Bestimmung von Strandgräsern nach vorwiegend vegetativen Merkmalen (Erik Christensen)

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Hinweis: Dieser Schlüssel ist mit dem Autornamen gekennzeichnet und die Mitarbeit ist auf Erik Christensen beschränkt. Auf der Diskussionsseite sind Kritik und Verbesserungsvorschläge willkommen!

Der folgende Bestimmungsschlüssel bezieht sich auf die für sandige Küsten typischen kräftigen, großwüchsigen Gräser, die durch Ausläufer, steife, dicke, deutlich geriefte Blattspreiten und blaugraue Farbe an ihren Lebensraum angepasst sind. Auch Elymus repens mit seiner Küstensippe, wenngleich nur in Teilen mit diesem Merkmalskomplex übereinstimmend, wird dabei in die Liste aufgenommen. Dagegen werden die intra- und intergenerischen Bastarde der Gattungen Elymus und Leymus nicht mit berücksichtigt. Mit dieser Beschränkung soll die übersichtliche, kompakte Form der Darstellung erhalten bleiben.

Der Schlüssel ist so aufgebaut, dass die fett gedruckten Angaben schon für sich allein genommen eine sichere Diagnose der betreffenden Sippen ermöglichen. Die zusätzlichen Angaben dienen der Überprüfung. Treten Bestimmungsunsicherheiten auf, so könnten Bastardpflanzen vorliegen. Diese sind pollensteril, wegen fehlender Früchte lassen sich die Ährchen daher zusammendrücken (Krisch 2005). Die Bastarde sind keineswegs selten und treten auch unabhängig von den Eltern auf (Krisch 2005). Die ausführliche Quecken-Monographie von Glahn (1987) und auch der Bestimmungsschlüssel von Krisch (2005) bieten die Möglichkeit zur Diagnose der entsprechenden Hybriden. Auch bei Schou et al. (2009) sind einige Hybriden beschrieben.

Bestimmung von Strandgräsern nach vorwiegend vegetativen Merkmalen
Von: Erik Christensen
Der hier angegebene Schlüssel benutzt Angaben von Raabe(1951), Hubbard (1985), Glahn (1987), Haeupler & Muer (2000), Jäger & al. (2005), Krisch (2005), Cope & Gray (2009) und Schou et al. (2009) und wurde durch eigene Beobachtungen verifiziert und ergänzt. — Die wissenschaftlichen Namen der behandelten Sippen folgen Buttler & Hand (2008), die synonymen Namen entstammen Wisskirchen & Haeupler (1998) und Krisch (2005). — Ökologie und Verbreitung in Nord- und Ostdeutschland (nach Christiansen 1953, Glahn 1987, Raabe &al. 1987, Haeupler & al. 1988, Poppendieck& al. 1998, Fukarek & Henker 2006):
Geographischer Geltungsbereich: Nord- und Ostdeutschland — Mitarbeit begrenzt auf: Erik Christensen
1
Blattspreitengrund mit Öhrchen, Ährengras   ► 2
2
Blattscheidenrand ohne Wimpernreihe   ► 3
3
Blattspreite nur flach gerippt, Blattnerven nur mit einer einzigen Reihe von Haaren, diese sind relativ lang, sie können aber auch abschnittsweise fehlen, jeweils ein Ährchen auf jedem Absatz der Ährenachse 
  ▼▼ a  –   Kriech-Quecke  –  Elymus repens (L.) Gould
(= Agropyron repens (L.) P. Beauv., Elytrigia repens (L.) Devs. ex Nevski)
a
Pflanze grün oder schwach grau-blau, Spreiten 5-15 mm breit, diese rollen sich bei Trockenheit nicht oder nur schwach ein, Ähre locker bis dicht, 5-20(30) cm lang, Pflanze 50-150 cm hoch 
 Gewöhnliche Kriech-Quecke  –  E. repens ssp. repens s. str.
b
Pflanze mehr oder weniger deutlich blaugrün, manchmal knickig aufsteigend, Blattspreiten 3-9 mm breit, diese rollen sich bei trockener Witterung borstlich ein (so auch im Herbar), Ähren locker, nur 4-7 cm lang, Pflanze meist nur 20-60cm hoch 
 Strand-Kriech-Quecke  –  E. repens ssp. littoreus (Schumach.) Conert
(= Agropyron littoreum (Schumach.) O. Schwarz)
Ökologie und Verbreitung in Nord- und Ostdeutschland: Im höher gelegenen Salzrasen. Verbreitet an den Küsten der Nordsee, aber auch an der Ostsee.
Anmerkung: Diese blaugraue Küstensippe der Kriech-Quecke ist auch unter verschiedenen illegitimen Namen beschrieben worden, z. B. Agropyron repens ssp. maritimum (Koch & Ziz) Rothm.. Dies hängt auch mit Verwechslungen mit dem im Mainzer Sand vorkommenden Lokalendemiten Elymus arenosus (Spenn.) Conert zusammen (vergl. auch Dengler1999/2000). Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass die beiden Unterarten von Elymus repens auf Salzwiesen manchmal schwer zu differenzieren sind: Sogar in einem Polycormon der mutmaßlichen Unterart littoreus kommen manchmal auch sehr untypische, eher der Unterart repens zuzuordnende Halme vor (Glahn 1987, vergl. auch Fukarek & Henker 2006: 360).
3
Rippen der Blattspreite deutlich hervortretend, dicht stehend mit Stachelzellen bedeckt, Blattspreiten 8-20 mm breit, flach, nur bei Trockenheit eingerollt, an jungen Blattscheiden und Blattunterseiten deutliche Blaugrau-Färbung als abwischbarer Reif, Ährchen in Paaren auf jedem Absatz der Ährenachse angeordnet 
 Gewöhnlicher Strandroggen  –  Leymus arenarius (L.) Hochst.
(= Elymus arenarius L.)
Ökologie und Verbreitung in Nord- und Ostdeutschland: Auf sandigen Böden im oberen Spülsaum, am Fuße der Steilufer, am Strandwall, in Dünen, in Steinpackungen der Deiche, in Dörfern der Geestinseln. Daneben manchmal auch unbeständig an Ruderalstellen im Binnenland. Die Vorkommen in Kiefernwäldern, Kiefernforsten und auf Binnendünen gehen wahrscheinlich oft auf Anpflanzungen zurück. An der Ostseeküste, an den Sandküsten der Nordsee, seltener auch am Unterlauf der Elbe verbreitet.
2
Blattscheiden mit einem auffälligen Wimpernrand, Rippen der Blattspreiten nur mit jeweils einer Reihe von Stachelzellen bedeckt, Blattspreiten bis 7 mm breit, meist eingerollt, Pflanze hell blaugrau bis graugrün, jeweils ein Ährchen auf jedem Absatz der Ährenachse 
 Dünen-Quecke  –  Elymus athericus (Link) Kerguélen
(= Elytrigia atherica (Link) Kerguélen, Elymus pungens auct. non (Pers.) Melderis, Agropyron pungens auct. non (Pers.) Roem. & Schult.)
Ökologie und Verbreitung in Nord- und Ostdeutschland: Auf sandigeren Böden der Salzrasen, an Prielrändern, aber auch in Steinpackungen. An der Nordsee verbreitet, an der Ostsee fehlend.
1
Blattscheidenrand ohne Öhrchen   ► 3
3
Blatthäutchen nur bis 2 mm lang, gestutzt, die an der Basis verdickten, kurzen Haare bilden auf den Rippen der Blattspreiten-Oberseite ein auffälliges „Fischgrätenmuster“, Ährengras 
 Binsen-Quecke  –  Elymus junceiformis A. & D. Löve
(= Elytrigia juncea (L.) Nevski ssp. boreoatlantica (Simonet & Guin.) Hyl., Agropyron junceum (L.) P. Beauv. ssp. boreoatlanticum Sim. & Guin, Agropyron junceiforme A. & D. Löve.)
Ökologie und Verbreitung in Nord- und Ostdeutschland: Auf Primärdünen, auch in der Weißen und Grauen Düne, auf Strandwällen, am Fuße der Steilufer, auf Steinpackungen der Deiche. An der Ostseeküste verbreitet, an der Nordsee vorwiegend an sandigen Stränden.
3
Blatthäutchen 10-30 mm lang, spitz, die Rippen auf den Blattspreiten-Oberseiten rau oder fein und dicht behaart, Ährenrispengräser   ► 4
4
Blätter meist gerollt, oberseits matt blaugrün, bis 6(8) mm breit, mit 6-10 sehr kräftigen Riefen [1], Knoten fast doppelt so lang wie breit, meist gelbgrünlich, Ährenrispe 7-15(22) cm lang, 1-2,5 cm breit, dicht, weißlich, Haare am Grunde der Deckspelzen bis zu 1/3 so lang wie die Deckspelzen, Pflanze fertil 
 Gewöhnlicher Strandhafer  –  Ammophila arenaria (L.) Link
Ökologie und Verbreitung in Nord- und Ostdeutschland: Auf Dünen, Strandwällen, Spülsäumen, am Fuße von Steilufern. Die Vorkommen in Kiefernwäldern, Kiefernforsten und auf Binnendünen gehen oft auf Anpflanzungen zurück (in Schleswig-Holstein als „Königsgras“ bezeichnet). An der Ostseeküste, am Unterlauf der Elbe und an den Sandküsten der Nordsee verbreitet.
4
Blätter meist flach, oberseits graugrün, bis 10(12) mm breit, mit 8-14 sehr kräftigen Riefen[1], Knoten so lang wie breit, meist rotgrünlich, Ährenrispe 13-25 cm lang, 1,7-3 cm breit, locker gelappt, bräunlich bis violett, Haare am Grunde der Deckspelzen ca. 1/2 so lang wie die Deckspelzen, Pflanze steril 
 Baltischer Strandhafer  –  × Calammophila baltica (Flüggé ex Schrad.) Brand
(= (Ammophila arenaria × Calamagrostis epigejos): × Ammocalamagrostis × baltica (Flüggéex Schrad.) P. Fourn.)
Ökologie und Verbreitung in Nord- und Ostdeutschland: Auf der jungen Weißen Düne, auf Strandwällen, Spülsäumen, am Fuße von Steilufern. An der Ostseeküste, an den Sandküsten der Nordsee, seltener auch am Unterlauf der Elbe verbreitet. Die Sippe wird zum Küstenschutz auch angepflanzt.

'Fußnote:

  1. 1,0 1,1 Ammophila arenaria und × Calammophila baltica: Auf den Spreiten-Oberseiten dieser beiden Sippen gibt es deutlich sichtbare Hauptriefen. Dazwischen gibt es meist kleinere Nebenriefen, die nur etwa halb so hoch und halb so breit wie die Hauptriefen sind. Für die Bestimmung sind nur die von oben gut erkennbaren Hauptriefen zu zählen. Die Unterscheidung beider Riefenarten ist bei der Aufsicht nicht immer einwandfrei möglich. Daher sollte man im Zweifelsfall einen Schnitt anfertigen und die Anzahl der Hauptriefen am Querschnitt auszählen. Aber auch dann kann die genaue Unterscheidung zwischen den kräftigen Hauptriefen und den kleineren Nebenriefen noch Unsicherheiten erzeugen. Wenn die Bestimmung durch die vegetativen Merkmale unsicher bleibt, bieten die Haare an den Deckspelzen eine sichere Diagnose.

Dank

Für hilfreiche Hinweise bedanke ich mich bei Susanne Hörger-Ahlers (Laboe), Willi Kempe (Kiel), Hans-Ulrich Piontkowski (Eckernförde) und Gregor Stolley (Kiel).

Literatur

  • Buttler, K. P., Hand, Ralf (2008):Liste der Gefäßpflanzen Deutschlands. – Kochia Beiheft 1, Berlin.
  • Christiansen, W. (1953): Neue kritische Flora von Schleswig-Holstein. ─ 532 S.+ 40 S. Anhang, Buchverlag Heinrich Möller Söhne, Rendsburg.
  • Cope, T. & Gray, A. (2009): Grasses of the British Isles. – B.S.B.I Handbook 13, 608 S., London.
  • Dengler, J. (1999/2000): Buchbesprechung zu Wisskirchen, R. & Haeupler, H. (1998): Standardliste der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. – Kieler Notiz. Pflanzenkd. Schleswig-Holstein . Hamb. 27/28: 87-93, Kiel.
  • Fukarek, F. & Henker, H. (2006): Flora von Mecklenburg-Vorpommern. – 430 S. Weißdorn Verlag, Jena.
  • Glahn, H. v. (1987): Zur Bestimmung der in Norddeutschland vorkommenden Quecken (Arten, Unterarten und Bastarde der Gattung Agropyron s. l.) nach vegetativen Merkmalen unter besonderer Berücksichtigung der Küstenregion. – Drosera 6(1), 1-27, Oldenburg.
  • Haeupler, H., Schönfelder, P. & Schuhwerk, F. (1988): Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland. ─ 768 S., Stuttgart.
  • Haeupler, H. & Muer, T. (2000): Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. – 757 S., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
  • Hubbard, C. E. (1985): Gräser. 2. Aufl. ─ Übers. u. bearb. von Boeker, P., 475 S., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
  • Jäger, E. J. & Werner, K. (2005): Rothmaler, Exkursionsflora von Deutschland. Bd.4. Kritischer Band. 10. Aufl. ─ 960 S., Elsevier Spektrum Akademischer Verlag, München.
  • Krisch, H. (2005): Elytrigia Desv. – In: Jäger, E. J. & Werner, K.: Rothmaler, Exkursionsflora von Deutschland. Bd.4. Kritischer Band. 10. Aufl., 899-903, Elsevier Spektrum Akademischer Verlag, München.
  • Poppendieck, H. H., Kallen, H. W., Brandt, J. & Ringenberg, J. (1998): Rote Liste und Florenliste der Farn- und Blütenpflazen von Hamburg. – Naturschutz und Landschaftspflege in Hamburg, Schriftenreihe der Umweltbehörde 48, 114 S., Hamburg.
  • Raabe, E. W. (1951): Über die Gräser in Schleswig-Holstein. ─ Mitt. Arb.-gem. Floristik in Schl.-Holst. u. Hamburg 3, 133 S., Kiel.
  • Raabe, E. W., Dierssen, K. & Mierwald, U. (1987): Atlas der Flora Schleswig-Holsteins und Hamburgs. ─ 654 S., Wachholtz Verlag, Neumünster.
  • Schou, J. C., Wind, P. & Lægaard, S. (2009): Danmarks græsser. – 527 S., BFN’s forlag, Klitmøller.
  • Wisskirchen, R. & Haeupler, H. (1998): Standardliste der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. – 765 S., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
Quelle: Offene Naturführer, Das Wiki zu Bestimmungsfragen: Bestimmung von Strandgräsern nach vorwiegend vegetativen Merkmalen (Erik Christensen) (Zuletzt geändert:
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