Scheingräser
Einleitung
Artenkenntnisse sind die Grundlage des Naturschutzes und einer nachhaltigen Nutzung in Land und Forstwirtschaft. So ermöglichen es die Zeigerwerte der Pflanzen, Standorteigenschaften richtig anzusprechen und eine geeignete Nutzung durchzuführen. Für den Arten- und Biotopschutz stellen die Roten Listen ein grundlegendes Instrument dar. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse zur Gefährdung der Artenvielfalt münden in Schutzbemühungen, die von lokalen Maßnahmen bis hin zu internationalen Vereinbarungen wie der Convention on Biological Diversity (CBD) der Vereinten Nationen (UNEP) reichen. Umfangreiche Informationen über die Verbreitung der Arten und den Zustand ihrer Lebensräume werden für die Erarbeitung und Umsetzung der notwendigen Schutzmaßnahmen benötigt. Viele naturschutzfachliche Kartierungen liefern die hierzu notwendigen Grundlagen. Sicheres Bestimmen der Arten ist ebenfalls bei der Erhebung zur Umsetzung gesetzlicher Vorgaben notwendig. So ist beispielsweise ohne ein korrektes Erkennen diagnostisch wichtiger Indikatorarten die Ansprache von nach § 62 des Landschaftsgesetzes geschützten Biotopen nicht möglich. Ebenso werden die Erhaltungszustände von FFH-Lebensraumtypen zum überwiegenden Teil an dem Vorkommen bestimmter Kennarten festgemacht. Aber auch in den Arbeitsbereichen Biotopkartierung, Biodiversitätsmonitoring und der Eingriffsregelung kommt es auf eine korrekte Bestimmung der Pflanzen an.
Wichtige Arbeitsmittel dafür sind einfach zu handhabende Bestimmungsschlüssel, die schon im Gelände zu sicheren Ergebnissen führen. Ist die Bestimmung wie bei dem vorliegenden Schlüssel mit Hilfe von Merkmalen des vegetativen Bereichs möglich, kann während der gesamten Vegetationszeit kartiert werden. Der Verfasser dieses Schlüssels hat seit 1960 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1992 als Angehöriger der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NW (LÖBF) bzw. ihrer Vorgängereinrichtungen mit einer Arbeitsgruppe im Rahmen der landwirtschaftlichen Standortkartierung genutztes Grünland in ganz Nordrhein-Westfalen vegetationskundlich kartiert. Da es zu dieser Zeit nur einen Schlüssel zur Bestimmung für die eigentlichen Süßgräser und die Seggen im blütenlosen Zustand gab, wurde für NRW ein solcher Bestimmungsschlüssel auch für die anderen grasartigen Pflanzen als Arbeitsmittel für die Kartierergruppe erarbeitet. Dabei flossen die Erfahrungen der Kartierer aus den aktuellen Kartierungen immer wieder ein. So entstand aus einer Arbeitshilfe ein fundierter Bestimmungsschlüssel für NRW, der die Scheingräser des Grünlandes im weiten Sinne umfasst. Arten der Wälder, Hochmoore und Hochgebirge finden keine Berücksichtigung. Das gleiche gilt für Bastarde, von denen nur einige wenige, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzutreffen sind, in den Schlüssel Eingang fanden. Die Arten der Nachbarregionen wurden jedoch mit aufgenommen, sofern es keine Grünlandarten mit beschränkter Verbreitung sind, deren Verbreitungsgrenze weit von Nordrhein-Westfalen entfernt verläuft.
Die hier vorliegende Fassung beruht weitgehend auf dem Wissenstand aus dem Jahr 2000. Die seitdem vorgenommenen Namensänderungen und neu beschriebenen oder nachgewiesenen Arten wurden in dem zwingend notwendigen Umfang eingearbeitet, ansonsten werden Hinweise gegeben.
Begriffserklärungen
Hier werden in alphabetischer Reihenfolge vor allem Begriffe erläutert, die in der üblichen Bestimmungsliteratur nicht oder weniger differenziert verwendet werden. Die Kenntnis der Grundbegriffe, z. B. Blütenstandstypen, wird vorausgesetzt.
Hinweis:
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Die hier aufgeführten Fachbegriffe werden in der Kategorie "Botanische Fachausdrücke" auch als Einzelseiten zur Erstellung von Verlinkungen und Erläuterungen im Schlüssel ("Pop-up Tipps") bereit gestellt. Die vorliegende Liste soll als Quelle und kompakte Zusammenfassung zum Ausdruck jedoch erhalten bleiben!
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Ährchen: Die einzelnen, einen zusammengesetzten
Blütenstand bildenden Ähren.
Ährenspindel: Die Achse einer Ähre oder eines Ährchens.
Behaarung: Das Vorkommen einer deutlich wahrnehmbaren Behaarung ist bei den behandelten Arten eine Ausnahme. Die Behaarung ist oft auf bestimmte Teile der Pflanze beschränkt.
Blatt: Laubblatt (siehe
Niederblatt,
Tragblatt), bei den behandelten Arten meist in
Blattspreite und
Blattscheide gegliedert.
Abb. 7: Blatthäutchen. a) spitzwinklig, b) flachwinklig, c) flachbogig, d) hochbogig, e) gestreckt.
Blatthäutchen (Ligula): Ein meist schmaler Hautsaum auf der Grenzlinie von Blattoberseite und
Blattscheide. Für die Bestimmung kann nur ausnahmsweise die Breite des Hautsaums herangezogen werden, vor allem der Verlauf der Ansatzlinie des Blatthäutchens ist als Bestimmungsmerkmal verwendbar (Abb. 7). Die Konsistenz des Blatthäutchens ist meist häutig, zuweilen aber fest und knorpelig.
Blattscheide: Der untere, den Trieb eng umschließende Teil des Blattes. Die Scheide kann offen sein, dann greifen ihre Ränder übereinander (v. a. Binsen (
Juncus)) oder sie ist geschlossen, die Scheide stellt dann eine Röhre dar. Bei den behandelten Arten geht die Blattunterseite ohne erkennbare Grenze in die Scheide über; der die Blattunterseite fortsetzende Teil der Scheide wird Rücken genannt. Die Vorderseite der Scheide weicht häufig vom Rücken ab, bei vielen Arten ist sie häutig ausgebildet: Scheidenhaut. Die Vorderseite einer geschlossenen Scheide ist an der Scheidenmündung in der Regel leicht ausgerandet; Abweichungen können brauchbare Bestimmungsmerkmale ergeben (Abb. 9). Im Verlauf der Entwicklung löst die Scheidenhaut sich auf, dabei bleiben zuweilen die in der Scheidenhaut vorhandenen Gefäßbündel (Nerven) erhalten und bilden ein Fasernetz (Abb. 10). Der Vorgang der Auflösung wird im Schlüssel wie in der Literatur nicht ganz glücklich als "Aufreißen" bezeichnet. Gemeint ist immer der natürliche, altersbedingte Vorgang; beim gewaltsamen Aufreißen intakter Scheiden entsteht nie ein Fasernetz. Vor allem bei Arten mit stark gefärbten Scheiden kann sich das Fasernetz schon auf der intakten Scheide als mehr oder weniger deutliches Linienwerk darstellen, maßgeblich ist jedoch, ob sich schließlich wirklich ein Fasernetz bildet. Mitunter ist das Fasernetz besonders deutlich an den Übergangsbildungen von schuppigen
Niederblättern zu normalen Laubblättern am Grund noch wenig entwickelter Triebknospen erkennbar. Andere Erscheinungen beim Auflösen der Scheidenhaut sind das unregelmäßige Zerreißen unter Bildung von lappigen Fetzen oder das Aufspalten, bei dem manchmal gefärbte Säume entstehen oder auch einzelne Fasern, die aber nicht netzig verbunden sind. Bei offenen Scheiden kann der Randsaum nach oben verlängert und zu Öhrchen ausgezogen sein (vor allem bei Binsen (
Juncus)), diese Öhrchen greifen meist auf die Blattoberseite über und bilden eine Art von
Blatthäutchen, das aber in diesem Fall in der Mitte tief gespalten ist (Abb. 14). Auch Auswüchse am unteren Rand der
Blattspreite werden als Öhrchen bezeichnet.
Abb. 9: Scheidenhaut, oberer Rand. a) winkelig ausgeschnitten, b) flachbogig ausgeschnitten, c) bogig überstehend, d) mit dem Blatthäutchen eine Röhre bildend. |
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Abb. 14: Scheidenöhrchen ( Juncus articulatus). |
Blattspitze: Sie kann zungenförmig abgerundet oder spitz sein, mitunter auch knotig abgestumpft (Abb. 15). Die Spitzen flacher Blätter sind manchmal in eine dreikantige Spitze (mit dreieckigem Querschnitt) zusammengezogen, diese kann zuweilen sehr lang und/oder mehr oder weniger deutlich ausgeprägt sein (Abb. 8).
Abb. 15: Blattspitze knotig abgestumpft ( Luzula campestris). |
Abb. 8: Blattspitze. a) ohne dreikantige Spitze, b) in dreikantige Spitze zusammengezogen. |
Blattspreite: Bei in Spreite und Scheide gegliederten Blättern der obere, vom Trieb mehr oder weniger abgespreizte Teil des Blattes, sie wird, vor allem in Wortzusammensetzungen auch kurz als "Blatt" bezeichnet: Blattgrund, das dem Trieb nahe Ende der Spreite; Blattober-, -unterseite, Ober- bzw. Unterseite der Spreite usw. In den Grund verschmälert ist eine Spreite, wenn sie entfaltet am Blattgrund wesentlich schmaler ist als an der breitesten Stelle. Im übrigen ist die allgemeine Form der Spreite als Bestimmungsmerkmal wenig brauchbar. Dagegen ist die durch Längsfaltung hervorgerufene Ausbildung des Blattquerschnitts wichtig. Der Querschnitt kann meist leicht aus dem Erscheinungsbild des Blattes erschlossen werden, ohne tatsächlich einen Querschnitt anzufertigen. Dies ist aber mitunter bei sehr schmalen Spreiten ratsam und wird erforderlich, wenn es auf die Lage der Gefäßbündel zur Blattoberfläche ankommt. Als Normalfall bei den behandelten Arten kann das flache (grasartige) Blatt gelten, das gewöhnlich einfach oder doppelt gefaltet ist (Abb. 11). Sehr schmale Blätter sind im Querschnitt gewöhnlich nicht flach sondern dreieckig oder halbrund mit flacher oder rinniger Oberseite (Abb. 12), diese Blätter werden borstlich genannt. Breite Blattspreiten können auch dick und mit schwammigem Mark erfüllt sein (Abb. 16). Schließlich kann die Spreite drehrund oder seitlich abgeflacht sein und ist dann nicht in Ober- und Unterseite differenziert oder die Oberseite ist als Rinne angedeutet (Abb. 14): binsenartiges Blatt. Die Oberfläche der Spreite kann glänzend oder matt sein. "Matt" ist das völlige Fehlen von Lichtreflexen, mitunter erscheinen die Nerven in einer matten Oberfläche als glänzende Linien. "Glänzend" umfasst dagegen einen weiten Bereich von schwachem Seidenglanz bis zum Lackglanz der (trockenen!) Oberfläche. In der Regel steht nicht die Frage an, ob die Blätter der einen Art glänzen, die der anderen Art matt sind, sondern die leichtere, ob in dem einen Fall die Oberseite, im anderen die Unterseite glänzen. Unabhängig vom Glanz können Oberflächen Rippen und/oder Riefen (Furchen) zeigen. Von diesen sind Streifenmuster, die lediglich durch Farbe oder Helligkeit entstehen, sorgfältig zu unterscheiden. Ein Kiel ist eine stark hervortretende Mittelrippe der Blattunterseite. Der Blattrand kann entweder ganz glatt oder durch feine Zähnchen rau sein. Die Rauigkeit ist nicht immer mit dem Finger fühlbar (wohl mit Lippen oder Zunge fühlbar, das ist wegen der Verletzungsgefahr aber nicht zu empfehlen). Entscheidend ist, ob bei Lupenvergrößerung Zähnchen erkennbar sind. Bei einem abwärts rauen Rand sind die Zähnchen zur Blattspitze, bei einem aufwärts rauen Rand zum Blattgrund gerichtet. Die Richtung der Zähnchen kann vom Blattgrund zur Spitze wechseln.
Abb. 11: Querschnitte flächiger Blätter. a) doppelt gefaltet, b) rinnig-einfach gefaltet. |
Abb. 12: Querschnitte borstlicher Blätter. a) unsymmetrisch dreieckig ( Eriophorum vaginatum), b) rinnig-dreieckig ( Carex pulicaris), c) rinnig-halbrund ( Carex dioica). |
Abb. 16: Blattquerschnitt, obere Scheidenregion ( Sparganium erectum). |
Abb. 14: Scheiden-Öhrchen ( Juncus articulatus). |
Blütenblätter: Bei den behandelten Arten nur bei den Lilienblütigen (Allium, Juncus, Luzula) von Bedeutung. Diese besitzen 6 Blütenblätter, bei denen die 3 äußeren von den 3 inneren mehr oder weniger abweichen können.
Blütenhülle (Perigon): Die Gesamtheit der Blütenblätter einer Blüte.
Blütenstand: Die Gesamtheit der Blüten eines Triebes, im Zustand der Fruchtreife "Fruchtstand" genannt. Die Blütenstände der Seggen (
Carex) kommen in drei Typen vor:
- einährig: nicht zusammengesetzt, aus einer einzigen Ähre bestehend; diese kann rein männlich oder weiblich oder oben männlich und unten weiblich sein (seltene Arten) (Abb. 22).
- gleichährig: Aus mehreren untereinander gleichartigen Ährchen zusammengesetzt; die Ährchen enthalten meist männliche und weibliche Blüten, auch wenn einzelne Ährchen rein männlich sind, ist dies unauffällig (Abb. 24).
- verschiedenährig: Der Blütenstand enthält neben einem oder mehreren männlichen Ährchen, von denen eines immer endständig ist, gewöhnlich zwei oder mehr weibliche Ährchen (Abb. 23). Es kann vorkommen, dass sich an der Spitze weiblicher Ährchen einige oder ein Abschnitt männlicher Blüten befinden, seltener finden sich weibliche Blüten am Grund der männlichen Ährchen.
- Spirre: Ein aus Einzelblüten, Köpfchen oder Ährchen zusammengesetzter rispiger Blütenstand, bei dem die älteren Abschnitte von den jüngeren übergipfelt werden: Binsengewächse (Juncaceae) und einige Gattungen der Zypergrasgewächse (Cyperaceae).
Blütenstandstypen von Carex
Abb. 22: Primocarex (Einährige). |
Abb. 24: Vignea (Gleichährige). |
Abb. 23: Carex (Verschiedenährige). |
dreizeilig: Blätter nach drei Seiten des Triebes abgehend. Für den Geübten ohne weiteres erkennbar. Anfangs oder in Zweifelsfällen, vor allem bei borstlichen aufrechten Blättern, Querschnitt durch Triebknospe oder Jungtrieb anfertigen (Abb. 1).
Abb. 1: Triebquerschnitte. a) gefaltet (Gräser), b) gerollt (Gräser), c) dreizeilig (Riedgräser). |
Epidermis: Die Außenhaut; siehe auch
Spaltöffnungen.
Fasern: Bei der Zersetzung der
Niederblätter und
Blattscheiden bleiben die Gefäßbündel am Grund der Triebe übrig.
Fasernetz: ↗
Blattscheide
Faserschopf: Zahlreiche Fasern am Grund der Triebe. Beim Abreißen der Triebe oft an den unterirdischen Organen haften bleibend.
flutend: An der Wasseroberfläche schwimmende Blätter oder Stängel von unter Wasser wurzelnden Pflanzen.
Fruchtschlauch: Für die Seggen (
Carex) kennzeichnendes Organ, das die eigentliche Frucht, ein dreikantiges (bei drei Narben) oder linsenförmiges (bei zwei Narben) Nüsschen, flaschen- oder krugförmig umschließt; an der Spitze oft mit einer kurzen oder längeren röhrigen Verlängerung (Flaschenhals), die Schnabel genannt wird. "Frucht" steht bei den Seggen für den reifen Fruchtschlauch (Abb. 20, 21).
Abb. 20: Blüten von Carex flacca. a) männlich, b) weiblich, c) weiblich, mit geöffnetem Fruchtschlauch, Spelze und Spindelabschnitt. |
Abb. 21: Fruchtschläuche. a) Carex rostrata, mit Schnabel, b) Carex nigra, Schnabel sehr kurz, c) Carex spicata, am Grund verdickt. |
gleichährig: ↗
Blütenstand
Griffelgrund (Stylopodium): Der reifen Frucht anhaftender Überrest des Griffels beim Sumpfriet (Eleocharis) (Abb. 19).
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Fehler beim Erstellen des Vorschaubildes: Die Miniaturansicht konnte nicht am vorgesehenen Ort gespeichert werden Abb. 19: Nüßchen mit Griffelgrund ( Eleocharis palustris). |
Horst: Dichte schopfige Wuchsform der Pflanzen ohne
Ausläufer.
Knospenlage: Anordnung der jungen Blätter in der Triebknospe (Abb. 1).
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Abb. 1: Triebquerschnitte. a) gefaltet (Gräser), b) gerollt (Gräser), c) dreizeilig (Riedgräser). |
kurzscheidig: Scheiden im Verhältnis zur Spreite kurz, Blätter der sterilen Triebe daher mehr oder weniger rosettig angeordnet (Abb. 4).
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Abb. 4: Sympodiales Rhizom ( Carex flacca). |
Abb. 6: Horst (
Carex echinata).
langscheidig: Scheiden im Verhältnis zur Spreite lang, sterile Triebe daher von halmartigem Aussehen. Blätter locker verteilt oder eine "gestielte Rosette" bildend (Abb. 6).
Narbe: Bei den behandelten Arten meist aus mehreren fadenförmigen glatten oder gefiederten Ästen bestehender, auf dem Griffel befindlicher, empfängnisfähiger Teil des Stempels. Bei den Sauergräsern (Cyperaceae) hängt die Form der Frucht (Nüsschen) von der Zahl der Griffeläste ab: dreikantig bei drei Griffelästen, zweikantig oder linsenförmig bei zwei Griffelästen. Die Zahl der Griffeläste ist meist artspezifisch, mitunter können beim selben Individuum beide Zahlen vorkommen (Bolboschoenus).
Nervenstreifen (Nervenlinien): Durch nicht grüne Farbe kontrastierende Linien oder Streifen auf den
Niederblättern und
Blattscheiden.
Niederblatt: Schuppig oder scheidig ausgebildetes Blatt am Triebgrund oder am
Rhizom.
Parenchym: Aus mehr oder weniger isodiametrischen Zellen zusammengesetztes Gewebe: grünes Assimilationsparenchym, farbloses Markparenchym.
Rhizom: Wurzelstock, unterirdischer Trieb, sehr verschieden ausgebildet:
- Ausläufer: Verlängertes Rhizom, das nicht aus jedem Knoten Triebe bildet. Als Ausläufer werden nur solche unterirdischen, ausnahmsweise oberirdischen Triebe bezeichnet, die von einem lebenden Trieb ausgehen und Tochtertriebe ausbilden. Horstwüchsige Arten (siehe Horst) hinterlassen bei einseitig fortschreitendem Wachstum zuweilen einen Rest, der bei oberflächlicher Betrachtung als Ausläufer angesehen werden könnte, aber die genannten Bedingungen nicht erfüllt. Auch gestreckte basale Internodien, die gerade in dichten Horsten die Wuchsbasis von Jungtrieben nach oben verlagern, sind keine Ausläufer.Es kommen zwei Typen von unterirdischen Ausläufern vor:
- Monopodiales Rhizom: Die Triebspitze bleibt immer unterirdisch, sie ist die "Gipfelknospe" des Rhizoms. Die grünen Triebe werden als Seitenzweige in regelmäßigen Abständen – aus jedem 4. bzw. 5. Knoten – gebildet. Nur bei gleichährigen Seggen (Abb. 3).
- Sympodiales Rhizom: Bei den behandelten Arten am häufigsten. Die Triebspitze der Ausläufer bildet den Tochtertrieb, an dessen Grund werden eine oder mehrere Knospen wieder zu Ausläufern (Abb. 4). Der Querschnitt des Rhizoms weist vor allem in der Ausbildung der Innenrinde brauchbare Merkmale auf (Abb.5); der von Außen- und Innenrinde umgebene Zentralzylinder ist meist kompakt mit auf dem Querschnitt diffus verteilten Gefäßbündeln. Er kann auch von einem einfachen oder zuweilen zusammengesetzten zentralen Hohlraum durchzogen sein. Nicht als Ausläufer ausgebildete Rhizome bilden an jedem Knoten Triebe aus. Bei langen Rhizomgliedern (Internodien) ergibt das einen aufgelockert rasenartigen, bei kurzen Rhizomgliedern einen fast horstartigen Wuchs der Pflanzen. Die Niederblätter am Rhizom können dauerhaft oder hinfällig sein, im letzteren Fall hinterlassen sie entweder Fasern oder verschwinden ganz.
Abb. 3: Monopodiales Rhizom ( Carex arenaria). |
Abb. 4: Sympodiales Rhizom ( Carex flacca). |
Abb. 5: Rhizomquerschnitte. a) Innenrinde kompakt, b) Innenrinde radial gekammert, c) Außenrinde lose. |
Sammelart (Aggregat): Eine Gruppe ähnlicher Arten mit einem gemeinsamen Namen, z. B. Carex flava (ohne Autorzitat!). Carex flava L. ist ein Glied, Carex demissa Hornem., Carex lepidocarpa Tausch und Carex viridula Mich. sind die anderen bei uns vertretenen Glieder des Aggregats. Da aber die Autorennamen häufig fortgelassen werden, empfiehlt es sich, wenn man die Bestimmung nur bis zum Aggregat vornehmen will, die Schreibweise "Carex flava agg." zu verwenden.
Spaltöffnungen: Zellgruppen in der
Epidermis, die dem Gasaustausch und seiner Regelung dienen. Form und Größe können in bestimmten Fällen zur Unterscheidung ähnlicher Arten nützlich sein (die Größe hat Beziehungen zur Chromosomenzahl-Stufe). Dazu ist aber eine mikroskopische Untersuchung notwendig. Bei Lupenvergrößerung sind die Spaltöffnungen als in Reihen angeordnete Punkte auf der Blattoberfläche zwischen den Nerven sichtbar. Einige Seggenarten sind am besten daran zu unterscheiden, ob die Spaltöffnungen sich auf der Blattoberseite oder der Blattunterseite befinden.
Spelzen: Kleine, meist trockenhäutige, schuppige Deckblättchen der Einzelblüten in den
Blütenständen der Sauergräser (Cyperaceae), an der Spitze der Ährchen können sich Spelzen ohne Blüten befinden: Sterile Spelzen.
Abb. 18: Niederblätter mit Spreitenrest. a)
Juncus effusus, b)
Trichophorum germanicum.
Spreitenrest: Zu Borsten oder kleinen, zungenförmigen Anhängseln reduzierte
Blattspreiten an
Niederblättern (Abb. 18).
Spreitengelenk: Ein von Blattspreite und Blattscheide verschiedenes Gewebe am Übergang dieser beiden Teile. Kennzeichnend für die echten Gräser (Poaceae), den behandelten Arten fehlend.
steril: Nicht fruchtend, bei Staubgefäßen: ohne Pollen. Bei den Seggen ist die Frucht vom
Fruchtschlauch umhüllt, dieser entwickelt sich normal, auch wenn die Frucht sich nicht entwickelt; daher kann man Sterilität der Pflanzen nur durch Fühlen oder Öffnen der Fruchtschläuche feststellen. Sterilität ist bei einigen Gruppen, z. B.
Carex flava agg. ein sicherer Hinweis auf die Bestandnatur der Pflanzen; in anderen Fällen, z. B.
Carex vesicaria und
Carex rostrata sind auch artreine Pflanzen häufig oder sogar in der Regel steril.
Stylopodium: ↗
Griffelgrund
Tragblatt: Hier nur blattartige Organe im
Blütenstand, vor allem am Grund von Ährchen oder Blütenstandsästen.
verschiedenährig: ↗
Blütenstand
zweizeilig: Blätter abwechselnd nach einer und der entgegengesetzten Seite vom Trieb abgehend; vgl.
dreizeilig.
Abkürzungen
Nur die Stellung der Arten im pflanzensoziologischen System wird grundsätzlich abgekürzt.
- CA: Kennart, Charakterart
- VC: Verbandskennart
- OC: Ordnungskennart
- Schl.: Schlüssel
- KC: Klassenkennart
Nomenklatur der wissenschaftlichen Namen:
Die wissenschaftlichen Namen der Arten richten sich nach der "Florenliste von Nordrhein-Westfalen", Schriftenreihe der Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung Nordrhein-Westfalen, Band 7, 2. Auflage 1988. In wenigen Fällen haben sich inzwischen unabweisbare Änderungen ergeben, dann ist in Klammern der dort verwendete Name angegeben, dies gilt auch für einige andere gebräuchliche Synonyme. Die Namen der Pflanzengesellschaften richten sich nach E. Oberdorfer "Pflanzensoziologische Exkursionsflora", 6. Aufl., Stuttgart 1990.
Unterscheidung der Echten Gräser und Scheingräser
„5“ gehört nicht zu den möglichen Werten dieses Attributs (-1).
Unterscheidung der Echten Gräser und Scheingräser
1 | 1 | Blattspreite immer entwickelt1, auf der Oberseite oft regelmäßig gerieft, auf der Unterseite deutlich von der Scheide abgesetzt (Spreitengelenk). Blätter immer zweizeilig gestellt, in der Knospenlage gerollt oder gefaltet. Blatthäutchen vorhanden oder fehlend oder durch einen Haarkranz ersetzt. | | Echte Gräser |
| |
1 | ’ | Blattspreite auf der Oberseite nicht regelmäßig gerieft, auf der Unterseite ohne Unterbrechung in die Scheide übergehend oder nicht deutlich in Scheide und Spreite gegliedert oder Spreite stark reduziert oder ganz fehlend. Blätter oft dreizeilig gestellt, wenn zweizeilig gestellt, in der Knospenlage flach aufeinander liegend2. Blatthäutchen vorhanden oder fehlend, nie durch einen Haarkranz ersetzt. | | Scheingräser |
| |
- 1 Neben vollentwickelten, in Scheide und Spreite gegliederten Blättern können Niederblätter und vorjährige Scheiden, deren Spreiten abgefallen sind, vorhanden sein.
- 2 In der Gattung Allium, die durch den starken Lauchgeruch aller Teile ausgezeichnet ist, kommen selten grasartige gefaltete Blätter vor.
Schlüssel zu den Hauptgruppen der Scheingräser
1 | 1 | Pflanzen mit leicht erkennbaren Blättern. Blätter entweder grasartig flach und oft mehr oder weniger gefaltet oder binsenartig röhrig oder borstlich oder dick mit schwammigem Mark und dann nicht immer deutlich in Spreite und Scheide gegliedert. | ► 2 |
| |
1 | ’ | Pflanzen scheinbar ohne Blätter. Blätter entweder mit stark reduzierter Spreite, nur als spreitenlose Niederblätter oder Scheiden ausgebildet oder mit stängelartiger scheidenloser Spreite, daneben noch Niederblätter vorhanden. | | Binsenartige Pflanzen ohne Blätter |
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2 | 2 | Blätter binsenartig röhrig, im Querschnitt rundlich oder seitlich zusammengedrückt; oben bisweilen rinnig; hohl oder markerfüllt, oft mit Querscheidewänden; zweizeilig; fast stets deutlich über 1 mm breit. | | Binsenartige Pflanzen mit Blättern |
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2 | ’ | Blätter flach oder borstlich | ► 3 |
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3 | 3 | Blätter borstlich. Hierher alle Pflanzen, deren Blattspreiten bis etwa 1 mm breit und im Querschnitt nicht ganz flach sind, ihr Querschnitt kann rund oder dreieckig- oder halbrund-rinnig sein. | | Scheingräser mit borstlichen Blättern |
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3 | ’ | Blätter mehr oder weniger flach | ► 4 |
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4 | 4 | | |
4 | ’ | | |
4 | ’’ | | |
Abbildungen
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Literatur
- Foerster, E. (1962): Schlüssel zum Bestimmen der in Deutschland wild wachsenden Arten der Gattung Allium L. im blütenlosen Zustande. Mitt. Flor.-Soz. AG N.F. 9: 5-7, Stolzenau.
- Foerster, E. (1971): Bestimmungsschlüssel für Binsen nach vorwiegend vegetativen Merkmalen. Göttinger Floristische Rundbriefe 5: 19-23, Göttingen.
- Foerster, E. (1972a): Die Gattung Eleocharis. Göttinger Floristische Rundbriefe 6: 96-101, Göttingen.
- Foerster, E. (1972b): Bolboschoenus maritimus (L.) Palla. Göttinger Floristische Rundbriefe 6: 101.
- Foerster, E. (1981): Schlüssel zum Bestimmen von dreizeilig beblätterten Riedgräsern des norddeutschen Flachlandes nach vorwiegend vegetativen Merkmalen. Göttinger Floristische Rundbriefe 16: 3-21. Göttingen.
- Graf, U. (2008 – last update): Sauergräser. Provisorischer Schlüssel zur Bestimmung von nichtblühenden Seggen, Binsen und anderen Sauergräsern in der Schweiz. www.wsl.ch/staff/ueli.graf/cx/
- Hroudová, Z., P. Zákravský, M. Ducháček & K. Marhold (2007): Taxonomy, distribution and ecology of Bolboschoenus in Europe, Ann. Bot. Fenneci 44: 81-102, Helsinki
- Jermy, A. C. D. A. Simpson, M. J. Y. Foley & M. S. Porter (2007): Sedges of the British Isles. BSBI Handbook No. 1, ed. 3: 534 S., London.
- Neumann, A. (1952): Vorläufiger Bestimmungsschlüssel für Carex-Arten Nordwestdeutschlands im blütenlosen Zustande. Mitt. Flor. Soz. AG N.F. Heft 3: 44-77, Stolzenau 1952.
- Patzke, E. (1980-1992): Phänologische Daten von Scheingräsern und zugehöriger Referenzarten. Mündliche Mitteilungen.