Der Mohn (Ludwig Uhland)

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Wie dort gewiegt vom Westen,
Des Mohnes Blüten glänzt!
Die Blume, die am besten
Des Traumgotts Schläfe kränzt;
Bald purpurhell, als spiele
Der Abendröte Schein,
Bald weiß und bleich, als fiele
Des Mondes Schimmer ein.

Zur Warnung hört ich sagen,
Daß, der im Monde schlief,
In Träume schwer und tief;
Dem Wachen selbst geblieben
Sei irren Wahnes Spur,
Die Nahen und die Lieben
Halt’ er für Schemen nur.

In meiner Tage Morgen,
Da lag auch ich einmal,
Von Blumen ganz verborgen,
In einem schönen Tal.
Sie dufteten so milde!
Da ward, ich fühlt es kaum,
Das Leben mir zum Bilde,
Das Wirkliche zum Traum.

Seitdem ist mir beständig,
Als wär es nur so recht,
Mein Bild der Welt lebendig,
Mein Traum nur wahr und echt;
Die Schatten, die ich sehe,
Sie sind wie Sterne klar.
O Mohn der Dichtung! wehe
Ums Haupt mir immerdar!

Ludwig Uhland
(1787-1862)
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Quelle: Offene Naturführer, Das Wiki zu Bestimmungsfragen: Der Mohn (Ludwig Uhland) (Zuletzt geändert:
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8 März 2021 19:46:32). Abgerufen am 6. März 2025, 10:40 von https://offene-naturfuehrer.de/web/Der_Mohn_(Ludwig_Uhland)