Dipsacus Linnaeus 1753 in Deutschland (Wolfgang Ahrens)

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Hinweis: Dieser Schlüssel ist mit dem Autornamen gekennzeichnet und die Mitarbeit ist auf Wolfgang Ahrens (Wolfenbüttel) beschränkt. Auf der Diskussionseite sind Kritik und Verbesserungsvorschläge jedoch sehr willkommen!
Zitiervorschlag: Ahrens, W. 2011. Dipsacus Linnaeus 1753 in Deutschland. http:/​/​offene-naturfuehrer.​de/​web/​Dipsacus_​Linnaeus_​1753_​in_​Deutschland_​(Wolfgang_​Ahrens) Diese Arbeit ist eine Originalarbeit, die erstmalig hier publiziert ist.

Einleitung

Die Gattung Dipsacus (inkl. Virga Hill 1763) umfaßt weltweit etwa fünfzehn (Erhardt et al. 2008) bis zwanzig (Melchior 1964) Arten, von denen nach Flora Europaea acht Arten in Europa vorkommen. In Deutschland umfaßt die Gattung Dipsacus nach gegenwärtiger Auffassung (Wisskirchen & Haeupler 1998, Buttler & Hand 2008) vier Arten: Dipsacus fullonum Linnaeus 1753, Dipsacus laciniatus Linnaeus 1753, Dipsacus pilosus Linnaeus 1753 und Dipsacus strigosus Willdenow ex Roemer et Schultes 1818. Hinzu kommt als fünfte Art die nur aus Kultur bekannte Dipsacus sativus (L.) Honckeny 1782, deren stellenweise Verwilderungen heute wohl weitgehend erloschen sind. Als eigene Gattung Virga Hill 1763 abgetrennt wurden früher – so noch in Rothmaler 4 9. Auflage (2002) – die Schuppenkarden mit kugelförmigen Köpfen Dipsacus pilosus = Virga pilosa (L.) Hill 1768 und Dipsacus strigosus = Virga strigosa (Roemer et Schultes) Holub 1964. Weitere europäische Dipsacus-Arten sind Dipsacus gmelinii Marschall von Bieberstein 1808 in der südöstlichen Ukraine und im südöstlichen Russland, Dipsacus comosus Hoffmannsegg et Link 1820 im Süden der Iberischen Halbinsel und Dipsacus ferox Loiseleur-Deslongchamps 1807 auf Korsika, Sardinien und in den italienischen Regionen Marche und Abruzzo.

Schlüssel zu den Arten


Dipsacus fullonum Linnaeus 1753

Synonym: Dipsacus sylvestris (silvester) Hudson 1762

Die Wilde Karde (Dipsacus fullonum) ist ein Archäophyt, eine Pflanze, die sich im Gefolge des Menschen mit dem Ackerbau in vor- oder frühgeschichtlicher Zeit in Mitteleuropa ausgebreitet hat. Ursprüngliche Standorte waren wohl offene, wechselfeuchte Schotterfluren in Flußauen und -niederungen. Dipsacus fullonum ist ein mediterranes bis submediterranes Florenelement, das von den Kanarischen Inseln über Nordafrika und Südeuropa bis zum Iran vorkommt. In Deutschland ist die Sippe südlich der Mittelgebirgsschwelle mit Ausnahme der Hochlagen der Mittelgebirge verbreitet bis ziemlich häufig, tritt aber im norddeutschen Tiefland deutlich zurück. Standorte von Dipsacus fullonum sind hochstaudenreiche Unkrautfluren an Straßen- und Wegrändern, Ufern und auf Schuttplätzen. Dipsacus fullonum ist eine Artemisieta-Klassen-Charakterart und tritt vor allem in Beständen des Aegopodion und Onorpodion auf (nach Lange in Sebald et al. (1996)). Die Blüten zeigen eine sehr charakteristische Aufblühfolge: Von der mittleren Zone des Kopfes schreitet das Erblühen gleichzeitig nach den oberen und den unteren Abschnitten des Kopfes fort (Hanelt in Urania Pflanzenreich 2 (1994)). Die am Grunde paarweise miteinander verwachsenen Stengelblätter bilden mit Regenwasser gefüllte Becken (Phytotelmata) aus. Die Bezeichnung Phytotelma geht auf Varga (1928) zurück, der das Phänomen an Dipsacus untersuchte. Diese Phytotelmata sind ein Biotop für Protisten, Algen und Kleintiere. Da die Blätter Drüsen tragen, aus denen von Zeit zu Zeit Protoplasmafäden in die Wasseransammlungen hinauswachsen und da in den Phytotelmata auch Insekten ertrinken, hielt Christy (1923) diese Einrichtung für eine Falle zum Tierfang und zählte Dipsacus fullonum zu den fleischfressenden Pflanzen. Experimentelle Untersuchungen von Shaw und Shackleton (2011) ergaben, daß Dipsacus fullonum durch das Hinzufügen von toten Dipteren-Larven in die Phytotelmata zwar nicht unmittelbar im Wachstum gefördert wird, daß aber die Ausbildung von Achänen um etwa 30% gesteigert wurde.

Dipsacus fullonum, Straßengraben bei Bansleben, Landkreis Wolfenbüttel, 11. Juli 2011
Dipsacus fullonum, Habitus; Bansleben, Landkreis Wolfenbüttel, 11. Juli 2011
Dipsacus fullonum, Bansleben, Landkreis Wolfenbüttel, 11. Juli 2011
Dipsacus fullonum, Bansleben, Landkreis Wolfenbüttel, 11. Juli 2011
Dipsacus fullonum, Blühbeginn in der mittleren Zone des Kopfes; Bansleben, Landkreis Wolfenbüttel, 11. Juli 2011
Dipsacus fullonum, Fortgeschrittene Blüte; Bansleben, Landkreis Wolfenbüttel, 11. Juli 2011
Dipsacus fullonum, Obere Stengelblätter; Bansleben, Landkreis Wolfenbüttel, 11. Juli 2011
Dipsacus fullonum, Mit Regenwasser gefüllte Phytotelmata; Südwestrand des Elz, Landkreis Helmstedt, 13. Juni 2011


Dipsacus sativus (L.) Honckeny 1782

Synonym: Dipsacus fullonum Hudson 1762 non Linnaeus 1753 !!! Linnaeus führt 1753 in den Species plantarum Dipsacus sativus als Variation β von Dipsacus fullonum ohne Artepitheton auf. Hudson teilt 1762 in der Flora Anglica die Linneaische Art in Dipsacus sylvestris = Dipsacus fullonum Linnaeus 1753 und Dipsacus fullonum = Dipsacus sativus (L.) Honckeny 1782 auf.

Dipsacus sativus ist Dipsacus fullonum im Habitus ähnlich, unterscheidet sich von dieser Sippe aber durch waagerecht abstehende Hüllblätter und durch Spreublätter mit starrer, zurückgekrümmter Spitze (nach Lange in Sebald et al. (1996)).

Dipsacus fullonum, Spreublätter mit gerader oder schwach gekrümmter Spitze (... aristis fructus erectis Hudson 1762).
Dipsacus sativus, Spreublätter mit zurückgekrümmter Spitze (... aristis fructus recurvis Hudson 1762).

Der getrocknete Blütenstand wurde zum Aufrauhen von Wollstoffen verwendet. Dipsacus sativus wurde daher vielfach in der Nähe von Tuchfabriken, aber in Baden-Württemberg bei Ravensburg auch zum Export nach Sachsen und Schlesien angebaut und verwilderte gelegentlich. In Deutschland war die Kultur bereits Ende des 19. Jahrhunderts deutlich zurückgegangen (nach Lange in Sebald et al. (1996)).

Dipsacus sativus, Blühbeginn in der mittleren Zone des Kopfes. Katsdorf bei Linz, Oberösterreich. 1. Juli 2011 (Foto: Fritz Preinfalk).
Dipsacus sativus, Fortgeschrittene Blüte. Katsdorf bei Linz, Oberösterreich. 15. Juli 2011 (Foto: Fritz Preinfalk).
Dipsacus sativus, Fortgeschrittene Blüte. Katsdorf bei Linz, Oberösterreich. 15. Juli 2011 (Foto: Fritz Preinfalk).
Dipsacus sativus, Fruchtstände. Heimatmuseum Katsdorf, Oberösterreich.
Dipsacus sativus, Rosette im Herbst. 4. November 2011
Dipsacus sativus, Gekerbter Blattrand der Rosettenblätter. 4. November 2011

Zentrum des Anbaus der Weberkarde in Oberösterreich war Katsdorf/Lungitz östlich von Linz im unteren Mühlviertel. Dort war der Kardenanbau bereits vor 1800 bekannt. Die Weberkarde wurde im Frühjahr im Garten ausgesät und nach der Kornernte auf dem Acker in Vierer-Reihen ausgepflanzt. Als zweijährige Art überwinterte die Weberkarde auf den Feldern. 1896 wurde in Katsdorf eine Kardengenossenschaft zur Sicherung des Kardenabsatzes gegründet, die bis zu ihrer Auflösung 1955 bestand und bei ihrer Gründung 790 Mitglieder, bei ihrer Auflösung noch 259 Mitglieder hatte. Kardenanbau, -ernte und -bearbeitung sowie die Geschichte der Kardengenossenschaft werden im Heimatmuseum des Heimatvereins Katsdorf gezeigt. Der Heimatverein führt die Weberkarde in seinem Logo.

Logo Heimatverein Katsdorf
Mit Erlaubnis des Heimatvereins Katsdorf und Umgebung

Dipsacus sativus ist nur aus Kultur bekannt. Als mögliche Stammarten geben u.a. Fischer et al. (2008) und Rothmaler (2011) Dipsacus ferox Loiseleur-Deslongchamps 1807 und Dipsacus fullonum Linnaeus 1753 an. Dipsacus ferox kommt nach Flora Europaea und Flora d'Italia in der Gegenwart nur in Korsika und Sardinien und in den italienischen Regionen Marche und Abruzzo vor. Dipsacus fullonum ist in West-, Süd- und Mitteleuropa bis in die nordöstliche Ukraine verbreitet.

Dipsacus sativus und Dipsacus fullonum sind wohl bereits seit der Antike (Dioscorides und Plinius) bekannt. Dioscorides (um 40 bis 90 n.Chr.) erwähnt in De Materia medica, III. Buch, "Περι Διψακον, Dipsakos", gedeutet als Dipsacus fullonum. Im Capitulare de villis, der um 812 n.Chr. entstandenen, detaillierten Vorschrift Karls des Großen über die Verwaltung der Domänen, werden "cardones" aufgeführt, die als Dipsacus sativus gedeutet werden. Von Leonhart Fuchs werden in De historia stirpium commentarii insignes (1542) als unterschiedene Arten Dipsacus albus "Weiß kartendistel" (Dipsacus sativus) und Dipsacus purpureus "Braun kartendistel" (Dipsacus fullonum) abgebildet.


Dipsacus laciniatus Linnaeus 1753

Dipsacus laciniatus ist ein ostmediterranes bis gemäßigt-kontinentales Florenelement. In Deutschland tritt die Sippe überwiegend an synanthropen Sekundärstandorten unbeständig in wärmeliebenden Unkrautfluren an Straßen-, Weg- und Waldrändern auf. Das Indigenat von Dipsacus laciniatus im Oberrheingebiet ist unsicher, nach Norden zeigt die Sippe in der Gegenwart eine gewisse Ausbreitungstendenz als unbeständiger Neophyt (Nachweise in Garve 2007 und Feder 2010). Von Dipsacus fullonum unterscheidet sich Dipsacus laciniatus durch die unregelmäßig fiederteiligen Stengelblätter mit grob eingeschnittenen, stumpfen Abschnitten (nach Lange in Sebald et al. (1996)).

Dipsacus laciniatus, Straßengraben am Sportplatz Berklingen, Landkreis Wolfenbüttel, 23. Juli 2011
Dipsacus laciniatus, Sportplatz Berklingen, Landkreis Wolfenbüttel, 23. Juli 2011
Dipsacus laciniatus, Sportplatz Berklingen, Landkreis Wolfenbüttel, 23. Juli 2011
Dipsacus laciniatus, Sportplatz Berklingen, Landkreis Wolfenbüttel, 11. Juli 2011
Dipsacus laciniatus, Sportplatz Berklingen, Landkreis Wolfenbüttel, 23. Juli 2011
Dipsacus laciniatus, Sportplatz Berklingen, Landkreis Wolfenbüttel, 23. Juli 2011
Dipsacus laciniatus, Sportplatz Berklingen, Landkreis Wolfenbüttel, 23. Juli 2011
Dipsacus laciniatus, Obere Stengelblätter, Sportplatz Berklingen, Landkreis Wolfenbüttel, 11. Juli 2011

Dipsacus pilosus Linnaeus 1753

Synonyme: Virga pilosa (L.) Hill 1768; Cephalaria pilosa (L.) Grenier 1850

Dipsacus pilosus ist ein subatlantisches bis submediterranes Florenelement, das von Frankreich bis Südrußland verbreitet ist und seine relative Nordgrenze in Dänemark erreicht. In Deutschland ist die Sippe indigen und tritt als Halbschattenpflanze in stickstoffbedürftigen Krautfluren und Säumen im Übergang zu Hartholz-Auenwäldern und an Fahr- und Gehwegen auf. Der früheste Nachweis von Dipsacus pilosus im nördlichen Harzvorland stammt von Johannes Thal (1588) in der Sylva Hercynia »Wächst in Menge beim Augustinerkloster "Himmelspforten" westlich Wernigerode« (Quadrant 4130/3). Da das Kloster bereits im Bauernkrieg 1525 zerstört wurde, hat Thal (1542–1583) anscheinend an den Ruinen botanisiert. Ältere Angaben von »Dipsacus pilosus« aus Skandinavien, so noch in Hultén (1950) »Atlas över Växternas Utbredning i Norden«, beziehen sich nach Hansen (1962) auf synanthrope Vorkommen von Dipsacus strigosus. Dieses Resultat hat eine Revision des Herbarmaterials der Botanischen Museen Lund und Uppsala ergeben. Allerdings weisen bereits die älteren skandinavischen Autoren stets darauf hin, daß es sich bei der angegebenen Sippe »Dipsacus pilosus« nicht um ein indigenes Florenelement, sondern um einen Neophyten handelt. Wann die Sippe nach Schweden eingeschleppt wurde, ist nicht bekannt. Möglich ist die Verwilderung aus den Botanischen Gärten in Lund und Uppsala, wahrscheinlicher ist aber die Einschleppung auf Hafen- und Eisenbahnterrain mit Importen aus Schwarzmeerhäfen.

Dipsacus pilosus, Sieben Berge bei Alfeld, 1. September 2003
Dipsacus pilosus, Blütenköpfe vor der Blüte, Sieben Berge bei Alfeld, 1. September 2003
Dipsacus pilosus, Blütenkopf vor der Blüte, Sieben Berge bei Alfeld, 1. September 2003
Dipsacus pilosus, Blütenkopf mit schwarz-violetten Staubgefäßen, Harlyberg, Weddebach-Furt östlich Weddingen, 8. September 2003
Dipsacus pilosus, Fruchtend am Harlyberg, Weddebach-Furt östlich Weddingen, 27. September 2008
Dipsacus pilosus, Fruchtend am Harlyberg, Weddebach-Furt östlich Weddingen, 27. September 2008


Dipsacus strigosus Willdenow ex Roemer et Schultes 1818

Synonym: Virga strigosa (Roemer et Schultes) Holub 1964

Dipsacus strigosus ist ein europäisch-kontinentales Florenelement, das von der Ukraine über das untere Don- und Wolga-Flußgebiet, die Krim, den Kaukasus, Nordostanatolien, den Nordiran bis nach Turkmenistan beheimatet ist. Hermann (1956) gibt Dipsacus strigosus für Wolhynien bei Kremenez, Bessarabien, die Ukraine und die Krim an. In Europa ist die Sippe seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern adventiv nachgewiesen. Dipsacus strigosus wurde wohl erstmals gegen Ende des 18. Jahrhunderts von dem deutsch-russischen Gelehrten Peter Simon von Pallas (1741–1811) als eigenständige Art erkannt. Nach seinen Sammlungen hat Willdenow Dipsacus strigosus beschrieben. Diese Beschreibung wurde 1818 von Roemer & Schultes veröffentlicht. Im Anschluß an die Beschreibung wurde bereits auf die Ähnlichkeit von Dipsacus pilosus und Dipsacus strigosus hingewiesen, ein Hinweis, der mehr als 150 Jahre nicht ausreichend beachtet wurde. Dipsacus strigosus besiedelt als Neophyt kurzlebige Ruderalfluren, Fahrwege und gehölzfreie Böschungen. Die Sippe gehört aber nicht zu den aggressiven Neophyten, die sich explosionsartig auszubreiten vermögen, sobald sie einmal Fuß gefaßt haben. Im ursprünglichen Areal ist Hydrochorie, die Ausbreitung von Diasporen mit Hilfe des Wassers, vermutlich der häufigste Verbreitungstyp von Dipsacus strigosus. Die Keimung der Achänen von Dipsacus strigosus erfolgt nach Lhotska (1968) erst nach einer längeren Ruheperiode bei feuchter, kalter Lagerung. Die Verbreitungsschwerpunkte von Dipsacus strigosus in Deutschland liegen in Bayern, in der Umgebung von München (Erstnachweis für Deutschland 1835, zahlreiche Belege im Herbar der Botanische Staatssammlung München, Franz Schuhwerk) und in Oberfranken (Erstnachweis 1909, zahlreiche Neufunde, Lenz Meierott und Georg Hetzel). Zahlreiche Neunachweise ergaben sich für Niederbayern (Willy Zahlheimer) und das Allgäu (Erhard Dörr). In den anderen Bundesländern sind mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin zumindest aktuelle Einzelvorkommen bekannt.

Dipsacus strigosus, Bestand im Straßengraben, am Elz südwestlich Helmstedt, 15. September 2007
Dipsacus strigosus, Rosetten im Straßengraben, am Elz südwestlich Helmstedt, 29. April 2007
Dipsacus strigosus, Einzelne Rosette, am Elz südwestlich Helmstedt, 29. April 2007
Dipsacus strigosus, Stengelblätter, am Elz südwestlich Helmstedt, 27. Juni 2003


Dipsacus strigosus, Blütenkopf, am Elz südwestlich Helmstedt, 5. August 2007
Dipsacus strigosus, Blüten mit grünlichen Staubgefäßen, am Elz südwestlich Helmstedt, 15. Juli 2003
Dipsacus strigosus, Fruchtend am Elz südwestlich Helmstedt, 15. September 2007
Dipsacus strigosus, Fruchtend am Elz südwestlich Helmstedt, 15. September 2007


Zur Unterscheidung von Dipsacus pilosus L. 1753 und Dipsacus strigosus Willdenow ex Roemer et Schultes 1818

Von Dipsacus pilosus unterscheidet sich Dipsacus strigosus zuverlässig durch die Merkmale Köpfchengröße im Fruchtzustand, Form der Spreublätter, Antherenfarbe und das Verhältnis Spreublatt- zu Kronenlänge. Farbe und Zeichnung der Achänen eignen sich nach Butler (1980) nicht zur Unterscheidung von Dipsacus pilosus und Dipsacus strigosus, obwohl sich bei den mir vorliegenden Proben eindeutige Unterschiede ergeben. Auch die Form des Kopfbodens, die Poelt (1970) abgebildet hat, eignet sich nicht zur Unterscheidung der Arten, sondern ist von der Größe der Köpfe abhängig. Insbesondere Vorkommen von »Dipsacus pilosus« auf Ruderalstandorten sind zu überprüfen, möglicherweise wurde Dipsacus strigosus bislang übersehen. In Niedersachsen blüht Dipsacus strigosus Mitte Juli und ist Ende Juli in der Regel abgeblüht, während sich die Blütezeit von Dipsacus pilosus bis in den September hinzieht. Nach Hermann (1956) (ergänzt und berichtigt nach Schmeil-Fitschen (2000), Oberdorfer (2000), Rothmaler 4 Kritischer Band (2005) und Flora Europaea) unterscheiden sich die Sippen in folgenden Merkmalen:

Dipsacus pilosus Dipsacus strigosus
Köpfchengröße 20 bis 30 mm 30 bis 40 mm
Spreublätter 8 bis 13 mm
Krone kaum überragend, aus verkehrt-eilichem Grund plötzlich in eine höchstens gleichlange, grannenartige, borstig bewimperte Spitze zusammengezogen
15 bis 20 mm
Krone deutlich überragend, aus elliptischem Grund allmählich in eine meist längere, grannenartige, ungewimperte Spitze verschmälert, nur auf dem Rücken bewimpert
Blütenkrone weißlich blaßgelb
Staubgefäße schwarz-violett blaßgelb bis hellgrün
Achänen deutlich gerippt, braun glatt bis undeutlich gerippt, graubraun, mit schwarzen Strichen

(Aus: Ahrens 2007, http://www.flora-deutschlands.de/CONR07CT%20MfK%20SAnh.pdf)


Dipsacus pilosus. Spreublätter die Krone kaum überragend, Blütenkrone weißlich, Staubgefäße schwarz-violett.
Dipsacus strigosus. Spreublätter die Krone deutlich überragend, Blütenkrone blaßgelb bis hellgrün, Staubgefäße grünlich
Dipsacus pilosus. Köpfchengröße 20-30 mm (hier 27 mm).
Dipsacus strigosus. Köpfchengröße 30-40 mm (hier 36 mm).


Literatur

  • Ahrens, W. (2007): Zur Unterscheidung von Dipsacus pilosus L. und Dipsacus strigosus Willdenow ex Roemer et Schultes – Mitteilungen zur floristischen Kartierung in Sachsen-Anhalt 12: 71-75. [1]
  • Ahrens, W. (2008): Dipsacus strigosus Willdenow ex Roemer et Schultes 1818 – Eine neue Sippe in Niedersachsen – Braunschweiger Geobotanische Arbeiten 9: 21-41. [2]
  • Ahrens, W. (2008): Portrait einer heimischen Pflanze: Dipsacus strigosus Frankfurter Neubürger seit 65 Jahren – Natur und Museum 138 (7/8).
  • Benkert, D., Fukarek, F. & H., Korsch (1996): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Ostdeutschlands – Jena (Fischer).
  • Buttler, K.P. (1980): Dipsacus strigosus Roemer et Schultes als Neubürger in Frankfurt – Hessische Floristische Briefe 29: 63-65.
  • Buttler, K.P. & R. Hand (2008): Liste der Gefäßpflanzen Deutschlands – Kochia Beiheft 1.
  • Christy, M. (1923): The common teasel as a carnivorous plant – Journ. Bot. Band 61.
  • Erhardt, W., E. Götz, N. Bödecker & S. Seybold (2008): Der große Zander – Band 1 & 2 – Stuttgart (Ulmer).
  • Feder, J. (2010): Zur Zunahme wärmeliebender Pflanzenarten in Süd-Niedersachsen – ein Beitrag zu Auswirkungen des Klimawandels aus botanischer Sicht – Beiträge zur Naturkunde Niedersachsens 63 Heft 3: 75.
  • Fischer, M.A. et al. (2008): Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol 3. Auflage. – Linz (Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen).
  • Flora Europaea Volume 4 (1976): Cannon, J.F.M. Dipsacus L. in Tutin, T.G et. al. (1976): Flora Europaea – Volume 4: Plantaginaceae to Compositae (and Rubiaceae) – Cambridge University Press.
  • Garcke (1972): Illustrierte Flora 23. Auflage – Berlin und Hamburg (Parey).
  • Garve, E. (2007): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen in Niedersachsen und Bremen – Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen 43.
  • Haeupler, H. & P. Schönfelder (1988): Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland – Stuttgart (Ulmer).
  • Hanelt, P. (1994): Dipsacaceae in Urania Pflanzenreich – Band 2 Blütenpflanzen 2 – Leipzig u.a.O. (Urania).
  • Hansen, A. (1962): Dipsacus pilosus L. findes naeppe i Sverige – Botaniska Notiser 115: 106-108 (Lunds Botaniska Förening Lund).
  • Hermann, F. (1956): Flora von Nord- und Mitteleuropa – Stuttgart (Fischer).
  • Hudson, W. (1762): Flora Anglica - Digitized by Google
  • Hultén, E. (1950): Atlas över växternas utbredning i norden – Stockholm.
  • Lange, D. (1996): Dipsacaceae in Sebald, O., S. Seybold, G. Philippi und A. Wörz (1996): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs – Band 6 Valerianaceae bis Asteraceae – Stuttgart (Ulmer).
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  • Rothmaler (2002): Exkursionsflora von Deutschland – Band 4 9. Auflage – Heidelberg – Berlin (Spektrum).
  • Rothmaler (2005): Exkursionsflora von Deutschland – Band 4 10. Auflage – München (Elsevier).
  • Rothmaler (2000): Exkursionsflora von Deutschland – Gefäßpflanzen: Atlasband 10. Auflage – Heidelberg (Spektrum).
  • Rothmaler (2011): Exkursionsflora von Deutschland – Gefäßpflanzen: Grundband 20. Auflage – Heidelberg (Spektrum).
  • Schmeil-Fitschen (2011): Die Flora Deutschlands und der angrenzenden Länder 95. Auflage – Wiebelsheim (Quelle & Meyer).
  • Schulz, B. (1965): Fleischfressende Pflanzen – Die Neue Brehm-Bücherei – Wittenberg Lutherstadt (Ziemsen).
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  • Wagenitz, G. (2003): Wörterbuch der Botanik 2. Auflage – Heidelberg (Spektrum).
  • Wisskirchen, R. & H. Haeupler (1998): Standardliste der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands – Stuttgart (Ulmer).

Autor: Dr. Wolfgang Ahrens, Wolfenbüttel