht Arten sofort als Gruppe erkennbar sind: Gemeinsam haben sie Blüten mit einer offensichtlichen Kronröhre und breiten, abgeflachten Filamenten, die einen zentralen Kegel um Fruchtknoten und Griffel herum formen. In der angelsächsischen Literatur (Dashwood & Mathew 2005, Mathew 2005, Phillips & Rix 1989, Rix 1986, Wurzell 1995), in der Standardliste von Wisskirchen & Haeupler (1998) und im Bildatlas von Haeupler & Muer (2000) wird Chionodoxa als selbstständige Gattung aufgefasst. Auch Christensen (2000, 2006) benutzt diesen Gattungsnamen. Dem wird hier gefolgt.
Die Autoren und Schriftentitel werden konsequent ausgeschrieben, um Interessierten zeitraubende Recherchen zu ersparen und die Einarbeitung in die komplizierten Sachverhalte zu erleichtern.
Unter der Rubrik 'Abbildungen' wurde ausnahmslos auf Farbfotos hingewiesen. Diese können eine Bestimmung zwar keinesfalls ersetzen, aber erleichtern.
Die Kurzbeschreibungen der Schneeglanz-Arten sind unterschiedlich ausführlich, da einerseits zu den im Handel gängigen Arten mehr Informationen vorliegen als zu den anderen Arten und andererseits minder wichtige Merkmale weggelassen wurden. So sind beispielsweise die Zwiebeln aller Schneeglanz-Arten tropfenförmig und mit Ausnahme von Chionodoxa tmoli nicht sicher unterscheidbar. Es wird empfohlen ergänzend zu dem hier vorgelegten Artikel die Arbeiten von Speta (1976) und Christensen (2000, 2006) heranzuziehen.
Das Erstkultivierungsjahr von Gartenpflanzen ist aus gartenbauhistorischer Sicht und zur Beurteilung des Status verwildernder Gartenpflanzen von Bedeutung.
Bei der Festlegung des Jahres der Erstkultivierung als Gartenpflanze für die Arten und Sorten wurde folgendermaßen vorgegangen: Wenn irgend möglich wurden die Handelskataloge ausgewertet, in denen die Arten und Sorten erstmals angeboten wurden. In dieser Hinsicht wurde vor allem die Arbeit von Speta (1976) herangezogen, da dort viele dieser Handelskataloge bereits aufgeführt sind.
Allen voran war hierfür die Firma Barr & Sugden, die später in Barr & Son umbenannt wurde, von Bedeutung.
Das Jahr des Erstangebotes der Handelskataloge wurde jedoch nicht als das Jahr der Erstkultivierung festgelegt. Da frühestens ein Jahr nach den Erstangeboten in den Handelskatalogen blühende Pflanzen bei den Käufern in Privatgärten oder öffentlichen Gärten auftauchen konnten, wurde dieses nachfolgende Jahr als Jahr der Erstkultivierung als Gartenpflanze festgelegt.
Die Schneeglanz-Arten
Chionodoxa albescens
(Speta) Rix 1981 in Rix & Phillips, Bulb Book, 1st ed.: 43. – Weiß-Schneeglanz, Weiß-Schneeruhm, Weiß-Schneestolz, Weiß-Sternhyazinthe
Basionym: Scilla albescens Speta 1976, Naturkundliches Jahrbuch der Stadt Linz 21: 19–20.
Synonyma: Chionodoxa forbesii Baker var. β idaea Baker 1871, Journal of the Linnean Society (Botany) 11: 436. Chionodoxa nana auctorum, non Boissier & Heldreich.
Abbildungen: Speta (1976: Tafel 1a & c als „Scilla albescens“), Phillips & Rix (1989: 42g), Dashwood & Mathew (2005: 7 Mitte, 12 Nr. 3) und Mathew (2005: 119 links).
Die Art ist nach der überwiegend weißlichen Blütenfarbe benannt (lat. albescens = weiß werdend). Es handelt sich bei dieser Art um einen Kreta-Endemiten. Sie kommt nach derzeitigem Kenntnisstand in Kreta nur auf den Gebirgsstöcken Kedros (1777 m), Ida (= Psiloritis, 2456 m) und Dikti (2148 m) vor.
Kurzbeschreibung: 2 Blätter, aufrecht bis schlaff, bis zu 9,5 cm lang, 1,2 cm breit, linealisch bis nahezu verkehrt-eilanzettlich, mittelgrün, leicht bläulich an der Unterseite. 1 Blütenstängel, aufrecht bis nickend, bis zu 15 cm lang. Blütenschaft bis zu 2,5 cm lang, gelblich-grün. Blütentraube einseitswendig, ganz locker, bis zu 12,5 cm lang, 4,5 cm breit, aus bis zu 10 Blüten bestehend. Blütenstiele bis zu 4 cm lang, aufsteigend, gelblich-grün, ohne Tragblätter. Blüten sternförmig, Tepalen zurückgeschlagen, 1 cm lang, 0,5 cm breit, länglich bis lanzettlich, weiß, an den Tepalenspitzen hell violett bis dunkel violett-blau werdend, Tepalenunterseite mit einem violett-blauen Mittelnervstreifen. Filamente weiß, Antheren gelb. Blütezeit in Kultur: März–April. Blütezeit in der Heimat: April–Juli.
Phillips & Rix (1989) erwähnen, dass bei dieser Art neben den gewöhnlich weißen auch rosa und hellblaue Blüten vorkämen. Bei Speta (1976) fehlt ein derartiger Hinweis. Diese Variabilität der Blütenfarbe ist in etwa vergleichbar mit der von Anemone nemorosa, dem Busch-Windröschen. Soweit dem Verfasser bekannt befindet sich nur der weißblütige Klon bei einigen Botanischen Gärten in Kultur. Die Angaben von rosa und hellblauen Blüten beziehen sich auf Wildvorkommen.
Diese Art wurde vor 1880 als „Ch. nana“ von Elwes als Gartenpflanze eingeführt (Speta 1976: 21). Henry John Elwes (1846–1922) war ein englischer Dendrologe, Gärtner und Pflanzensammler. In Kultur konnte sich die Art nicht behaupten (Speta 1976: 22). Daher wird die Art derzeit im normalen Gartenhandel nicht angeboten.
Beim Anbauversuch der Royal Horticultural Society (= Königlichen Gartenbaugesellschaft) wuchs und blühte Chionodoxa albescens allerdings so gut, dass sie für einen AGM (Award of Garden Merit = Auszeichnung für besonderen Gartenwert) vorgeschlagen wurde (Dashwood & Mathew 2005, Mathew 2005), obwohl sie die kleinblütigste aller Schneeglanz-Arten ist. Möglicherweise führt das dazu, dass diese Art zukünftig wieder als Gartenpflanze kultiviert wird.
Chionodoxa forbesii
Baker 1871, Journal of the Linnean Society (Botany) 11: 436. – Forbes-Schneeglanz, Forbes-Schneeruhm, Forbes-Schneestolz, Forbes-Sternhyazinthe
Synonyma: Chionodoxa luciliae auctorum, non Boissier, nec Maw. Scilla forbesii (Baker) Speta 1971, Österreichische Botanische Zeitschrift 119: 14.
Abbildungen: Dashwood & Mathew (2005: 5 oben links) und Mathew (2005: 119 Mitte).
Die Art ist nach Prof. Edward Forbes (* 1815 in Douglas, † Oktober 1854 in Edinburgh) benannt, der im Herbst 1841 und im Frühjahr 1842 naturwissenschaftliche und historische Exkursionen ins Hochland von Lykien (lat. Lycia) unternahm und u. a. neben Sammlungen von Land- und Süßwassermollusken auch eine Sammlung von Pflanzen anlegte. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist die Heimat dieser Art die Südwest-Türkei, genauer gesagt der Gebirgszug Ak Dağ (auch Akdag, 3024 m).
Kurzbeschreibung: Charakteristisch für diese Art sind wenige (1–3[–5]), kleine (2–2,5 cm Ø), aufwärts gerichtete Blüten in einem intensiven Tiefblau mit einem klar abgegrenzten (= deutlichen) weißen Zentrum ("Auge") um die Staubblätter herum. Tepalen ca. 0,9–1,2 cm lang. Kronröhre ca. 0,2–0,4 cm lang. Blütezeit in Kultur: März–April. Blütezeit in der Heimat: unbekannt.
Dies ist die blaueste aller Schneeglanz-Arten und in dieser Hinsicht Chionodoxa sardensis am ähnlichsten (vgl. Chionodoxa sardensis Whittall ex Barr & Sugden 1883). Wie auch immer, die letztere hat mehr Blüten in der Blütentraube, die dazu tendieren eher seitwärts als aufwärts gerichtet zu sein, und ohne oder beinahe ohne ein weißes Zentrum an der Basis der Tepalen sind.
Speta (1976: 29) war sich über die Haltbarkeit dieser Art noch nicht ganz sicher. Er vermerkt seltsamerweise unter der Verbreitung von Scilla luciliae [= Chionodoxa luciliae – Ergänzung des Verfassers]: „Pflanzen vom Akdag könnten S. forbesii [= Chionodoxa forbesii – Ergänzung des Verfassers] sein, falls diese Art überhaupt gehalten werden kann.“ Und das, obwohl er Scilla forbesii [= Chionodoxa forbesii – Ergänzung des Verfassers] in seiner Arbeit sonst als eigene Art führt (Speta 1976). Dank der Arbeiten von Dashwood & Mathew (2005) und Mathew (2005) ist jetzt klar, was unter Chionodoxa forbesii eigentlich zu verstehen ist. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass Speta (1976) auch zu dieser Art bereits wichtige Vorarbeiten geleistet hat.
Im Anbau hat sich Chionodoxa forbesii nicht als so robust bewährt, wie die anderen türkischen Schneeglanz-Arten (vgl. dazu Anbauversuch der Royal Horticultural Society in Wisley, gesetzt Herbst 2000, in Dashwood & Mathew 2005). Chionodoxa forbesii wuchs und blühte zwar erfolgreich, die Zuwachsrate war aber viel geringer als bei Chionodoxa siehei und seinen Sorten (Mathew 2005).
Die echte Chionodoxa forbesii Baker 1871 ist also nicht sehr wüchsig und daher auch nicht in normaler gärtnerischer Kultur. Dementsprechend wird die echte Chionodoxa forbesii im Gartenhandel gar nicht angeboten. Was vom Gartenhandel als „Chionodoxa forbesii“ angeboten wird, ist in Wahrheit Chionodoxa siehei (vgl. Chionodoxa siehei Stapf 1925).
Chionodoxa forbesii Baker 1871 und Chionodoxa siehei Stapf 1925 sind nicht identisch und nicht synonym!
Chionodoxa lochiae
Meikle 1954, Kew Bulletin 1954: 495. – Loch-Schneeglanz, Loch-Schneeruhm, Loch-Schneestolz, Loch-Sternhyazinthe
Synonym: Scilla lochiae (Meikle) Speta 1975, Naturkundliches Jahrbuch der Stadt Linz 20: 175.
Abbildungen: Speta (1976: Tafel 7a & b als „Scilla lochiae“) und Phillips & Rix (1989: 42f).
Die Art ist nach Lady Loch benannt, die diese Spezies am 8.3.1953 entdeckte. Es handelt sich bei dieser Art um einen Zypern-Endemiten. Sie ist bisher nur aus dem Trodoos-Gebirge (1952 m) auf Zypern bekannt.
Kurzbeschreibung: Charakteristisch für diese Art sind wenige (2–3[–6]), seitwärts gerichtete oder manchmal leicht nickende, lavendelblaue Blüten ohne ein weißes Zentrum ("Auge"). Tepalen 1,2–1,3 cm lang. Kronröhre 0,5–0,7 cm lang. Filamente blass violett oder beinahe weiß, Antheren blau. Blütezeit in Kultur: unbekannt. Blütezeit in der Heimat: März–April. Das nach außen gerichtete Integument der Samenanlagen ist weinrot gefärbt.
Diese Art ist sowohl in ihrer Heimat als auch in Kultur selten. Speta (1976: 50) gibt an, diese Art sei sehr schwer zu kultivieren. Dies ist auch der Grund dafür, dass sie kaum in normaler gärtnerischer Kultur, sondern bestenfalls in Spezialkulturen (Botanische Gärten, spezialisierte Liebhaber und Sammler von Schneeglanz-Arten) zu finden ist. Im Jahr 2006 konnte der Verfasser nur einen hoch spezialisierten Betrieb ausfindig machen, der diese Art anbot.
Die lange Kronröhre und das Fehlen eines weißen Auges machen es einfach diese Art von den anderen Schneeglanz-Arten zu unterscheiden. Verwechslungen mit anderen Arten sind daher bis jetzt nicht vorgekommen.
Chionodoxa luciliae
Boissier 1844, Diagnoses plantarum orientalum novarum, ser. 1, 5: 61. – Lucile-Schneeglanz, Lucile-Schneeruhm, Lucile-Schneestolz, Lucile-Sternhyazinthe, Gewöhnliche Sternhyazinthe
Synonyma: Chionodoxa allenii hort. 1892 in D. K., Garden (London) 38: 211. Chionodoxa gigantea Whittall 1889 in Barr & Son, Autumn catalogue 1889: 3. Chionodoxa grandiflora Ware ex Wilks & Weathers 1970, Journal of the Royal Horticultural Society 95: 20–21. Chionodoxa luciliae Boissier var. allenii hort. 1893 in Watson, Garden & Forest 6: 55. Chionodoxa luciliae Boissier var. grandiflora hort. 1892 in D. K., Garden (London) 38: 211. Scilla luciliae (Boissier) Speta 1971, Österreichische Botanische Zeitschrift 119: 14.
Abbildungen: Speta (1976: Tafel 2a & b als „Scilla luciliae“), Phillips & Rix (1989: 40g & 44c), Haeupler & Muer (2000: 686 oben Mitte), Dashwood & Mathew (2005: 5 links unten, 7 links unten & 12 Nr. 4), Mathew (2005: 120 Mitte), Nijssen & Nijssen (2005: 70 rechts unten) und Nijssen (2006: 72 links).
Anmerkung zur Taxonomie: Man beachte, dass das synonyme Taxon Chionodoxa allenii hort. 1892 in D. K. schon ca. fünf Jahre vor dem Taxon × Chionoscilla allenii G. Nicholson 1897 veröffentlicht wurde (D. K. 1892, Nicholson 1897). Da also schon 1892 eine Chionodoxa allenii genannt wird, bleibt zu klären, ob das Artepithet nach den Nomenklaturregeln überhaupt noch für den Gattungs-Bastard gebraucht werden darf. Auf dieses Problem hat bereits Speta (1976: 53) hingewiesen. Nach dem Kenntnisstand des Verfassers hat dieses Problem in der botanischen Fachliteratur bis heute keine Beachtung erfahren – es wurde wohl einfach übersehen.
Die Art ist nach Lucile Boissier, geb. Butini (* 1822 in Genf, † 9. 7. 1849 in Granada) benannt, der Cousine und Frau Pierre Edmund Boissier’s, die ihn auf einigen Sammelfahrten begleitete und in Granada an Typhus starb. Die Art hat ihre Heimat nach derzeitigem Kenntnisstand in der West-Türkei, genauer gesagt im Gebirge Boz Dǎgları (auch Boz Dağlari, Bozdag, Boz Dag oder Boz Dagh, 2175 m) bei der Stadt Izmir.
Kurzbeschreibung: 2 Blätter, aufrecht bis schlaff, bis zu 8 cm lang, 2 cm breit, länglich, Blattspitze kapuzenförmig, leicht blaugrün, mittelgrün, heller gelbgrün an der Unterseite, Kanten gräulich-purpurn. 1 Blütenstängel, aufrecht, bis zu 10 cm lang. Blütenschaft bis zu 4,5 cm lang, gelblich-grün. Blütentraube locker, pyramidenförmig, bis zu 5,5 cm lang, 7 cm breit, aus 2–3 Blüten bestehend. Blütenstiele bis zu 3 cm lang, aufsteigend, gelblich-grün, ohne Tragblätter. Blüten breit trichterförmig bis abgeflacht, aufwärts gerichtet, bis zu 3,5 cm breit, Tepalen 1,5 cm lang, 0,9 cm breit, oval (fast rautenförmig), Blütenknospen mittel violett-blau, beim Öffnen dunkler violett-blau, an der Tepalenbasis weiß werdend, Tepalenunterseite mittel violett-blau mit einem hellerem violett-blauen Mittelnerv. Filamente weiß, Antheren gelb. Blütezeit in Kultur: Februar–April. Blütezeit in der Heimat: Mai–Juni.
Von Boom & Ruys (1950) und entsprechend auch von Christensen (2000) wird 1764 als Jahr der Einführung in die gärtnerische Kultur genannt. Doch meldet Speta (1976: 25–26) Zweifel hieran an: „Encke berichtet, dass die Art erstmals 1764 in Kultur genommen wurde. Genauere Angaben darüber macht er nicht. Es ist daher in Zweifel zu ziehen, ob tatsächlich S. luciliae [= Chionodoxa luciliae – Anmerkung des Verfassers] gezogen wurde.“ Der Zweifel von Speta ist nach Ansicht des Verfassers berechtigt. Die Art wurde schließlich erst 1844 gültig beschrieben. Wahrscheinlicher ist da schon die Angabe von Nijssen (2006: 72), der das Jahr 1878 angibt. Daher gilt provisorisch: Als Gartenpflanze kultiviert seit 1878. Jedoch hat der Verfasser gegenüber dieser Jahreszahl auch gewisse Zweifel. Das hat folgende Gründe: Speta (1976: 25) berichtet: „Unter dem Namen Chionodoxa luciliae waren seit der Beschreibung im Jahr 1844 durch Boissier schon fast alle kultivierten Chionodoxen einmal subsumiert. Aus diesem Grund ist diese Art dem Namen nach die bekannteste, aber nomenklatorisch die kritischste.“ und (1976: 26–27): „Die ersten Unsicherheiten entstanden durch die Einfuhr von Zwiebeln durch Georg [sic] Maw vom Taktalie Dagh, die als Ch. luciliae in den Handel kamen, aber mit ihr nicht identisch sind. Diese Pflanzen waren fortan die Vergleichsbasis (Baker u. a.).“ Christensen (2000: 64–65) gibt an: „Die schon 1844 von Boissier beschriebene Chionodoxa luciliae wurde später – fälschlicherweise – Namensgeber auch für viele andere, in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts nach Europa eingeführte Sippen. Insbesondere die von G. Maw 1877 gesammelten Pflanzen, die eine zentrale Rolle für die Verbreitung der Chionodoxa-Arten in den Gärten Europas hatten, sorgten für Verwirrung. Zunächst wurden sie – fälschlich – als Chionodoxa luciliae in den Handel gebracht, danach wurden sie [– ebenso fälschlich – Ergänzung des Verfassers] bei Chionodoxa forbesii eingeordnet.“ und (2000: 66): „Unter dem Namen "Chionodoxa luciliae" sind auch andere Arten beschrieben worden (s. o.), insbesondere Chionodoxa forbesii [Anmerkung des Verfassers: gemeint ist hier Chionodoxa siehei].“ Sollte das von Nijssen (2006: 72) angegebene Jahr 1878 sich auf die von Maw 1877 gesammelten Pflanzen beziehen, wären die Zweifel des Verfassers berechtigt. Dann müsste der Schluss gezogen werden, dass derzeit das Jahr der Erstkultivierung als Gartenpflanze für diese Art unbekannt ist. In diesem Fall bliebe nur das Synonym C. gigantea Whittall 1889 heranzuziehen und zu sagen C. luciliae werde sicher nachweisbar mindestens schon seit 1890 als Gartenpflanze kultiviert.
Das ehemals C. gigantea genannte Taxon stellt nur die üppigere Tieflandsippe von Chionodoxa luciliae dar und gehört eindeutig in die Variationsbreite dieser Art.
Der Lucile-Schneeglanz ist eine der drei Arten, die in Schleswig-Holstein mit Sicherheit verwildert vorkommen. Weiterhin ist er eine der drei im Sortiment des normalen Gartenhandels gängigsten Arten. Chionodoxa luciliae verwildert nach Einschätzung des Verfassers in Schleswig-Holstein am zweithäufigsten. Die Art wird in dieser Hinsicht nur von Chionodoxa siehei übertroffen. Gleichauf in der Rangstufe der Verwilderung von Chionodoxa-Arten in Schleswig-Holstein liegt nach Einschätzung des Verfassers der Art-Bastard Chionodoxa siehei × Chionodoxa luciliae.
Zum Lucile-Schneeglanz gehört eine Sorte, die derzeit leicht im Handel erhältlich ist:
a) Chionodoxa luciliae 'Alba'
Synonym: Chionodoxa gigantea 'Alba' hort.
Abbildungen: Mathew (2005: 120 rechts oben), Nijssen & Nijssen (2005: 71 links) und Nijssen (2006: 72 rechts oben).
Es handelt sich um eine, durch die Firma Barr & Son 1885 durchgeführte, Selektion, die rein weiße Blüten aufweist.
Chionodoxa nana
(J. A. Schultes & J. H. Schultes) Boissier & Heldreich 1854 in Boissier: Diagnoses plantarum orientalum novarum, ser. 1, 13: 24. – Zwerg-Schneeglanz, Zwerg-Schneeruhm, Zwerg-Schneestolz, Zwerg-Sternhyazinthe
Basionym: Hyacinthus nanus J. A. Schultes & J. H. Schultes 1829, Systema vegetabilium 7 (1): 581.
Synonyma: Chionodoxa cretica Boissier & Heldreich 1854 in Boissier: Diagnoses plantarum orientalum novarum, ser. 1, 13: 24. Hyacinthus creticus (Boissier & Heldreich) Nyman 1865, Sylloge florae Europaeae, Supplementum: 64. Puschkinia scilloides Sieber 1823, Reise nach der Insel Kreta im griechischen Archipelagus 2: 319, t. 7, non Adams. Scilla cretica (Boissier & Heldreich) Speta 1971, Österreichische Botanische Zeitschrift 119: 14. Scilla nana (J. A. Schultes & J. H. Schultes) Speta 1971, Österreichische Botanische Zeitschrift 119: 14.
Abbildungen: Speta (1976: Tafel 1b als „Scilla nana“), Phillips & Rix (1989: 42e als C. „cretica“) und Mathew (2005: 120 rechts unten).
Anmerkung zur Taxonomie: Man beachte, dass das Synonym Puschkinia scilloides Sieber und die Art Puschkinia scilloides Adams (Puschkinie, Kegelblume, Meerzwiebelartige Puschkinie) nicht identisch sind und dass das letztere Taxon ein gültiger Name ist.
Die Art ist nach ihrem angeblich kleinen Wuchs benannt (lat. nanus = zwergig). Zwischenzeitlich war man der Meinung Pflanzen der Hochlagen (2000–2300 m) seien Chionodoxa nana, die der tieferen Lagen (1300–1700 m) Chionodoxa cretica. Völlig zu Unrecht bürgerte sich zudem die Meinung ein, C. nana hätte kleine, weißliche Blüten, C. cretica größere blauweiße. Bei C. nana treten auch Albinos auf (vgl. Speta 1976). Heute weiß man, dass alle diese Merkmale in die Variationsbreite der Art Chionodoxa nana gehören und dass die ehemals C. cretica genannte Sippe nur die üppigere Tieflandvariation von C. nana darstellt. Es handelt sich bei dieser Art um einen Kreta-Endemiten. Die Art kommt nach derzeitigem Kenntnisstand nur in den Lefka Ori (= Weißen Bergen, 2453 m) auf Kreta vor.
Kurzbeschreibung: Charakteristisch für diese Art sind wenige (1–3[–5]), kleine (1,3–2,4 cm Ø), gewöhnlich aufwärts gerichtete Blüten in variablen Schattierungen von violett-blau. Die unteren Blüten können auch seitwärts gerichtet sein. Tepalen 0,6–1,1 cm lang. Kronröhre 0,3–0,5 cm lang. Blütezeit in Kultur: April. Blütezeit in der Heimat: April–Juli. Die Blätter von Chionodoxa nana haben – im Gegensatz zu C. albescens – eine etwas rötliche Unterseite und einen rötlichen Blattrand.
Die Art wird derzeit im normalen Gartenhandel nicht angeboten. Gründe dafür sind, dass C. nana nur frosthart ist (d. h. die Pflanze erträgt Temperaturen bis –5 °C) und keine nassen Winter verträgt. Das könnte sich in Zukunft aber ändern, denn nach Mathew (2005) sind die Blüten zwar generell kleiner als bei den türkischen Schneeglanz-Arten, aber in dieser Hinsicht und in der Schattierung von Blau recht variabel, so dass er nicht zweifelt, dass hervorragende Klone selektiert werden könnten. Ebenso soll es Variationen im Freilandwachstum und in der -blüte geben (Mathew 2005). Die Durchführung einer entsprechenden Selektion und Zucht dürfte allerdings Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, in Anspruch nehmen. Im Jahr 2006 konnte der Verfasser nur einen hoch spezialisierten Betrieb ausfindig machen, der diese Art zum Preis von 7,80 € pro Zwiebel anbot. Der Verfasser hat nicht überprüft, ob hier vielleicht tatsächlich C. albescens unter einem falschen Namen angeboten wurde. Gänzlich ausgeschlossen ist eine solche Verwechslung im Gartenhandel jedenfalls nicht.
Chionodoxa sardensis
Whittall ex Barr & Sugden 1883, Autumn catalogue 1883: 3. – Sardes-Schneeglanz, Sardes-Schneeruhm, Sardes-Schneestolz, Sardes-Sternhyazinthe, Dunkle Sternhyazinthe
Synonyma: Chionodoxa luciliae Boissier var. sardensis D. K. 1892, Garden (London) 38: 211. Scilla sardensis (Whittall ex Barr & Sugden) Speta 1971, Österreichische Botanische Zeitschrift 119: 14.
Abbildungen: Speta (1976: Tafel 3b & c als „Scilla sardensis“), Phillips & Rix (1989: 44e), Haeupler & Muer (2000: 686 Mitte links), Dashwood & Mathew (2005: 5 rechts unten, 7 rechts unten & 12 Nr.1), Mathew (2005: 121 links unten), Nijssen & Nijssen (2005: 71 rechts) und Nijssen (2006: 72 rechts unten).
Die Art ist nach der Stadt Sardes (heute Salihli) in der Türkei benannt und nicht etwa nach der Insel Sardinien, wie manchmal irrtümlich angenommen wird. Sardes war die Hauptstadt des alten Lydien (lat. Lydia). Die Sippe hat ihre Heimat nach derzeitigem Kenntnisstand in der West-Türkei, genauer gesagt im Gebirge Boz Dǎgları (2175 m) bei der Stadt Izmir.
Kurzbeschreibung: 2–3 Blätter, aufrecht bis schlaff, bis zu 13,5 cm lang, 1,5 cm breit, linealisch bis nahezu verkehrt-eilanzettlich, grün, dunkelgrüner an der Unterseite, gerillt, Blattspitzen stark kapuzenförmig mit undeutlichen roten Kanten. 1 Blütenstängel, aufrecht bis schlaff, bis zu 14 cm lang. Blütenschaft bis zu 6,5 cm lang, rotbraun. Blütentraube locker, pyramidenförmig bis einseitswendig, bis zu 8,5 cm lang, 7 cm breit, aus bis zu 22 Blüten bestehend. Blütenstiele bis zu 4 cm lang, horizontal an der Basis bis aufsteigend an der Spitze, rotbraun, Tragblätter bis zu 0,3 cm lang, sehr schlank. Blüten glocken- bis sternförmig, bis zu 2,5 cm breit, Tepalen bis zu 1,5 cm lang, 0,8 cm breit, verkehrt-eilanzettlich bis elliptisch, verschwommen purpurn-violett als Knospe, violett beim ersten Öffnungsbeginn, bei voller Öffnung an der Basis violett-blau werdend. Filamente violett-blau, Antheren gelb. Blütezeit in Kultur: Februar–März. Blütezeit in der Heimat: Februar–April.
Von Boom & Ruys (1950) und entsprechend auch von Christensen (2000) wird 1887 als Jahr der Einführung in die gärtnerische Kultur genannt. Nijssen (2006: 72) gibt an, dass die Firma Barr & „Son“ diese Art 1883 in die Kultur eingeführt hätte. Bereits 1883 konnte die Firma Barr & Sugden im „Autumn catalogue“ (= Herbstkatalog) die Art auf Seite 3 erstmals anbieten (Speta 1976). Daher gilt: Als Gartenpflanze kultiviert seit 1884. Hinter den Firmennamen Barr & Sugden und Barr & Son verbirgt sich dieselbe Firma (vgl. Speta 1976: 27).
Der Sardes-Schneeglanz ist eine der drei Arten, die in Schleswig-Holstein mit Sicherheit verwildert vorkommen. Weiterhin ist er eine der drei im Sortiment des normalen Gartenhandels gängigsten Arten. Chionodoxa sardensis verwildert nach Einschätzung des Verfassers in Schleswig-Holstein am dritthäufigsten. Die Art wird in dieser Hinsicht nur von Chionodoxa siehei, Chionodoxa luciliae und dem Art-Bastard Chionodoxa siehei × Chionodoxa luciliae übertroffen.
Chionodoxa siehei
Stapf 1925, Curtis’s Botanical Magazine 150: t. 9068. – Siehe-Schneeglanz, Siehe-Schneeruhm, Siehe-Schneestolz, Siehe-Sternhyazinthe, Große Sternhyazinthe
Synonyma: Chionodoxa forbesii hort., non Baker. Chionodoxa luciliae Maw 1879 in Barr & Sugden, Autumn catalogue 1879: 17, non Boissier, nec auctorum. Chionodoxa luciliae Maw 1879, Gardeners chronicle and horticultural trade journal 11: 474, non Boissier, nec auctorum. Chionodoxa luciliae Boissier var. forbesii (Baker) Drude 1887, Gartenflora 36: 458. Scilla siehei (Stapf) Speta 1971, Österreichische Botanische Zeitschrift 119: 14.
Abbildungen: Speta (1976: Tafel 4a diploid, Tafel 5a triploid & b diploid, Tafel 7c alle als „Scilla siehei“), Phillips & Rix (1989: 44d als C. „forbesii Baker“), Greiner et al. (1995: 151 unten als C. „sardensis“), Lauber & Wagner (1996: 1475 unten rechts als C. „luciliae Boiss.“), Haeupler & Muer (2000: 686 oben rechts als C. „forbesii Baker“), Dashwood & Mathew (2005: 5 oben rechts & 7 oben rechts), Mathew (2005: 121 oben links), Nijssen & Nijssen (2005: 69 rechts als C. „forbesii“) und Nijssen (2006: 71 links als C. „forbesii“).
Die Art ist nach Walter Siehe (* 15.1.1859 in Berlin, † 10.3.1928 in Adana) benannt, einem deutschen Kaufmann und Pflanzensammler, der viele kleinasiatische Pflanzen in die Gartenkultur einführte. Sie hat ihre Heimat nach derzeitigem Kenntnisstand in der West-Türkei, genauer gesagt im Gebirge Boz Dǎgları (2175 m) bei der Stadt Izmir.
Kurzbeschreibung: 2 Blätter, aufrecht bis leicht bogig, bis zu 12 cm lang, 2 cm breit, riemenförmig/länglich mit kapuzenförmiger Blattspitze, leicht blaugrün, mittelgrün, dunkelgrüner auf der Unterseite, gräulich-purpurn durchwirkt. 1 Blütenstängel, bogenförmig bis schlaff, bis zu 10,5 cm lang. Blütenschaft gräulich-orange. Blütentraube breit pyramidenförmig, aus bis zu 12 Blüten bestehend. Blütenstiele bis zu 3,5 cm lang, aufsteigend, gräulich-orange, Tragblätter bis zu 0,4 mm lang. Blüten schalen- bzw. schüsselförmig bis sternförmig, bis zu 3 cm im Durchmesser, die unteren seitwärts gerichtet, die oberen aufwärts gerichtet, Tepalen bis zu 1,3 cm lang, 0,6 cm breit, länglich/oval, im Alter zurückgebogen, basale Tepalenhälfte weiß, apikale Hälfte violett, zu violett-blau verblassend. Filamente weiß, Antheren gelb. Blütezeit in Kultur: Februar–April. Blütezeit in der Heimat: März. Früchte ellipsoidisch.
Bereits 1879 konnte die Firma Barr & Sugden im „Autumn catalogue“ (= Herbstkatalog) die Art auf Seite 17 erstmals anbieten, damals allerdings noch unter dem Namen „Chionodoxa luciliae Maw“. Daher gilt: Als Gartenpflanze kultiviert seit 1880, wie auch von Nijssen & Nijssen (2005: 69–70 als „C. forbesii“) und Nijssen (2006: 71 als „C. forbesii“) angegeben. Von Christensen (2000: 65 als „C. forbesii Baker“) wird dagegen 1904 als Jahr der Einführung in die gärtnerische Kultur genannt.
Diese Art hat eine lange nomenklatorische Odyssee hinter sich. Irrtum I: Zunächst wurde sie als C. luciliae missdeutet – ein Irrtum, der auf George Maw (* 10.12.1832 in London, † 7.2.1912 in Kenley) zurückzuführen ist und sich im Gartenhandel teilweise bis heute erhalten hat (vgl. auch Chionodoxa luciliae Boissier 1844). Irrtum II: Danach wurde sie als C. forbesii missdeutet – ein Irrtum, der sich im Gartenhandel noch immer durchgehend hält und teilweise sogar bis in die jüngste Zeit hinein Eingang in die Fachliteratur gefunden hat (vgl. auch Chionodoxa luciliae Boissier 1844 und C. forbesii Baker 1871). Selbst in der Standardliste von Wisskirchen & Haeupler (1998) ist man diesem Irrtum erlegen. Dort führt man Chionodoxa siehei fälschlicherweise als Synonym von C. forbesii Baker 1871. Dementsprechend wird diese Art auch im neuesten „Rothmaler“ von Jäger & Werner (2005) fälschlich unter dem Namen „Scilla forbesii (Baker) Speta [= C. forbesii Baker]“ geführt. Desgleichen wird diese Art bei Christensen (2000, 2006), in der Flora von Mecklenburg-Vorpommern von Fukarek & Henker (2006: 316), bei Rix (1986) und bei Wurzell (1995) fälschlich unter dem Namen „Chionodoxa forbesii Baker“ geführt. Christensen (2000: 65) muss allerdings zugestanden werden, dass er bereits bemerkt hat, dass ein Problem besteht. Dies ist an folgender Bemerkung unter „Chionodoxa forbesii Baker“ zu erkennen: „Beachte aber, dass Scilla forbesii (Baker) Speta nicht hierher gehört.“ Ebenso stellt das, was im Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen von Haeupler & Muer (2000) unter dem Namen „Chionodoxa forbesii Baker“ abgebildet ist, in Wahrheit Chionodoxa siehei Stapf dar.
Es existiert eine Chionodoxa forbesii Baker 1871, aber diese echte Chionodoxa forbesii wird im Gartenhandel gar nicht angeboten (vgl. C. forbesii Baker 1871). Was vom Gartenhandel als „Chionodoxa forbesii“ angeboten wird, ist in Wahrheit Chionodoxa siehei.
Speta (1976 als „Scilla siehei“), Adler et al. (1994 als „Scilla siehei“), Dashwood & Mathew (2005) und Mathew (2005) führen dieses Taxon als eigene Art. Der Verfasser sieht das genauso.
Chionodoxa siehei Stapf 1925 und Chionodoxa forbesii Baker 1871 sind nicht identisch und nicht synonym!
Ebenso sind Chionodoxa siehei Stapf 1925 und Chionodoxa luciliae Boissier 1844 nicht identisch und nicht synonym!
Desgleichen sind Chionodoxa siehei Stapf 1925 und Chionodoxa tmoli Whittall 1889 (vgl. auch Chionodoxa tmoli Whittall 1889) nicht identisch und nicht synonym!
Der Siehe-Schneeglanz ist eine der drei Arten, die in Schleswig-Holstein mit Sicherheit verwildert vorkommen. Weiterhin ist er eine der drei im Sortiment des normalen Gartenhandels gängigsten Arten, wenn er auch noch durchgehend unter dem falschen Namen „C. forbesii“ angeboten wird. Chionodoxa siehei verwildert nach Einschätzung des Verfassers in Schleswig-Holstein am häufigsten.
Hierzu gehören drei Sorten, von denen die ersten beiden (a), b)) derzeit leicht im Handel erhältlich sind:
a) Chionodoxa siehei 'Blue Giant'
Synonym: Chionodoxa forbesii 'Blue Giant' hort.
Abbildungen: Nijssen & Nijssen (2005: 70 links als C. „forbesii“ 'Blue Giant') und Nijssen (2006: 71 oben rechts als C. „forbesii“ 'Blue Giant').
Es handelt sich um eine Selektion oder Hybride, die dunkelblauere Blüten aufweist als die reine Art.
b) Chionodoxa siehei 'Pink Giant'
Synonyma: Chionodoxa forbesii 'Pink Giant' hort., Chionodoxa luciliae 'Pink Giant' hort., Scilla siehei 'Pink Giant' Speta 1976, Naturkundliches Jahrbuch der Stadt Linz 21: 41.
Abbildungen: Speta (1976: Tafel 4b triploid als „Scilla siehei“ 'Pink Giant'), Mathew (2005: 119 rechts), Nijssen & Nijssen (2005: 70 oben rechts als C. „forbesii“ 'Pink Giant') und Nijssen (2006: 71 unten rechts als C. „forbesii“ 'Pink Giant').
Es handelt sich um eine Selektion oder Hybride, die altrosa Blüten aufweist. Diese Sippe ist triploid. Dass diese Sippe samensteril ist, spricht eher für das Vorliegen einer Hybride. Diese Sorte wurde durch Nic. Roozen 1942 selektiert (Speta 1976).
c) Chionodoxa siehei 'Rosea'
Synonyma: Chionodoxa forbesii 'Rosea' hort., Chionodoxa luciliae 'Rosea' hort., Scilla siehei 'Rosea' Speta 1976, Naturkundliches Jahrbuch der Stadt Linz 21: 41.
Abbildung: Speta (1976: Tafel 7d „Scilla siehei“ 'Rosea' als „Scilla siehei f. rosea“).
Es handelt sich um eine Selektion oder Hybride, die zartrosa Blüten aufweist. Diese Sippe ist diploid. Da diese Sorte von der Firma Krelage & Zoon in Haarlem bereits im Herbstkatalog 1898 angeführt wird, ist sie sicher schon seit weit über einem Jahrhundert im Handel (Speta 1976). Daher gilt: Als Gartensorte kultiviert seit 1899. Sie scheint aber heutzutage nicht mehr zum gängigen Sortiment der Gärtnereien zu gehören. Im Jahr 2006 konnte der Verfasser nur einen hoch spezialisierten Betrieb ausfindig machen, der diese Sorte anbot.
Chionodoxa tmoli
Whittall 1889, Garden (London) 35: 367 „tmolusi“. – Tmolus-Schneeglanz, Tmolus-Schneeruhm, Tmolus-Schneestolz, Tmolus-Sternhyazinthe
Synonyma: Chionodoxa luciliae 'Tmoli' hort. Chionodoxa luciliae Boissier var. tmolusi D. K., Garden (London) 38: 211. Scilla tmoli (Whittall) Speta 1976, Naturkundliches Jahrbuch der Stadt Linz 21: 44.
Abbildungen: Speta (1976: Tafel 6a & b als „Scilla tmoli“).
Die Art ist nach der Bergkette Tmolus der Antike benannt, welche dem Gebirgszug Boz Dǎgları (2175 m) bei der Stadt Izmir in der Türkei entsprechen soll. Das Tmolus-Gebirge lag südlich von Sardes, der Hauptstadt des antiken Lydien (lat. Lydia). Die Sippe hat ihre Heimat nach derzeitigem Kenntnisstand also wie C. luciliae, C. sardensis und C. siehei in der West-Türkei im Gebirge Boz Dǎgları (Mathew 2005).
Kurzbeschreibung: Blätter gegen die Spitze zu breiter werdend. Die Blätter dieser Art sind im Vergleich zu anderen Schneeglanz-Arten breit (bis zu 3,5 cm). Diese Art ist beim Vergleich der Beschreibungen Chionodoxa siehei ähnlich, aber die Blüten haben ein großes weißes Zentrum ("Auge"), so dass sie vorherrschend weiß, mit blauen Spitzen an den Segmenten, erscheinen. Blütezeit in Kultur: März–April. Blütezeit in der Heimat: April–Mai. Die Zwiebeln sind durchschnittlich von der Größe einer wohl entwickelten Erbse, erreichen aber in Kultur maximal eine Länge von 1,7 cm und eine Breite von 1,2 cm. Ihre Tunika ist sehr hinfällig, daher sind die Zwiebeln beim Entnehmen aus dem Boden fast immer nackt, d. h. weißlich, anzutreffen. Früchte dreikantig (sie sind mit drei Flügeln ausgestattet und wirken daher im Querschnitt wie ein gleichseitiges Dreieck).
Erst 1890 konnte die Firma Barr & Son im „Autumn catalogue“ (= Herbstkatalog) die Art auf Seite 14 anbieten, und zwar unter dem Namen Chionodoxa „tmolusii“. Es war wohl zu früh für die neue Art Reklame gemacht worden; möglicherweise waren 1889 noch nicht genügend Pflanzen gezogen (Speta 1976: 47). Daher gilt: Als Gartenpflanze kultiviert seit 1891.
Auch die Standortökologie von Chionodoxa tmoli ist anders als die der anderen Schneeglanz-Arten. Whittall gibt in einem Brief an den Direktor des Botanischen Gartens in Kew folgendes über den Standort dieser Pflanze an: „Ch. tmoli is found in most peculiar situations, generally in deep gorges which are filled to a great depth with drift snow. This gets worn away in April and May by the action of the water underneath and forms vast pearly white domes above, in some cases 50 to 60 ft. high, under which, almost covered by the ice-cold water, your eye is enchanted with the sight of thick masses of beautiful blue and white flowers. In fact Ch. tmoli is the only one of the genus that seems to like such damp quarters“ (zitiert aus Speta 1976, der angibt nach Stapf 1925 zu zitieren).
Chionodoxa tmoli ist also die einzige Art der Gattung, die so feuchte Stellen mag. Passend dazu ist auch die Aussage von Schacht & Köhlein (1985), dass C. tmoli frischere Böden liebt als die anderen Arten.
Die korrekte Schreibweise des Epithetons ist tmoli und nicht „tmolusi“ oder „tmolusii“ (vgl. Meikle 1970: 23, Mathew 2005: 121). In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass Edward Whittall (1851–1917) kein Botaniker, sondern ein englischer Kaufmann und Pflanzensammler war. Er lebte in der Stadt Smyrna (heute Izmir) in der West-Türkei. Stichwort Flexionsendung: Tmolus (der Gebirgszug, der Berg) ist maskulin. Das ist erkennbar an der Endung -us. Die Gattung Chionodoxa ist jedoch feminin. Bei der Überführung eines männlichen Eigennamens in eine weibliche Gattung wird aus der Endung -us die Endung -i, also aus Tmolus wird tmoli. Whittalls Originalepithet „tmolusi“ muss daher zu tmoli korrigiert werden.
Speta (1976: 48) nennt die Beschreibung dieser Art von Whittall ausgezeichnet. Dem kann sich der Verfasser nur anschließen. Es ist daher unverständlich, weshalb Chionodoxa tmoli Whittall 1889 in der Standardliste der Farn- und Blütenpflanzen von Wisskirchen & Haeupler (1998 als C. „tmolusii“) als Synonym von Chionodoxa forbesii Baker 1871 geführt wird, obwohl diese beiden Arten morphologisch und ökologisch gut zu trennen sind.
Speta (1976 als „Scilla tmoli“), Schacht & Köhlein (1985), Adler et al. (1994 als „Scilla tmoli“) und Mathew (2005) führen dieses Taxon als eigene Art. Der Verfasser stimmt dieser Sichtweise zu. Christensen (2000: 66 als C. „tmolusii“) erwähnt die Art zumindest.
Chionodoxa tmoli Whittall 1889 und Chionodoxa forbesii Baker 1871 sind nicht identisch und nicht synonym!
Ebenso sind Chionodoxa tmoli Whittall 1889 und Chionodoxa siehei Stapf 1925 nicht identisch und nicht synonym!
Aufgrund der taxonomischen Irrtümer und der dadurch bedingten Namenskonfusionen (vgl. Chionodoxa forbesii Baker 1871 und Chionodoxa siehei Stapf 1925) und eingedenk der Tatsache, dass Chionodoxa tmoli Whittall 1889 schon seit 1891 als Gartenpflanze kultiviert wird, ist es sehr wohl möglich, dass der Tmolus-Schneeglanz in Schleswig-Holstein vorkommt und möglicherweise auch verwildert. Er könnte sich, bisher unerkannt, unter „C. siehei“-, „C. forbesii hort.“- oder sogar „C. luciliae“-Populationen verbergen. Keinesfalls kann diese Möglichkeit von vornherein ausgeschlossen werden. Auf mögliche Vorkommen dieser Art sollte daher verstärkt geachtet werden.
Schneeglanz-Bestimmungsschlüssel
Im Folgenden wird ein kurzer Bestimmungsschlüssel für die acht Schneeglanz-Arten und eine Hybride vorgelegt. Für die Erstellung desselben wurden die Schlüssel in Adler et al. (1994) und Christensen (2006) genutzt. Weiterhin flossen Merkmale aus Speta (1976), Dashwood & Mathew (2005) und Mathew (2005) ein. Zusätzlich wurden eigene Erfahrungen und Beobachtungen in den Schlüssel integriert. Mit zunehmendem Wissen muss der Schlüssel dann sicher noch verbessert werden. Einstweilen mag er aber als „Erste Hilfe“ dienen.
Der Bestimmungsschlüssel eignet sich überwiegend nur für blühende Pflanzen. Die Blütenmerkmale sollten an frisch aufgeblühten Pflanzen überprüft werden. Es sollten keine überalterten Blüten verwendet werden.
Die Bestimmung kann durch zwei Dinge erschwert werden:
- Es treten Art-Bastarde auf. Diese verwischen, da sie Merkmale beider Elternarten aufweisen, die Bestimmungsmerkmale.
- Die Blüten des Siehe-Schneeglanz machen eine Ontogenie durch. Im jüngeren bis mittelalten Zustand ist die Grenze des weißen Zentrums tatsächlich schärfer als beim Lucile-Schneeglanz. In der Altersphase der Blüten lässt die Abgrenzungsschärfe nach und in diesem einen Punkt nähert sich dadurch das Aussehen Chionodaxa luciliae an. Außerdem vergrößert sich in der Altersphase der Blüte das weiße Zentrum des Siehe-Schneeglanz. Man könnte auch sagen im Alter „weißen die Blüten etwas nach“.
Die in Schleswig-Holstein mit Sicherheit verwildert vorkommenden Arten, die Hybride und die möglicherweise bisher unerkannt verwildert vorkommende Art sind im Schlüssel fett gedruckt. Bei Benutzung des Schlüssels in Schleswig-Holstein können die anderen normal gedruckten Arten also höchstwahrscheinlich übersprungen werden. Dadurch wird der Gebrauch des Schlüssels vereinfacht. Auf der anderen Seite kann man nie wissen mit welchen Überraschungen die Natur aufwartet, so dass es doch geboten schien sämtliche Arten zu verschlüsseln.
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Diskussion
Die Nomenklatur und Taxonomie der Chionodoxa-Arten bereitet zweifellos einige Probleme. Ein Problem liegt in Folgendem begründet: Seit dem 1. Januar 1953 stellt die Veröffentlichung eines neuen Namens in Handelskatalogen oder in nichtwissenschaftlichen Zeitungen und seit dem 1. Januar 1973 in Samentauschlisten keine wirksame Veröffentlichung mehr dar. Daher müssen im Falle Chionodoxa alle alten Handelskataloge berücksichtigt werden (Speta 1976)!
Die wichtigsten Sammler von Chionodoxa-Sippen waren Edward Whittall und George Maw, obgleich der letztere eher als Krokusspezialist bekannt geworden ist. Ein weiteres Problem liegt darin begründet, dass die Korrespondenz zwischen Edward Whittall und der Firma Barr & Sugden nicht aufgehoben wurde und wohl unwiederbringlich verloren ist. Sie hätte in einigen Fällen womöglich Aufklärung bringen können. Edward Whittall lebte in Smyrna (heute Izmir) und sammelte von dort aus in einem ziemlich weiten Umkreis Chionodoxa-Zwiebeln (und Scilla-Zwiebeln). Er betrieb auch eine eigene Anzucht. Genauere Fundorte wurden von ihm sowieso nur in den seltensten Fällen eher nebenbei mitgeteilt. Es schien wahrscheinlich nicht nötig und außerdem konnte so die Konkurrenz nicht unerwünscht nachsammeln. Zudem war schon damals die Gefahr gegeben, dass Pflanzen verschiedener Herkünfte vermischt wurden oder dass Kreuzungen stattfanden. Hierin liegen weitere Probleme begründet (Speta 1976 & 1980).
Zudem stellt es ein Problem dar, dass mit Ausnahme der Insel-Arten C. albescens, C. nana (Kreta) und C. lochiae (Zypern) die Heimatareale der Chionodoxa-Arten nicht mehr gut bis fast gar nicht bekannt sind. Mit Ausnahme von C. luciliae (Meikle 1970) ist bei den Festland-Arten von Chionodoxa im Heimatareal noch nie nach modernen Gesichtspunkten nachgesucht worden, so dass über die Wildherkünfte der restlichen Arten nur sehr spärliche Angaben existieren. Dazu stammen diese spärlichen Angaben meist noch aus dem letzten Jahrhundert. So beziehen sich auch die Angaben in diesem Artikel ganz überwiegend auf Kulturherkünfte. Bis heute (Stand Oktober 2007) haben noch nicht einmal türkische Botaniker die Areale ihrer heimischen Chionodoxa-Arten erforscht (Literaturrecherche & pers. Komm.).
Dennoch sind im Laufe der Zeit Fortschritte erzielt worden:
- Meikle (1970) klärte die Art Chionodoxa luciliae.
- Die Unterschiede von Chionodoxa albescens, Chionodoxa nana, Chionodoxa siehei und Chionodoxa tmoli wurden durch Speta (1976) verdeutlicht.
- Dank der Arbeiten von Mahtew (2005) und Dashwood & Mathew (2005) ist nun auch Chionodoxa forbesii geklärt.
Lässt man die Frage, ob Chionodoxa als eigene Gattung geführt oder in die Gattung Scilla (Blausterne) integriert werden sollte, einmal unberücksichtigt, so ist es beachtenswert, dass zwei der weltweit führenden Zwiebelpflanzenspezialisten (Brian Mathew & Franz Speta) sich über Anzahl und Fassung der Schneeglanz-Arten einig sind.
Anhand der in diesem Artikel vorgelegten Synonyme, Abbildungskorrekturen und historischen Abschnitte lässt sich der Schluss ziehen, dass die Auszeichnung von Schneeglanz-Arten im Gartenbau oft fehlerhaft ist. Es ist daher dringend davon abzuraten Bestimmungen nach Bildern aus Gartenbüchern vorzunehmen oder Etikettennamen des Pflanzenhandels unkritisch zu übernehmen. Analoges gilt für populärwissenschaftliche Bilderbücher.
Aufgrund der hier vorgelegten Daten sollten Chionodoxa luciliae, C. sardensis, C. siehei und der Art-Bastard C. siehei × C. luciliae als in Schleswig-Holstein fest eingebürgert gewertet werden (vgl. die Angaben zu Verwilderungen und Erstkultivierungsjahren).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch C. tmoli in Schleswig-Holstein vorkommt. Das ist theoretisch auch für die echte C. forbesii möglich.
Zum Schluss noch zwei Bemerkungen: Zu Art- und Gattungsbastarden will sich der Verfasser hier nicht weiter äußern, da die Unkenntnis auf diesem Gebiet derzeit die Kenntnis bei weitem überwiegt. Chionodoxa allenii hort. 1892 in D. K. wird nur mit Vorbehalt mit Chionodoxa luciliae Boissier 1844 synonymisiert. Möglicherweise verbirgt sich hinter diesem Namen eine neunte Schneeglanz-Sippe. Diese Themen sollen lieber gesonderten Veröffentlichungen vorbehalten bleiben.
Danksagung
Recht herzlichen Dank an Vera Breuer und Frank Stürmann für das Korrekturlesen des Manuskriptes.
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Anschrift des Verfassers: Gregor Stolley, Schauenburgerstraße 30, 24105 Kiel, e-mail: gstolleyecology.uni-kiel.de