Das Fraufaſtenkind und die Haſenpfoten (Schweizersage)
Man ſagt, alle diejenigen, welche um Fraufaſten in der Mitternachtsſtunde geboren werden, ſeien geiſterſichtig. Wüßten ſie aber vierundzwanzig Stunden lang über das zuletzt Geſehene zu ſchweigen, ſo könne ihnen keinerlei Spuk Schaden thun. So ein Kind war im Dorfe Holderbank.
Als dieſes Mädchen einſt zwiſchen 10 und 11 Uhr Nachts mit mehreren Geſpielinnen vom Schloß Wildegg aus, in dem ſie gearbeitet hatten, über den Berg in ihr Dorf heim gehen wollte, trat ihr plötzlich ein grüngekleideter Mann mit Gewehr in den Fußpfad. Sogleich kehrte ſie zurück und gelangte auf einem großen Umweg erſt um ein Uhr zu ihrem Haus. Die andern Mädchen wußten nicht, wo ſie hingekommen war und hatten ſchon verbreitet, ſie ſei durch einen Jägersmann erſchoſſen worden. Später einmal, da ſie als Braut mit ihrem Bräutigam von Holderbank nach Saffenwil auf dem Wege war, kam ein ſchwarzes Hündchen zwiſchen ihnen hergelaufen; ſie begab ſich alsbald auf die andere Seite der Straße, und trotz aller Fragen ihres Bräutigams, warum ſie ſich von ihm entferne, blieb ſie ihm die Antwort volle 24 Stunden lang schuldig.
Ein Mann im Solothurner-Biet war ebenfalls ein Fraufaſtenkind; als dieſer einmal nach Solothurn wollte, begegnete ihm ein Weib, das ein Kind auf dem Arme und dazu eine glühende Stange in der Hand trug; darüber erſchrak er ſo ſehr, daß er unter lautem Schreien ſeiner Heimath zufloh. Hier angekommen erzählte er ſein Begegniß und klagte ſich über Brennen am ganzen Leibe. Man entkleidete ihn und fand ſchwarze Blattern auf ſeiner Haut, die ein Ausſehen hatten, wie Haſenpfoten im Schnee abgeſpürt. — Seine Leute erſahen daraus, daß er nicht hätte ſchreien ſollen.
Die auf die Tortur gebrachten Hexen mußten vorher vom Henker unterſucht werden, ob ihnen der Teufel nicht ein Malzeichen in die Haut eingedrückt habe; ein ſolches nennt Hildebrands Zauberei (Frankfurt 1631) pag. 258 „Haſenpfoten“; denn, – ſagt Joh. Prätorius, Blodesberg 1669, 401 – dieſe Malzeichen findet man wie mit einem Haſentäplein gezeichnet. Philo, Magiologia 1675, pag. 1019 nennt dieſelben Zeichen Krottenhand und warnt den Henker, beim Torturverfahren nicht darein zu ſtechen mit Nadeln oder Pfriemen, weil hier die Hexe unempfindlich gemacht ſei; ſie würde ſich ſtellen, als fühlte ſie darüber Schmerzen, da ſie doch wirklich keine empfände.
Geschichte 293 in Band 2 auf Seite 61 in Rochholz, E. L. 1857: Schweizersagen aus dem Aargau. Bd. 1 u. 2., Druck und Verlag von H.R. Sauerländer, Aarau, S. 912 (https://books.google.de/books?id=HN4wAQAAMAAJ).
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