Die Gattung Chenopodium (Rolf Wißkirchen und Johannes Walter)

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Hinweis: Dieser Schlüssel ist mit den Autorennamen gekennzeichnet und die Mitarbeit ist auf Rolf Wißkirchen, Johannes Walter beschränkt. Auf der Diskussionsseite sind Kritik und Verbesserungsvorschläge willkommen!
Diese Arbeit ist eine Originalarbeit, die erstmalig hier publiziert ist.
Zitiervorschlag: Teil von: Wißkirchen, Rolf 2014. Chenopodiaceae – Bestimmungsschlüssel der in Deutschland wachsenden Gänsefußgewächse. http:/​/​offene-naturfuehrer.​de/​web/​Chenopodiaceae_​–_​Bestimmungsschlüssel_​der_​in_​Deutschland_​wachsenden_​Gänsefußgewächse_​(Rolf_​Wißkirchen)

Kurzcharakteristik der Gattung

Chenopodium L. (Gänsefuß) ist die namengebende Gattung der Chenopodiaceae (Gänsefußgewächse). Sie umfasst ca. 100 einjährige und ausdauernde (selten auch holzige) Arten und ist weltweit verbreitet. Ein bezeichnendes Merkmal, das Chenopodium allerdings mit Atriplex teilt, sind die kleinen kugeligen Blasenhaare, die den Pflanzen bei höherer Dichte, insbes. bei den jungen Blätter an der Sprossspitze ein „bemehltes“ graues bis weißliches (rosafarbenes) Aussehen verleihen. Die Blätter stehen mit Ausnahme der untersten Blattpaare wechselständig (nur bei Ch. polyspermum bis ca. zur Stängelmitte gegenständig) und sind sehr vielgestaltig bis hin zu gelappten (aber nie gefiederten) Ausprägungen. Die kleinen 1–2 mm großen Blüten sind in der Regel in Knäueln gruppiert, die einzeln in Blattachseln, meist aber in Form von achsel- bis endständigen (verzweigten) Scheinähren locker bis dicht gereiht sind und in ihrer Gesamtheit eine ± umfangreiche Scheinrispe bilden. Die radiären, leicht fünfeckigen Blüten sind meist abgeflacht-breitkelchig in der Form und besitzen 5 krautige Blütenblätter (Tepalen). Diese sind oft nur am Grund miteinander verwachsen. Genau vor den Tepalen stehen – entgegen der Alternanzregel – 5 Staubgefäße. Im Zentrum der Blüte schließlich befindet sich der oberständige, meist 2-zählige, einfächrige Fruchtknoten mit nur einer basalen Samenanlage, aus der sich eine Nussfrucht (oder Achäne) entwickelt. Die Fruchtschale ist dünn, trockenhäutig und liegt dem Samen locker bis sehr fest an. Die meist schwarzen, selten bräunlichen Samen sind in Aufsicht rund bis eiförmig oder oval, im Querschnitt ± dick linsenförmig, am Rand gleichmäßig bis etwas kantig gerundet, mitunter dort auch deutlich gekielt. Die Samenoberfläche ist entweder glatt oder mit Rillen- Waben-, Grubenmustern und sonstigen Feinstrukturen versehen (teilweise wichtige diagnostische Merkmale). Bei einigen Arten ist der Großteil der Blüten noch kleiner und organreduziert. Diese stehen in den Blütenknäueln aufrecht (hochkelchig) und umfassen nur 3 Blütenblätter, 0–1 Staubgefäß und einen Fruchtknoten. Auch die Samen sind aufrecht (teilweise auch schief) orientiert. Die Bestäubung erfolgt durch den Wind oder – was unterschätzt wird – durch Selbstbstäubung (vgl. Wißkirchen 2004). Das ist vorteilhaft, weil die meisten Gänsefußarten, zumindest bei uns, von Natur aus Pionierpflanzen sind, die auf offenen Mineralboden an Flussufern, Meeresküsten, Brand-, Tierlagern, Rutschungen und Erosionsflächen in den nur jeweils kurzzeitig zur Verfügung stehenden Nichen schnell Populationen aufbauen. In der Kulturlandschaft sind sie heute flächenhaft zu Kulturfolgern und „Unkräutern“ geworden. Nur eine Art, Chenopodium quinoa (Reismelde), wird derzeit als wichtige Körnerfrucht angebaut, doch hatten früher mehrere Arten als Spinatpflanzen eine gewisse Bedeutung. Während sich manche Arten, insbes. die des Chenopodium-album-Aggregats immer noch weiter ausbreiten und einige weitere infolge Eutrophierung neue Standorte erobern konnten (Ch. rubrum, glaucum, ficifolium), sind andere, die im 19. Jahrhundert noch in fast jedem Dorf zu finden waren, stark zurückgegangen und stehen heute in den Roten Listen der gefährdeten Pflanzen (Ch. urbicum, murale, vulvaria). Wieder andere kommen seit jeher in unserem Klima nur unbeständig vor (Ch. pratericola, berlandieri, hircinum, giganteum). – Im Gebiet 20 Arten, 2 zusätzliche Unterarten und 1 zusätzliche Varietät (23 Taxa)



Literatur

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Walter, J. 2008: Chenopodiaceae. In: Fischer, M. A., Oswald, K. & Adler, W. (Hrsg.): Exkursionsflora für Österreich, Lichtenstein und Südtirol. 3. Auflage. Oberösterreichisches Landesmuseum, Linz, S. 345-362.
Wißkirchen, R. 2004: Fortpflanzungssysteme einjähriger Pflanzen und deren Beziehung zu Vegetationstyp, Lebensform und Blütengröße. In: Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. 72, S. 325-363.


Schlüssel

Der nachfolgende Schlüssel wurde komplett neu erarbeitet auf der Basis umfangreicher Merkmalstabellen, die aus der Analyse von Herbar- und lebenden Pflanzen gewonnen wurden. Zugleich wurde versucht, den Bestimmungsgang durch leichter zugängliche Merkmale zu vereinfachen und die Schlüsselmerkmale sprachlich anschaulicher auszuformulieren. Die Merkmalspaare sind bewusst ausführlicher abgehandelt als in den meisten Schlüssel, um Zweifel und Unsicherheit im Fortgang des Schlüssels gar nicht erst entstehen zu lassen. Die zahlreichen Bilder (weiter unten bzw. auf den im Schlüssel gefundenen Sippennamen klicken!) sollen helfen, die insbesondere dem Anfänger schwierig erscheinenden Fachbegriffe und Formulierungen leichter zu verstehen. Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge nehmen die Verfasser gerne entgegen. Nachfolgend noch ein paar praktische Hinweise:

  1. Mit „Blätter“ sind stets die unteren und mittleren, d.h. die typischen großen Laubblätter gemeint. Die oberen Blätter sind dagegen deutlich vereinfacht und von geringem Wert. Mit „Blatt“ oder „Blätter“ sind stets nur die Blattspreiten gemeint.
  2. Im Schlüssel wird nach Samenmerkmalen gefragt. Um die Merkmale der Samenschale prüfen zu können, muss die dünne Fruchtschale (Perikarp) abgerieben werden. Wo dies schwer geht, kann man Früchte mit etwas heißem Wasser übergießen. Nach kurzem Ziehenlassen lässt sich das Perikarp dann meist leicht abreiben. Es sollten nur voll ausgereifte pralle Samen (meist schwarz) berücksichtigt werden. Relevant ist insbes. die Unterseite der Samen.
  3. Aufgrund hoher genetischer Variabilität und standortsabhängiger Plastizität sind bei den Pflanzen, die man vor sich hat, mitunter einzelne Merkmale nicht immer 100 %ig verwirklicht. Das betrifft Größe, Wuchsform, Färbung, Blattmerkmale, Infloreszenzmerkmale, viel weniger aber Blüten und Samenmerkmale. Zu den konkreten Größenangaben (Wuchshöhe, Blattlänge etc.) im Schlüssel ist anzumerken, dass es immer einzelne Pflanzen gibt, die darunter oder darüber liegen können. Von daher empfiehlt es sich, immer das gesamte Merkmalsprofil zu betrachten. Der Ausfall oder die Andersartigkeit eines einzelnen Merkmals ist noch kein Indiz, dass es sich nicht um die gefundene Art handelt. Am größten sind die Schwierigkeiten im Chenopodium-album-Aggregat (Ch. album, suecicum, strictum, striatiforme, probstii, giganteum). Hier wird sich nicht jede Pflanze bestimmen lassen, zumal mit Bastardierung zu rechnen ist.
  4. Zusätzliche Hilfestellungen: a) Die „mehr...“-Funktion versucht, bestimmungswichtige Merkmale zu visualisieren und so die Entscheidung für eine der beiden Möglichkeiten zu erleichtern. b) Bei den Arten finden sich Hinweise, mit welchen anderen Arten diese verwechselt werden können. c) das Bildmaterial (Photos lebender Pflanzen und Scans von Herbarbelegen) zeigt nicht nur typische Exemplare, sondern gibt auch einen kleinen Einblick in die Variabilität der jeweiligen Sippe, mit der zu rechnen ist (insbes. in Herbarien, wo bei trivialen Arten oft nur stärker abweichende Pflanzen gesammelt werden).
  5. Ein Tipp: Die bei weitem häufigste Chenopodium-Sippe im Gebiet ist der Weiße Gänsefuß (Chenopodium album) in der typischen Unterart (ssp. album). Alle anderen sind viel seltener. Dieser Gänsefuß ist zwar optisch markant, aber diagnostisch schwer fassbar und zudem hochvariabel. Deswegen kann die Art hier erst am Ende des Bestimmungsgangs verschlüsselt werden. Es empfiehlt sich daher (insbesondere für Anfänger) das Bildmaterial zu dieser Art zu prüfen, um so möglicherweise viel schneller zu einem Ergebnis zu kommen.
  6. Die nachfolgende Übersicht von ± typischen Chenopodium-Blättern mag als erste (orientierende) Bestimmungshilfe dienen.


Chenopodium (Gänsefuß; Chenopodiaceae)
Geographischer Geltungsbereich: Deutschland — Mitarbeit begrenzt auf: Rolf Wißkirchen
1
Blätter am Grund ± herzförmig (oder gerade), oberseits glänzend, im Umriss breit-eiförmig, ± fünfeckig, auf jeder Seite mit meist 1–3 sehr großen, weitbuchtig getrennten Zähnen, vorne lang zugespitzt (Blätter ähnlich denen des Stechapfels – Datura stramonium, Solanaceae), Samen groß (1,5–2 mm Ø), mit sehr deutlichem Grubenmuster, Blütenstände hauptsächlich endständig, meist stark aufgelockert, oft doldenrispig 
 Stechapfelblättriger Gänsefuß  –  Chenopodium hybridum
1*
Blätter am Grund nicht herzförmig, im Umriss nicht stechapfelförmig, Samen kleiner, Pflanze auch sonst anders   ► 2
2
Blätter sehr schmal, linealisch-lanzettlich (mit höchstens einem kleinen Zahn) oder linealisch ganzrandig, am Ende plötzlich in eine feine kurze Spitze zusammengezogen, klein, meist nur 1–3 cm lang, kurz (0,4–1 cm) gestielt, Blattspreite max. dreinervig (ein durchgehender stärkerer Hauptnerv und ein grundständiges Paar schwächerer Seitennerven, die bis gut zur Blattmitte randparallel verlaufen), ganze Pflanze stark bemehlt, graugrün 
 Schmalblättriger Gänsefuß  –  Chenopodium pratericola
2*
Blätter nicht oder nur selten linealisch (schmalblättrige Ch. album- oder Ch. strictum-Pflanzen haben mehrere Seitennerven-Paaren und allmählich zugespitzte Blättern), meist deutlich größer, auch sonst Pflanze anders   ► 3
3
Blätter ganzrandig, nicht oder nur sehr spärlich gezähnt, nie gelappt   ► 4
3*
Blätter stets gezähnt, teilweise auch gelappt   ► 6
4
Pflanze graugrün, stark bemehlt, nach verfaultem Fisch stinkend, niederliegend bis etwas aufsteigend, Blätter (eiförmig) rhombisch, klein (1–2 cm lang), Blütenhülle bei der Fruchtreife geschlossen, Samen nicht sichtbar 
 Stinkender Gänsefuß  –  Chenopodium vulvaria
4*
Pflanze hell- oder dunkelgrün, kahl oder etwas bemehlt, ± geruchlos, niederliegend, aufsteigend oder aufrecht   ► 5
5
Blütenhülle bei der Reife sich weit öffnend, Nussfrüchte gut sichtbar, Blütenblätter kahl, Stängel vierkantig, Seitensprosse bis über die Mitte gegenständig, Blätter eilanzettlich, elliptisch oder fast rund, gelegentlich ein kleiner stumpfer Zahn am Blattgrund, Blüten in kurzen, oft stark aufgelockerten Scheinähren, hauptsächlich blattachselständig 
 Vielsamiger Gänsefuß  –  Chenopodium polyspermum
5*
Blütenhülle bei der Reife weitgehend geschlossen bleibend, Nussfrüchte nicht sichtbar, Blütenblätter bemehlt, Stängel nicht vierkantig, Seitensprosse wechselständig, Blätter länglich elliptisch bis rhombisch-lanzettlich, nicht gezähnt oder nur mit wenigen beidseitigen spitzen Zähnen, Blüten in längeren, stark aufgelockerten Scheinähren, hauptsächlich im oberen Teil der Pflanze, oft mit deutlich gestielten Einzelblüten. 
 Stielblütiger Weißer Gänsefuß  –  Chenopodium album ssp. pedunculare
Hinweis: Ch. strictum hat mitunter auch länglich-ganzrandige Blätter, weicht aber durch die intensive Rotstreifung der Stängel, durch bodennahe, waagerecht abstehende Seitensprosse und durch verlängerte Blütenstände mit dicht-perlschnurartig gereihten Knäueln deutlich ab (vgl. 22)
6
Blüten (Samen) in den Knäueln größtenteils aufrecht (mitunter schief), höher als breit, mit nur drei Blütenblättern, klein, daneben wenige größere endständige, waagerecht orientierte Blüten mit 4–5 Blütenblättern, Blüten stets kahl   ► 7
6*
Alle Blüten (Samen) in den Knäueln waagerecht orientiert, breiter als hoch, mit 5 Blütenblättern, Blüten meist behaart   ► 9
7
Blätter oberseits (dunkel) blaugrün, kahl und hellen Nerven, unterseits deutlich heller, dicht weißgrau bemehlt, in der Form meist länglich, Rand buchtig oder kurz gezähnt, Blütenstände blattachselständig, ohne deutliche Endähre, Samen schwarz 
 Blaugrüner Gänsefuß  –  Chenopodium glaucum
7*
Blätter hell- oder dunkelgrün, kahl (höchstens junge Blätter schwach bemehlt), breit rhombisch-dreieckig, spitz, am Grund kurz keilförmig bis gestutzt, kurz bis lang gezähnt, Blütenstände vorwiegend endständig, Samen dunkel-rotbraun   ► 8
8
Blütenblätter der kleinen seitlichen 3-zähligen Blüten nicht oder höchstens bis zur Hälfte verwachsen, am Rücken nicht gekielt, die der waagerechten (4–5-zähligen) Endblüten nicht verwachsen, Blätter meist lang (lappig) gezähnt, insbes. im unteren Teil, bei spät im Jahr gekeimten kleinen Pflanzen aber fast ganzrandig, Blütenstand bis fast zur Spitze durchblättert 
 Roter Gänsefuß  –  Chenopodium rubrum
8*
Blütenblätter der seitlichen Blüten sackartig miteinander verwachsen und auf dem Rücken gekielt, die der waagerechten Endblüten halb verwachsen, Blätter dicklich, kurz gezähnt, bei den spät im Jahr gekeimten kleinen Pflanzen aber fast ganzrandig, Blütenstand im oberen Teil blattfrei 
 Salz-Gänsefuß, Dickblättriger Gänsefuß  –  Chenopodium chenopodioides
9
Blätter im Umriss rhombisch-dreieckig bis länglich rhombisch, deutlich länger als breit, nicht gelappt aber der Rand mit vielen großen, teils gebogenen Zähnen tief und scharf ausgebissen, oft im Wechsel mit viel kleineren Zähnen, oder die größten Zähne nochmals gezähnt, Blattbasis deutlich keilförmig (Blätter ähnlich denen von Ch. rubrum, mitunter auch denen von Ch. murale), Scheinähren vor allem blattachselständig, aber auch endständig, dem Stängel nahe anliegend aber doch leicht abgewinkelt, Blüten kahl 
 Keilblättriger Straßen-Gänsefuß, Schrotsägeblättriger Gänsefuß  –  Chenopodium urbicum var. intermedium
9*
Blätter anders   ► 10
10
Blatter deutlich dreieckig, etwa so lang wie breit, am Grund gerade gestutzt bis kurz keilförmig in den Blattstiel verjüngt   ► 11
10*
Blätter nicht deutlich dreieckig (rhombisch, lanzettlich, eiförmig, dreilappig u.a.)   ► 12
11
Pflanze bis etwa 1,5 m hoch, Blätter gleichseitig dreieckig, mittelgroß bis groß (3–10 cm lang), im jungen Zustand nur leicht bemehlt, schnell verkahlend, glänzend, am Rand regelmäßig kurz spitz gezähnt, an der Basis gerade abgeschnitten oder kurz-keilig (vegetativ sehr ähnlich ist Atriplex prostrata: Blätter gegenständig und die meisten Blüten ohne Hülle zwischen zwei Vorblättern), Gesamtblütenstand steif aufrecht, die Äste nahezu blattlos, bes. zur Fruchtzeit gebündelt, dem Stängel eng anliegend, Blüten kahl 
 Gewöhnlicher Straßen-Gänsefuß  –  Chenopodium urbicum var. urbicum
11*
Pflanze 2–3 m hoch, Blätter groß bis sehr groß (7–20 cm lang), im jungen Zustand dicht und meist intensiv rosaviolett oder weiß bemehlt, matt, am Rand dicht fein gezähnt, dabei im unteren Teil die Zähne größer und ihrerseits gezähnt, Blätter teilweise leicht dreilappig, Blütenstand bald überhängend, sehr spät blühend (in Mitteleuropa wohl nur vegetativ), Blüten bemehlt 
 Riesen-Gänsefuß  –  Chenopodium giganteum
12
Samen am Rand scharf gekielt, matt, die dünne Fruchtschale stark haftend (bei Ch. urbicum Samen glänzend, Fruchtschale leicht abreibbar), Blätter glänzend, eiförmig-rhombisch, am Rand dicht scharf vorwärts gezähnt, oft ± brennnesselähnlich, Blütenstände kurz, locker abstehend verzweigt, hauptsächlich endständig (bei Ch. urbicum lang, seiten- und endständig sowie ± gebündelt dem Hauptspross anliegend), Blasenhaare früh (spinnwebig) zerfallend 
 Mauer-Gänsefuß, Nesselblättriger Gänsefuß  –  Chenopodium murale
12*
Samen am Rand nicht oder nur undeutlich gekielt, auch sonst Pflanze anders   ► 13
13
Blätter ausgeprägt dreilappig, länglich, 2–4 mal so lang wie breit, der Mittellappen fast parallelrandig   ► 14
13*
Blätter nicht oder kurz dreilappig (wenn dann meist nur 1–1,5 mal so lang wie breit)   ► 15
14
Seitenlappen nahe dem Blattgrund sitzend, diese rel. kurz und deutlich schmaler als der Mittellappen, teilweise nur als Zahn ausgebildet (selten ± fehlend), Mittellappen länglich parallelrandig, 2–3 mal so lang wie die Seitenlappen, Pflanze geruchlos 
 Feigenblättriger Gänsefuß  –  Chenopodium ficifolium
14*
Seitenlappen der Blätter durch die langkeilige Basis bis zur Mitte der Spreite hochgezogen, etwa so breit wie der Mittellappen, oft in zwei Lappen oder Zähne zerteilt, Mittellappen etwa so lang wie die Seitenlappen, Pflanze nach verfaultem Fisch stinkend 
 Bocks-Gänsefuß  –  Chenopodium hircinum
15
Samen weißlich, groß (1,5–2 mm Ø), mühlsteinartig, d.h. oben und unten flach gewölbt und die Seitenränder gerade, der Blütenstand eine endständige, große dichte Scheinrispe, Blätter eiförmig-rhombisch bis dreieckig-rhombisch, unregelmäßig tief (lappig) gezähnt, am Blattgrund teilweise mit ± deutlichen Seitenlappen 
 Reismelde  –  Chenopodium quinoa
15*
Samen schwarz, kleiner, die Seitenränder gerundet   ► 16
16
Samenschale mit deutlichem Bienenwabenmuster, Blätter rundlich-rhombisch bis eiförmig oder elliptisch, oben oft breit abgerundet bis kurz spitz, am Grund abgerundet, der Rand wenig und nur kurz gezähnt, undeutlich dreilappig, die kurzen aber breiten Seitenlappen mit einem Absatz in den Mittellappen übergehend, der sich nach vorne kontinuierlich verschmälert, Stängel oft gelblich 
 Amerikanischer Gänsefuß  –  Chenopodium berlandieri
16*
Samenschale ohne deutliches Bienenwabenmuster, auch sonst Merkmale anders   ► 17
17
Blätter regelmäßig mit kurzen aber deutlichen Seitenlappen, etwa so lang wie breit   ► 18
17*
Blätter nicht oder nur einzelne ± gelappt, meist deutlich länger als breit   ► 20
18
Blätter klein (1,5–3 cm lang), wenig gezähnt, Blattunterseite heller als Oberseite, Blätter etwa so lang wie breit, im Umriß breit eiförmig, meist dreilappig, mit kurzen aber breiten (teilweise auch zweizähnigen) Seitenlappen, der große Mittellappen parallelrandig, an der Spitze breit und meist halbkreisartig gerundet, seltener in Form einer kurzen Spitze, dazu randlich meist beidseitig ein kleiner Zahn, Sprosse grün bleibend, höchstens in den Blattachseln mit einem roten Fleck, bis ca. 1 m hoch 
 Schneeballblättriger Gänsefuß  –  Chenopodium opulifolium
18*
Blätter größer (4–10 cm lang), stärker gezähnt, Blattunterseite kaum heller als Oberseite   ► 19
19
Blätter 4–6 cm lang, nicht dicklich, nicht oder nur selten rotrandig, das ganze Blatt scharf und tief gezähnt, vorne gerundet oder nur kurz spitz, der Mittellappen (ähnlich wie bei Ch. opulifolium) etwas parallelrandig 
 Dreilappiger Weißer Gänsefuß  –  Chenopodium album ssp. borbasii
19*
Blätter 4–10 cm lang, dicklich, sich früh über gelb und orange nach rot verfärbend, im Umriß rhombisch-dreieckig bis eiförmig-rhombisch, mit gezähnten, oft mehrfach bis doppelt gezähnten Seitenlappen und einem gleichmäßig verjüngtem, durchgehend tief, mitunter doppelt gezähntem Mittellappen, Sprosse sich oft früh rotviolett verfärbend, bis über 2 m hoch 
 Probst-Gänsefuß  –  Chenopodium probstii
20
Stängel dünnwandig, im oberen Teil meist leicht zusammendrückbar, Blätter dünn, zart, etwas transparent, reingrün bis grau(blau)grün, früh welkend, an der Basis oft lappig verbreitert bis schwach dreilappig, die scharfen Blattzähne meist nach vorne gebogen, Stängel nicht rotstreifig, höchstens die Blattachseln gerötet, Blütenstand locker, wenigblütig, am Ende des Blütenstands oft gabelästig, teilweise mit deutlich gestielten Einzelblüten (ähnlich Ch. album ssp. pedunculare), nicht selten auch die Abzweigstellen der Scheinähren aus den Blattachseln nach oben auf die Achse gerückt (Konkauleszenz), Samen am Rand abgerundet, auf den Flächen deutlich radiär gerillt und mit einem narbig-grubigen Netzmuster 
 Schwedischer Gänsefuß, Grüner Gänsefuß  –  Chenopodium suecicum
20*
Stängel dickwandig, fest, Blätter rel. dick, fest, bleibend, grün bleibend oder am Rand (später teilweise auch ganz) rot, Stängel sich im Spätsommer oft gelb- bis rotstreifig, Blütenstand dicht, vielblütig, Scheinähren aus den den Achseln der Blätter abzweigend, Samen am Rand gleichmäßig abgerundet bis etwas kantig, auf den Flächen glatt oder nur undeutlich gerillt und mit undeutlichem Netzmuster   ► 21
21
Stängel grün- oder rotstreifig, Samen kreisrund bis schwach eirund, 1,2–1,5 mm im Ø bzw. lang, etwas glänzend, Oberfläche schwach gemustert, Blätter meist 1,5 mal so lang wie breit, oft groß (4–12 cm lang), am Rand nicht oder nur selten rot berandet und zur Fruchtzeit flach, die Knäuel der Blütenstände, meist unregelmäßig klumpig gehäuft oder unregelmäßig aufgelockert, Blütenhülle bei der Reife geschlossen bleibend oder sich nur wenig öffnend, Pflanze am Grund meist mit nach oben abgewinkelten Ästen 
  ▼▼ a  –   Weißer Gänsefuß  –  Chenopodium album
Pflanze überall sehr häufig
a
Blätter kaum länger als breit, dreilappig oder zumindest am Grunde abgesetzt lappig-gezähnt, bis zur Spitze mit großen Zähnen, Blattspitze oft stumpflich, Knäuel regelmäßig dicht gereiht 
  subsp. borbasii
a*
Blätter deutlich länger als breit, nicht oder nur andeutungsweise dreilappig, Blätter vorne spitz, Knäuel meist etwas klumpig, unregelmäßig gehäuft oder aufgelöst und Einzelblüten sichtbar   ► b
b
Blätter (breit) dreieckig-rhombisch bis eilanzettlich, meist deutlich und dicht gezähnt mit unten meist 2 größeren Zähnen, Blütenknäuel vielblütig, an den Scheinähren in geringen Abständen, oft klumpig gehäuft, Blütenstand rel. kompakt mit angewinkelten Scheinähren, seltener aufgelockert, ganze Pflanze meist stärker bemehlt, ab Juni-Juli blühend 
  subsp. album
b*
Blätter länglich elliptisch bis lanzettlich, nicht gezähnt oder mit wenigen spitzen Zähnen besetzt, Blütenknäuel wenigblütig, in kleinen Gruppen oder in Form von gestielten Einzelblüten mit deutlichen Abständen zueinander, Blütenstand stark aufgelockert, die Äste oft gabelspaltig, Pflanze wenig bemehlt, schon ab Mai-Juni blühend 
  subsp. pedunculare
21*
Stängel intensiv rotstreifig, zuletzt oft ganze Pflanze violett-rötlich verfärbt, Samen ± eiförmig, etwas länger als breit, 0,9–1,3 mm lang, hochglänzend, Oberfläche nicht oder sehr flach gemustert, Blätter rel. schmal, ungeteilt, meist (1,5) 2–3 mal so lang wie breit, klein bis mittelgroß (2–6 cm lang), am Rand früh rötlich und zur Fruchtzeit oft etwas gewellt, die Knäuel der Blütenstände meist gleichmäßig fein-perlschnurartig gereiht, Blütenhülle sich bei der Reife weit öffnend, Pflanze am Grunde mit zunächst ± gerade abstehenden oder liegenden Seitenästen, Pflanze meist selten   ► 22
22
Blätter 3–6 cm lang, länglich elliptisch, eilänglich oder (breit) eilanzettlich, Blattränder fast parallel, sich zur Spitze hin nur etwas annähernd, die Spitze selbst breit abgerundet bis kurz spitz, Das Blatt gleichmäßig fein gezähnt bis fast ganzrandig, Pflanze meist relativ groß, 20–150 cm hoch, Stängel frühzeitig rotviolettstreifig, Blütenhülle wenig blasenhaarig, Blütenknäuel daher zur Blütezeit gelblichgrün, später (dunkel) olivgrün, Pflanze 20–150 cm hoch, am Grund mit zunächst waagerecht abstehenden, oft bodenanliegenden, am Ende aufsteigenden Ästen 
 Gestreifter Gänsefuß, Bodenästiger Gänsefuß  –  Chenopodium strictum
22*
Blätter 1–4 cm lang, länglich rhombisch-dreieckig bis eilanzettlich, nach oben gleichmäßig verjüngt, spitz oder etwas stumpflich auslaufend, oft wenig, buchtig gezähnt, die der Seitenäste viel kleiner, schmal eiförmig bis eilanzettlich, wenig und sehr fein gezähnt bis ganzrandig, Stängel früh gelblich, später rötlich verfärbend, Blütenhülle dicht blasenhaarig, Blütenknäuel daher graugrün, Pflanze zierlich, meist nur 10–40 cm hoch, mit langen, im Ganzen bogig aufsteigenden Seitenäste, locker buschig wirkend 
 Kleinblättriger Gänsefuß  –  Chenopodium striatiforme


Chenopodium album L.

Synonyme:

  • Chenopodium leiospermum DC.
  • Chenopodium lobodontum H. Scholz

Weißer Gänsefuß


Chenopodium album ssp. album

Synonyme:

  • Chenopodium album var. lanceolatum (Murr) Aellen

Gewöhnlicher Weißer Gänsefuß


Chenopodium album ssp. borbasii (Murr) Soó

Synonyme:

  • Chenopodium borbasii Murr

Dreilappiger Weißer Gänsefuß

Chenopodium album ssp. pedunculare (Bertol.) Arcang.

Synonyme:

  • Chenopodium pedunculare Bertol.

Stielblütiger Weißer Gänsefuß


Chenopodium berlandieri Moq.

Synonyme:

  • Chenopodium zschackei Murr

Amerikanischer Gänsefuß


Chenopodium chenopodioides L.

Synonyme:

  • Oxybasis chenopodioides (L.) S.Fuentes, Uotila & Borsch
  • Chenopodium botryodes Sm.
  • Chenopodium crassifolium Hornem.

Dickblättriger Gänsefuß, Salz-Gänsefuß

Chenopodium ficifolium Sm.

Synonyme:

  • Chenopodium serotinum auct. non L. 1753

Feigenblättriger Gänsefuß


Chenopodium giganteum D. Don

Riesen-Gänsefuß

Chenopodium glaucum L.

Synonyme:

  • Oxybasis glauca (L.) S.Fuentes, Uotila & Borsch
  • Chenopodium wolfii Simonk.

Blaugrüner Gänsefuß


Chenopodium hircinum Schrad.

Bocks-Gänsefuß


Chenopodium hybridum L.

Synonyme:

  • Chenopodiastrum hybridum (L.) S.Fuentes, Uotila & Borsch

Stechapfelblättriger Gänsefuß, Bastard-Gänsefuß


Chenopodium murale L.

Synonyme:

  • Chenopodiastrum murale (L.) S.Fuentes, Uotila & Borsch

Mauer-Gänsefuß, Nesselblättriger Gänsefuß


Chenopodium opulifolium W.D.J. Koch & Ziz

Schnellballblättriger Gänsefuß


Chenopodium polyspermum L.

Synonyme:

  • Lipandra polysperma (L.) S.Fuentes, Uotila & Borsch
  • Chenopodium polyspermum var. acutifolium (Sm.) Gaudin
  • Chenopodium polyspermum ssp. cymosum (Chev.) Arcang.

Vielsamiger Gänsefuß


Chenopodium pratericola Rydb.

Synonyme:

  • Chenopodium leptophyllum auct.
  • Chenopodium desiccatum auct.

Schmalblättriger Gänsefuß


Chenopodium probstii Aellen

Probst-Gänsefuß


Chenopodium quinoa Willd.

Reismelde


Chenopodium rubrum L.

Synonyme:

  • Oxybasis rubra (L.) S.Fuentes, Uotila & Borsch
  • Blitum rubrum (L.) C.A. Mey.
  • Blitum polymorphum C,A. Mey. p.p.

Roter Gänsefuß


Chenopodium striatiforme Murr

Synonyme:

  • Chenopodium strictum ssp. striatiforme (Murr) Uotila
  • Chenopodium album var. microphyllum Boenn.
  • Chenopodium concatenatum auct. non Thuill.

Kleinblättriger Gänsefuß


Chenopodium strictum Roth

Synonyme:

  • Chenopodium striatum (Krasan) Murr

Gestreifter Gänsefuß, Bodenästiger Gänsefuß


Chenopodium suecicum Murr

Synonyme:

  • Chenopodium viride auct. non L.

Schwedischer Gänsefuß, Grüner Gänsefuß


Chenopodium urbicum L.

Synonyme:

  • Oxybasis urbica (L.) S.Fuentes, Uotila & Borsch

Stadt-Gänsefuß, Steifblütiger Gänsefuß


Chenopodium urbicum var. intermedium (Mert. & W.D.J. Koch) W.D.J. Koch

Synonyme:

  • Chenopodium intermedium Mert. & W.D.J. Koch
  • Chenopodium rubrum var. intermedium (Mert. et Koch) Jauzein
  • Oxybasis rubra var. intermedia (Mert. et Koch) Bock et Tison

Keilblättriger Stadt-Gänsefuß, Schrotsägeblättriger Gänsefuß


Chenopodium urbicum var. urbicum

Synonyme:

  • Oxybasis urbica var. urbica

Gewöhnlicher Stadt-Gänsefuß


Chenopodium vulvaria L.

Stinkender Gänsefuß


Anmerkungen zum Chenopodium album-Aggregat (Johannes Walter)

Nach dem Aggregat-Konzept von Ehrendorfer (1973) gehören zum Ch. album agg. neben Ch. album s.str. noch Ch. opulifolium, Ch. strictum und Ch. suecicum. Im Vergleich dazu sind hier jetzt drei weitere Kleinarten hinzugekommen. Innerhalb des Aggregats können in struktueller Hinsicht (gemäß den Chromosomenverhältnissen) drei Gruppen unterschieden werden, eine diploide (2 n), eine tetraploide (4 n) und eine hexaploide (6 n) Artengruppe.

Die diploide Gruppe umfasst (bislang) nur Ch. suecicum, welches im gesamten Verbreitungsgebiet eine hohe Variabilität zeigt. Zur tetraploiden Ch. strictum-Gruppe zählen Ch. strictum, Ch. striatiforme und Ch. novopokrovskyanum, letztere eine näher mit Ch. strictum verwandte Sippe aus Südwest- und Zentralasien. Bereits hier zeigt sich eine mäßig hohe morphologische Variabilität (mit Ch. striatum, Ch. strictum subsp. glaucophyllum u. a. Morphotypen – hier alle innerhalb Ch. strictum). Die Ch. album-Gruppe schließlich umfasst alle hexaploiden, mit Ch. album näher verwandten Sippen. Von diesen besitzt Ch. album selbst die größte morphologische Variabilität. Es hat viele Versuche gegeben, diese in feste, taxonomisch greifbare Formen zu gießen, wobei insbesondere solche von Interesse sind, die genetisch fixierte Morphotypen, Ökotypen oder spezifisch geographisch verbreitete Sippen sind. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine umfassende Bearbeitung der Variabilität von Ch. album bislang noch nicht gelungen ist. So hat es Versuche gegeben, selbst kleinste Merkmalsausprägungen taxonomisch zu benennen, was zu einer schwer überschaubaren Liste von Mikrosippen geführt hat (so auch durch div. Publikationen von F. Dvořák). Zum anderen aber weisen viele Morphotypen des Ch. album durchaus stabile, umweltunabhängige und durch Kulturversuche überprüfbare Merkmalsausprägungen auf.

Je nach taxonomischen Konzept werden Kleinsippen innerhalb des Ch. album entweder ganz eingezogen (z. B. in der Flora of North America – dort nur im Anhang erwähnt), oder als akzeptierte infraspezifische Sippen oder Arten behandelt. In dem vorliegendem Konzept werden innerhalb voni Ch. album (zunächst) nur wenige, morphologisch sehr ausgeprägte Morphotypen unterschieden. Davon zeigt Ch. album subsp. borbasii über die morphologischen Merkmale hinaus auch ein klares geographisches Verbreitungsmuster. Die Sippe ist wärmeliebend und tritt in den wärmegetönten Gebieten Mitteleuropas und submediterran bis mediterran häufiger auf. Keine klaren Unterschiede in der Verbreitung ergeben sich bisher für die ssp. pedunculare und die Nominatsippe (ssp. album). Dass zwischen diesen auch intermediäre Formen wahrscheinlich hybridogenen Ursprungs auftreten, sollte nicht weiter verwundern und bedingt zugleich ihre Bewertung als Unterarten. Im Gegensatz dazu zeigt sich Ch. opulifolium als eine recht markante, gut identifizierbare Sippe mit verhältnismäßig geringer Variabilität. Mitunter können sich bei Herbarproben mit sehr wenig vegetativem Material Unterscheidungsschwierigkeiten zu Ch. album ssp. borbasii ergeben.

Eine weitere, bislang noch unbefriedigend erforschte Sippe ist Ch. probstii, das hier in einer Ausprägung mit großen, dreilappigen und reich (etwas buchtig) gezähnten Laubblättern gefasst wird. Die intensive Verfärbung der Laubblätter und z. T. der gesamten Pflanze ist dagegen kein ausreichendes diagnostisches Merkmal gegenüber Ch. album, bei der bestimmte Morphotypen auch stark verfärbt sein können. Ausschließlich obere Pflanzenteile sind mitunter nicht sicher Kleinarten zuzuordnen (vgl. die Hinweise zu Beginn des Schlüssels).

Dem Ch. probstii sehr ähnlich ist noch Ch. missouriense, eine neuweltliche Sippe (vor allem Nordamerika), das jedoch sehr spät blüht und in Mitteleuropa daher kaum reife Früchte ausbildet und daher bisher noch sehr selten ist. Diese Sippe wird im vorliegenden Schlüssel im Moment noch nicht behandelt, da uns noch Informationen fehlen.

Ch. giganteum (Spinatbaum) stammt aus Indien und ist vielfach in warme Regionen verschleppt worden. Im mediterranen Raum ist es bereits eingebürgert und tritt dort als Gartenflüchtling und Begleiter von Ruderalfluren insbesondere in Strandnähe auf. In Mitteleuropa ist die Sippe dagegen sehr selten und kommt praktisch nicht zur Blüte bzw. Fruchtreife, weswegen aktuelle Vorkommen wohl stets auf Neueinschleppungen beruhen. Die vielfach in Bestimmungsschlüsseln ausschließlich angegebene rötliche Blasenbehaarung (Bemehlung) ist insofern irreführend, da die Normalform der Art weißlich bemehlt ist. Es sei noch angemerkt, dass unter der Bezeichnung „Ch. giganteum“ undCh. amaranticolor“ vielfach Pflanzen in Samenkatalogen angeboten und infolge kultiviert werden, die nicht dem Ch. giganteum entsprechen. Sie sind vermutlich Hybriden zwischen Ch. album und Ch. giganteum, besitzen ebenfalls die rötliche Blasenbehaarung, die jedoch in der fortschreitenden Entwicklung der Pflanze rasch schwächer wird. Sie sind insgesamt etwas kleiner, besitzen kleinere, tiefer gezähnte Laubblätter und fruchten in Mitteleuropa meist problemlos.

Eine relativ neu beschriebene Sippe innerhalb der hexaploiden Chenopodium album-Gruppe ist Ch. lobodontum Scholz, das hier nicht als eigenständige Kleinart sondern nur als eine Varietät innerhalb des Ch. album bewertet wird.

Es darf hinzugefügt werden, dass auch innerhalb der Chenopodium album-Gruppe im Chenopodium album-Aggregat noch kein ganz klares Sippenbild existiert.


Merkmalstabelle zum Chenopodium album-Aggregat

Chenopodium suecicum strictum striatiforme album opulifolium probstii giganteum
ssp. album ssp. borbasii ssp. pedunculare
Chromosomenzahl 18 (2n) 36 (4n) 36 (4n) 54 (6n) 54 (6n) 54 (6n) 54 (6n) 54 (6n) 54 (6n)
Wuchsform aufrecht, lockerästig aufrecht, dichtästig; stark basiton verzweigt, untere Äste lang, weitbogig boden-anliegend-aufsteigend aufrecht, mäßig dichtästig, stark basiton verzweigt; untere Äste ausladend, oft boden-anliegend-aufsteigend aufrecht, dicht- bis lockerästig; untere Äste meist kurz- od. langbogig schräg aufsteigend aufrecht, dicht- bis lockerästig; untere Äste meist kurzbogig schräg aufrecht aufrecht, basiton verzweigt; untere Äste lg. ausladend, oft bodenanliegend, allmählich aufsteigend aufrecht; untere Äste kräftig, stärker abspreizend aufrecht, dichtästig; untere Äste schräg aufwärts bogig aufsteigend aufrecht, dichtästig; untere Äste schräg aufwärts bogig aufsteigend
Pflanzenhöhe (cm) 50–150 20–150 10–40 10–170 50–170 10–100 30–100 120–200 150–300
Pflanzen-Behaarung oft dicht bemehlt, dadurch hell graugün, an der Vegetationsspitze weißlich gering (außer Blattunterseite), Pfl. von dunkel- bis blaugrüner, slt. grasgrüner Tracht mäßig, dadurch Pfl. von grau- bis blaugrüner Tracht meist dicht bemehlt, dadurch Pfl. von graugrüner Tracht, an der Vegetationsspitze weißl. meist dicht bemehlt, dadurch Pfl. von graugrüner Tracht meist schwach (außer Blüttenhülle) daher Pfl. von dunkelgrüner Tracht dicht, dadurch hell graugrün, verbleibend mäßig dicht (bes. die Infloreszenz) dicht; mit weißen (violett-pinkfarbenen Blasenhaaren
Pflanzen-Rotverfärbung oft früh Laubblätter, bes. zur Blüte- u. Fruchtzeit, mitunter nur gelblich-hellgrün Blätter früh rotrandig, Stängel früh rotstreifig, später ganze Pflanze intensiv verfärbend meist rasch gelblich und rötlich verfärbend Stängel grün oder rotstreifig, Pflanze rein grün oder mitunter intensiv verfärbend keine od. höchstens schwache Verfärbung oft rein (dunkel)grün, mitunter verfärbt meist rein grün, höchstens rote Achselflecke, s.slt. leichte Verfärbung Am Blattrand oft früh beginnend, bald flächig, fleckig, von gelb über orange nach rot rein grün oder (bei Zierformen) bald ganze Pflanze durch rote Blasenhaare gefärbt
Blatt-Länge (cm) 3–7 3–6 1,5–4 3–8 4–6 2,5–7 2–4 5–9 7–20
Blatt-Form breit eiförmig-rhombisch, mit undeutlichen Seitenlappen länglich ei-elliptisch bis eilanzettlich länglich elliptisch bis eilanzettlich schmal bis breit eiförmig-rhombisch bis eilanzettl., mitunter leicht gelappt oder beidseitig mit kurzem Zahn br dreilappig breit oder schmal elliptisch bis eilanzettlich br dreilappig, Mittellappen kurz, mit gerundeter oder stumpf-winkeliger Spitze, die Seitenlappen kurz u. breit, mitunter etw. geteilt br dreilappig (breit eiförmig) dreieckig, höchstens undeutlich gelappt
Blatt-Rand meist dicht und scharf gezähnt; die Zähne oft zur Blattspitze hin gebogen fein, dicht, rel. regelmäßig gezähnt, slt. schwach gezähnt meist scharf und tief gezähnt, mitunter nur wenig gezähnt meist dicht, unregelmäßig gezähnt, mitunter undeutlich 3-lappig, auch fast ganzrandig Seitenlappen einfach bis doppelt gezähnt, Mittellappen tief bis zur Spitze gezähnt fast ganzrandig, meist nur mit wenigen, Zähnen (mittlere Laubblätter oft bereits ganzrandig) deutlich gezähnt doppelt, tief, mäßig scharf bis buchtig gezähnt rel. gleichmäßig, dicht, doppelt, tief u. scharf gezähnt
Knäuel meist unregelmäßig klumpig gehäuft, oft deutlich aufgelockert mit mit 0,3–2 mm lg. gestielten Einzelblüten zierlich, dicht, perlschnurartig aneinandergereiht, slt. unregelmäßig gehäuft oder achselständig zierlich, dicht, mäßig regelmäßig aneinandergereiht od. schwach klumpig gehäuft meist dicht und unregelmäßig klumpig gehäuft, seltener regelmäßig dicht gereiht oder aufgelockert, (Einzelbl. kaum gestielt) dicht, regelmäßig (perlschnurartig) aneinandergereiht stark unregelmäßig aufgelockert, oft mit (0,3) 1–3 mm lg. gestielten Einzelblüten, Knäueläste oft achselständig meist grob, unregelmäßig klumpig gehäuft, mitunter aufgelockert mit kurz gestielten Endblüten dicht, regelmäßig (perlschnurartig) aneinandergereiht dicht, regelmäßig perlschnurartig aneinandergereiht
Infloreszenz zuoberst oft gabelspaltig, Knäueläste oft entfernt Knäueläste endständig, slt. aufgelockert achselständig Knäueläste endständig, slt. achselständig Knäueläste endständig, oder schwach achselständig, mitunter schwach gabelspaltig Knäueläste endständig stark gabelästig, Knäueläste oft achselständig endständig bis schwach achselständig Knäueläste endständig Knäueläste endständig, zuletzt deutlich überhängend
Blütezeit V–II(VIII) VIII–IX (X) (VII) VIII–IX (X) VI–VII (VIII) VII–VIII (X) V–VII (VIII) (V) VI–VII VII–IX (X) [IX1–XII]
Samen-Form (Ø) ± kreisrund eiförmig (slt. fast kreis rund) (breit) eiförmig kreisrund (breit eiförmig) breit eiförmig ± kreisrund ± kreisrund breit eiförmig ± kreisrund
Samen-Länge (mm) 1,2–1,6 1,0–1,3 1,0–1,2 1,2–1,5 1,2–1,3 1,3–1,5 1,2–1,4 1,1–1,3 1,0–1,3
Samen-Breite (mm) 1,2–1,6 (1,8) (0,8) 0,9–1,15 (1,2) 1,0–1,15 (1,2) 1,2–1,4 (1,5) (1,0) 1,15–1,2 (1,3) 1,2–1,4 (1,5) (1,0) 1,2–1,4 1,0–1,2 (1,3) (0,95) 1,0–1,3 (1,4)
Samen L / B 0,9–1,1 1,1–1,25 1,1–1,2 1,0–1,2 1,1–1,2 1,0–1,1 1,0–1,1 1,1–1,2 1,0–1,1
Samenoberfläche (US) stark radiär gerillt und narbig-furchig sehr glatt, sehr schwach gerillt glatt, flach radiär gerillt flach, unregelmäßig radiär gerillt bis gekräuselt glatt, unregelmäßig sehr flach radiär gerillt bis gekräuselt glatt, unregelmäßig sehr flach radiär gerillt bis gekräuselt dicht radiär gerillt, unregelmäßig sehr flach länglich netzhügelig glatt, flach radiär gerillt glatt, flach radiär gerillt
Perigon: Behaarung, Farbe dicht, dadurch weißlich-grau gering, dadurch hell olivgrün mäßig bis dicht, dadurch weißlich bis hellgrau mäßig bis dicht, slt. verkahlend; meist weißlich bis hellgrau sehr dicht, dadurch weißlich bis hellgrau meist dicht, teilw. rasch verkahlend, dadurch graugrün od. dunkelgrün sehr dicht, dadurch hell weißlich graugrün, verbleibend dicht, dadurch hell weißlich graugrün dicht, hell weißlich graugrün od. braun- bis violettrot verfärbt
Weitere morphologische Merkmale Stängel dünnwandig; Blätter rasch welkend; Infloreszenzäste oft mit langen Internodien Sprossachsen dünn; oft Laubblattspitzen schraubig verdreht Sprossachsen dünn Infloreszenz-, Knäueläste mit langen Internodien
Standort Anuellen-, Ruderal- und Segetalfluren (oft Hackfrüchte); bes. in regenfeuchteren Gebieten Annuellen- und Ruderalfluren an mäßig trockenen Standorten bes. in Wärmegebieten Annuellen- und Ruderalfluren, auf eher trockenen (Kies- und Sand)Böden, in sommer-warmen Gebieten Anuellen, Ruderal- und Segetalfluren, fast überall von frisch bis mäßig trocken auf offenen Böden Anuellen- und Ruderalfluren an wärmebegünsigten Standorten oder in Wärmegebieten Anuellen- und Ruderalfluren, in kühlfeuchten bis trockenwarmen Gebieten Anuellen- und Ruderal-, slt. Hackfruchtstandorte in Wärmegebieten Anuellen- und Ruderalfluren in Wärmegebieten oder an wärmebegünstigten Standorten Anuellen- und Ruderalfluren in Wärmegebieten oder an wärmebegünstigten Standorten


Eine neue Systematik des Chenopodium s.l. (Rolf Wißkirchen)

Es sei darauf hingewiesen, dass von molekularsystematischer Seite eine stärkere Aufspaltung der Gattung Chenopodium angestrebt wird. Bereits in den Arbeiten von Kadereit et al. (2003, 2010) hatte sich gezeigt, dass die Arten der früheren Sektion Blitum (= Ch. foliosum, Ch. capitatum und Ch. bonus-henricus – aber ohne die Chenopodium-rubrum-Verwandtschaft) in den phylogenetischen Stammbäumen eine Position deutlich außerhalb der Gruppierung von Chenopodium+Atriplex einnehmen und eng mit dem Spinat (Spinacia) verwandt sind. Dies wurde nun erneut bestätigt (Fuentes-Bazan et al. 2012). Dadurch wird die Anerkennung einer dritten Gattung Blitum (incl. Monolepis) genau so unumgänglich wie die der von vielen bereits akzeptierten Gattung Dysphania.

Das stammesgeschichtliche Verzweigungsschema (Kladogramm, Phylogramm) der danach noch verbleibenden engeren Gänsefuß-Melden-Verwandtschaft (Kadereit et al. 2010, Fuentes-Bazan et al. 2012) enthüllt, dass Chenopodium mit Atriplex eng verwandt ist, so eng, dass Atriplex wie aus der Mitte von Chenopodium entstanden erscheint. Für die Umgrenzung von Chenopodium stellt das insofern ein Problem dar, als dass es nach den Regeln der Kladistik paraphyletisch wird (Atriplex selbst ist monophyletisch). Die Zerlegung von Verwandtschaftskomplexen mit dem Ziel eines Systems ausschließlich monophyletischer Gruppen wird von vielen Systematikern als die beste Möglichkeit der Klassifikation gesehen (so z.B. in APG III). Allerdings sind gerade in diesem Detailpunkt die Meinungen geteilt (vgl. hierzu die Beiträge verschiedener Autoren in Annals of the Missouri Botanical Garden Vol. 100(1-2)), und diese Vorgehensweise ist insgesamt nicht ohne Nachteile (siehe unten).

Die einfachste Möglichkeit, Chenopodium wieder monophyletisch zu machen, wäre der vollständige Einschluss von Atriplex in Chenopodium, z.B. als Untergattung. Das ist keineswegs so abwegig wie es zunächst erscheint, denn der Unterschied zwischen Chenopodium und Atriplex besteht im Wesentlichen darin, dass in den typischen Atriplex-Blüten die Blütenhülle ganz reduziert und nur der aufrecht stehende Fruchtknoten verblieben ist (als Entwicklungstendenz auch bei Chenopodium rubrum erkennbar) und dass gleichzeitig sich vergrößernde paarige Vorblätter die Schutzfunktion der Blütenhülle übernehmen sowie zu spezifischen Verbreitungsorganen (Diasporen) werden. Die in den Knäueln endständigen fünfzähligen Blüten mit waagerechten Fruchtknoten sind zumindest bei einigen Atriplex-Arten noch vorhanden und von denen bei Chenopodium nicht verschieden. Auch die Basenhaare haben beide gemeinsam. So verwundert es nicht, wenn vegetativ entwickelte Individuen von Atriplex und Chenopodium „gerne“ auf Gattungsebene verwechselt werden. Doch eine Vereinigung von Atriplex mit Chenopodium dürfte bei weltweit 300 Atriplex-Arten kaum Befürworter finden. Hier hat die lange Tradition der Trennung beider Gattungen ein starkes Gewicht. Auch sonst würde sie wenig Sinn machen, denn Atriplex ist als Gattung durch markante Blüten- und Fruchtmerkmale gut charakterisiert, und ihr Einschluss in Chenopodium würde letzteres sehr heterogen machen.

Der Vorschlag von Fuentes-Bazan et al. (2012) zur Wiederherstellung der Monophylie geht in eine genau umgekehrte Richtung. Die Autoren zerlegen das bereits um Dysphania, Blitum (und Teloxys) verkleinerte Rest-Chenopodium entsprechend den Regeln der Kladistik so lange, bis nur noch monophyletische Einheiten übrig sind. Eine davon – Lipandra – umfasst nur eine Art, nämlich Lipandra polysperma (= Chenopodium polyspermum). Eine zweite - Oxybasis - umfasst die Chenopodium rubrum-Verwandtschaft und Chenopodium urbicum (Ox. rubra, Ox. glauca, Ox. chenopodioides, Ox. macrosperma, Ox. urbica). Eine dritte, ganz neu beschriebene Gattung ist Chenopodiastrum (mit fünf Arten), zu der bei uns Ch. murale und Ch. hybridum gehören. Nach Abtrennung dieser drei kleinen Gattungen ergeben sich Chenopodium s.str. und Atriplex als endständige monophyletische Geschwistergruppen. In der so stark verkleinerten Gattung 'Chenopodium s.str. würden für unser Gebiet nur die Arten des Ch. album-Aggregats sowie Ch. quinoa, Ch. pratericola, Ch. berlandieri, Ch. hircinum und Ch. vulvaria verbleiben.

Eine Anpassung an diesen Neuvorschlag – obwohl zunächst erwogen – wird hier nicht vollzogen. Auf den ersten Blick erscheint die Darstellung eindrucksvoll, transparent und überzeugend. Befasst man sich aber genauer damit, kommen doch erhebliche Zweifel. Während nach der bereits vollzogenen Abtrennung von Dysphania auch die Akzeptanz einer eigenständigen Gattung Blitum durch ihre enge Verwandtschaft mit Spinacia zwingend erscheint und auch morphologisch gut nachvollziehbar ist (Rosettenpflanzen), lässt sich das von den anderen neuen Gänsefuß-Gattungen (Chenopodiastrum, Oxybasis, Lipandra) nicht behaupten. Es ist nicht zu übersehen, dass sie morphologisch untereinander und gegenüber Chenopodium s.str. nur sehr schwach charakterisiert sind. Der Gattungsschlüssel in Fuentes-Bazan et al. (2012) offenbart dies beim näheren Hinsehen.

So wird z.B. Chenopodiastrum mit „Young stems and leaves with vesicular trichomes becoming totally collapsed when dry ... perianth segments with prominent midvein visible inside“ charakterisiert. Das ist nicht viel, wäre aber diskutabel, wenn es sich um echte diagnostische Merkmale handeln würde. Doch das bewahrheitet sich so nicht. Denn auch in der Gattung Atriplex, die hier als namensgebender Teil der Tribus Atripliceae diagnostisch nicht ausgeklammert werden kann, sind kollabierende Blasenhaare (bis hin zur sog. Verschilferung) und Verkahlung typisch. Da dieses Merkmal bei Atriplex bislang keinen Anlass zu einer taxonomischen Sonderbehandlung gab, stellt sich die Frage, warum das bei Chenopodium s.l. jetzt von Bedeutung sein soll. Auf jeden Fall handelt es sich nicht um ein Alleinstellungsmerkmal (Apomorphie). Es erscheint bei Chenopodiastrum eher als ein Degenerationsmerkmal als eines von progressiv-adaptiver Bedeutung. Die auf den Blüteninnenseiten hervortretenden Mittelnerven bei Chenopodium hybridum und Ch. murale (als Vertreter von Chenopodiastrum) sind zweifellos gut sichtbar, was auch damit zusammen hängt, dass ihre Blüten relativ groß sind. Tatsächlich aber findet sich dieses Merkmal auch bei Arten, die die Autoren zu Chenopodium s.str. rechnen, so bei Chenopodium strictum oder Chenopodium pratericola. Letztere haben rel. kleine Blüten, so dass dieses Merkmal dort nicht auffällt. Solche Strukturen sind wohl am ehesten verbreitungsbiologisch zu interpretieren. Treten die Mittelnerven auf der Außenseite der Tepalen hervor wie bei den meisten Arten, dann schließt sich die Blüte bei der Samenreife, und die Nussfrucht wird mit dem Perigon verbreitet. Stehen die verdickten Mittelnerven aber auf der Innenseite der Tepalen, dann öffnen diese durch Druck (vermehrtes Zellwachstum, Turgorerhöhung etc.) die Blüten bei der Samenreife, und die Nussfrüchte fallen heraus und dienen als Diasporen. Das sich Öffnen der Blütenhülle bei der Samenreife wird in der neuen Flora von Nordamerika Clemants & Mosyakin 2003 von noch einer ganzen Reihe von Arten beschrieben, so dass der Verdacht besteht, dass dieses Merkmal bei Chenopodium s.str. insgesamt noch stärker verbreitet sein könnte. Weiter heißt es: „seeds distinctly pitted to sometimes rugulose or almost smooth“. Der diagnostische Wert einer solchen Aussage ist äusserst bescheiden. Worte wie „to“ (von ... bis) und „or“ (oder) gehören nicht in eine Diagnose und sind selbst in Bestimmungsschlüsseln besser sparsam zu verwenden, da sie einer klaren Vorstellung entgegenwirken.

Wenngleich einzelne der bei Oxybasis genannten Merkmale vielleicht brauchbar sind, sind sie in der Gesamtheit doch unscharf und zu geringfügig für das Niveau von konsistenten Gattungen. So ist die Blasenbehaarung bei Chenopodium glaucum (blattoberseits kahl, blattunterseits stark behaart) und Ch. rubrum (im Ganzen nahezu kahl) zu verschieden. um hiermit Gemeinsamkeiten ansprechen zu können. Markant sind zweifellos die vertikalen Blüten, die bei Ch. rubrum und Ch. chenopodioides fast ganz die Blütenstände beherrschen. Bei Ch. glaucum aber finden sie sich nur teilweise, und bei Ch. urbicum var. urbicum fehlen sie ganz. So bleibt letztlich alles etwas unscharf. Wenn man eine konkrete Einzelpflanze bestimmen will, hat man ja nicht die Merkmalsspanne der ganzen Gruppe vor Augen, so dass man an den für Chenopodiastrum und Oxybasis genannten Merkmalen nur wenig Halt findet. Eine Gattung sollte aber so sein, dass sie eine klare Diagnostik besitzt und dementsprechend gut bestimmbar ist.

Von den drei Kleingattungen erscheint Lipandra mit oft einzeln gestielten Blüten, dünnen, nahezu kahlen Blättern, abweichendenr Pollenmorphologie und einer offenbar anderen Art der Blütenöffnungsweise noch als die beste Gruppierung. Doch auch hier käme man mit einer Untergattung aus. Da bei weitem noch nicht alle Chenopodium-Arten untersucht wurden, ist nicht auszuschließen, dass noch weitere Abzweigungen gefunden werden, die aufgrund ihrer Position zur Aufstellung weiterer Gattungen Anlass geben könnten. Somit ist es selbst für eine infragenerische Gliederungsbetrachtung noch viel zu früh.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Informationsgehalt und somit der Vorhersagewert von Kleingattungen wie Lipandra, Oxybasis und Chenopodiastrum gering ist. Sie erscheinen eher als Paraphylie-Vermeidungs-Taxa denn als taxonomisch zwingende Novitäten. Läge der Abzweig zu Atriplex an der Basis der Atripliceae, wären sie wohl kaum noch auf Gattungsniveau diskutiert worden. Die Anwendung der kladistischen Regel obligater Monophylie führt hier zu einer schematischen Zerlegung der Restgattung Chenopodium ohne wirkliche Merkmalssprünge. Eine wichtige Regel der Hennig’schen Kladistik besagt aber, dass Taxa stets auf Apomorphien (abgeleiteten Exklusivmerkmalen) zu gründen sind. Diese können hier im Vergleich mit den anderen Chenopodiaceen-Gattungen nicht befriedigend vorgelegt werden. Warum hier also neue Gattungsnamen lernen? Molekulare Merkmale reichen nicht aus (denn wer von den Millionen potentieller Nutzer hätte etwas von rein molekular begründeten Taxa?). Selbst beim „Geschwisterpaar“ Chenopodium s.str. und Atriplex verfügt nur letztere über einen ausreichenden Satz an abgeleiteten Gattungsmerkmalen. Von daher wird dieser Teil der neuen Klassifikation abgelehnt.

Die hier favorierte Interpretation vermeidet die Nachteile rein monophyletischer Positionen: Akzeptiert man Chenopodium als Paraphylum (Hörandl & Stuessy 2010) mit Atriplex als abzweigendem Monophylum, hat man die aufgezeigten diagnostischen Probleme nicht. Die künstliche Unterteilung eines morphologischen Fast-Kontinuums (Chenopodium) wird vermieden und die akzeptierten Gattungen (Dysphania, Blitum, Chenopodium) haben alle eine ausreichend diagnostische Qualität. Diese phylogenetisch-merkmalsorientierte Gliederung in drei Gattungen entspricht auch weitestgehend der infragenerischen Gliederung von Chenopodium s.l. in der Flora Nordica (Uotila 2001) sowie der Reihenfolge im Hegi (Aellen 1979). Letztlich zeigt auch die Arbeit von Fuentes-Bazan et al. 2012 innerhalb des früheren Chenopodium s.l. ganz klar drei Hauptzweige (clades), nämlich Dysphania/Teloxys, Blitum/Spinacia und Chenopodium/Atriplex. Alle diese können auf Gattungsniveau akzeptiert werden, auch wenn (das hier im Bestimmungsschlüssel nicht berücksichtigte) Teloxys vergleichsweise schwach charakterisiert ist, aber in Dysphania auch nicht gut hineinpasst. Das Hauptproblem ist und bleibt das schon oben diskutierte Atriplex bzw. seine Position im stammesgeschichtlichen Verzweigungsmuster. Dies offenbart meiner Meinung nach ein schon hinlänglich bekanntes Problem, nämlich die kladistische Glaubensvorstellung, dass sich in der Evolution Arten symmetrisch aufspalten und dabei zwei gleichwertige Tochter- bzw. Geschwisterarten entstehen, während per definitionem die Elternart erlicht. Nur aufgrund eines solchen Gedankenmodells ist es überhaupt möglich, einen Algorithmus zu entwickeln, der in der molekularen Analyse ein hierarchisch gestaffeltes Ergebnis von Gensequenz-Unterschieden erzeugt. Diese Modellvorstellung, die sich in einem eindrucksvollen Schachtelsystem von büroklammerähnlichen Verzweigungen ausdrückt und damit Unausweichlichkeit in der Interpretation suggeriert, muss im Detail jedoch angezweifelt werden und dürfte im engen Sinne eher die Ausnahme repräsentieren.

Ähnlich wie man ein Ypsilon auf zweierlei Weise schreiben kann, ohne dass ein Bedeutungsunterschied besteht, gehe ich davon aus, dass es in der Evolution einer taxonomischen Gruppe (Art, Gattung etc.) in der Regel nicht zu gleichgewichtigen Spaltungen sondern zu Abspaltungen kommt, und zwar immer wieder, dabei auch komplex und polytop. Aufgrund von Isolationsmechanismen entstehen mittels Mutation, Rekombination und Selektion neue Arten und nachfolgend u.U. auch neue Gattungen. Da Mutation und Rekombination als primäre Motoren der Veränderung dem Zufall unterliegen, fällt das Ergebnis solcher Abspaltungen sehr unterschiedlich aus. Es kann entweder so gut wie gar nichts Neues entstehen, es kann etwas Neues entstehen und es kann sehr viel Neues entstehen. Dabei spielt es aber keine Rolle, wann sich etwas abspaltet, solange das Elterntaxon sich nicht oder nur unbedeutend verändert. Es ist also gleich, ob sich Lipandra etc. vor oder nach Atriplex abspaltet. Entscheidend ist der evolutionäre Erfolg einer sich abtrennenden Gruppe. Im vorliegenden Fall ist nur Atriplex eine Abspaltung, die so bedeutend ist, dass es aufgrund der neuen Merkmale Gattungsstatus verdient. Bei den anderen Abspaltungen liegt nur wenig (Chenopodiastrum, Oxybasis) bis etwas (Lipandra) vor.

In der traditionellen Klassifikation, so wie sie sich seit der Renaissance kontinuierlich und erfolgreich entwickelt hat, ist es das Ziel, jede Art, jede taxonomische Gruppe zu beschreiben, zu benennen und einzuordnen, dabei aber auch das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Wichtig ist das, was über wichtige Merkmale verfügt. Klassifikation ist also merkmalsorientiert und bewertend im Gegensatz zur überwiegend abstammungsorientierten „Kladifikation“ (Brummitt 2014). Die für die Praxis entscheidenden Hauptrangstufen (Art, Gattung, Familie) müssen, um im Wert vergleichbar zu sein, mit Hauptmerkmalen in Beziehung gebracht werden, kurz gesagt: Hauptmerkmale zu Hauptrangstufen, Nebenmerkmale zu Nebenrangstufen. Dabei geht es nicht um irgendwelche subjektiv ausgewählten Einzelmerkmale, sondern um das Auffinden von Korrelationsmaxima von Merkmalen. Dass dabei heutzutage nur natürliche Verwandtschaftgruppen (Monophyla und Paraphyla) akzeptiert werden können, dürfte selbstverständlich sein. Hier liefert die molekulare Systematik zweifellos entscheidende neue Erkenntnisse und Impulse, neigt aber etwas dazu, sich von einer merkmalsorientierten Systematik zu lösen und das stammesgeschichtliche Verzweigungsmuster als das Wichtigere anzusehen. Damit besteht die Gefahr einer Abkehr von dem, was bislang als „general purpose classification“ (Klassifikation für eine allgemeine Nutzung) bezeichnet wird.

Kladogenese (stammesgeschichtliche Verzweigung aufgrund von Isolation) und Anagenese (evolutionär-divergente Merkmalsneubildung infolge Mutation, Rekombination und Selektion) erschaffen im Zusammenspiel die Diversität der Organismen. Nur das Eine ohne das Andere würde nicht viel bewirken, wie man sich leicht klarmachen kann. Daher müssen stets beide Komponenten in einer Synthese berücksichtigt werden (Stuessy 1997). Das ist natürlich nicht einfach, denn dafür gibt es bislang kein Rezept. Doch nur so erfasst man die organismische Diversität in all ihren Aspekten und optimiert den Erkenntniswert einer taxonomischen Gruppe. Ein Kladogramm zeigt nur das Muster der Separation, also das der (Ab)Spaltungen aufgrund reproduktiver Isolation, mehr nicht. Das ist bedeutsam aber noch keine Klassifikation. Ohne die Grundlage der bereits bekannten (morphologischen) Merkmale und der damit definierten Taxa wäre ein solches Verzweigungsdiagramm (Kladogramm) überhaupt nicht interpretierbar, und auch die untersuchten Arten nicht bestimmbar. Eine wechselseitige Rückkopplung ist also unabdingbar. Die molekularen Merkmale sind auch nicht unbedingt identisch mit den Gensequenzen, die die Merkmale kodieren, an denen wir Arten, Gattungen etc. äußerlich erkennen. Zwar kann ein Teilzusammenhang bestehen, doch wird dieser in der Analyse nicht offenbart. Ein Fingerabdruck, so spezifisch er sein mag, gibt uns ja auch noch kein Bild vom Aussehen und Wesen eines Menschens.

Schon 1988 hatte Cronquist vorhergesagt, dass bei einseitig-dogmatischer Auslegung der Phylogenetik, d.h. bei grundsätzlicher Ablehnung von Paraphyla leicht Taxa entstehen, die entweder zu klein oder zu groß sind. Dies lässt sich hier bei Chenopodium s.l. klar aufzeigen. Zwar haben die Autoren versucht, eine morphologische Charakterisierung zur Stützung der molekular gefundener Einheiten zu geben. Dies kann aber nicht überzeugend gelingen, wenn es die Objekte nicht hergeben und die Entscheidung über die Akzeptanz von Gattungstaxa schon vorher festlag. So stört hier keineswegs das wissenschaftliche Ergebnis sondern lediglich seine Interpretation. Insgesamt hätte man sich von den Autoren mehr Diskussion über die Möglichkeiten einer für Deutschland und Europa nicht unwichtigen neuen Klassifikation gewünscht.

Trotz allem ist die Publikation von Fuentes-Bazan et al. (2012) sicherlich ein Meilenstein in der Erforschung der Chenopodiaceen, da sie die Künstlichkeit des früheren Chenopodium s.l. beendet und zum ersten Mal die natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse der heimischen Gänsefuß-Arten offen legt (vgl. die sehr künstliche schematisch-morphologische Chenopodium-Einteilung von Aellen (1979), wo z.B. ganz eng verwandte Arten wie Chenopodium rubrum und Chenopodium chenopodioides in getrennten Sektionen stehen).

Quelle: Offene Naturführer, Das Wiki zu Bestimmungsfragen: Die Gattung Chenopodium (Rolf Wißkirchen und Johannes Walter) (Zuletzt geändert:
Dieses Attribut ist ein Spezialattribut in diesem Wiki.
2 März 2020 09:33:00). Abgerufen am 12. Dezember 2024, 19:58 von https://offene-naturfuehrer.de/web/Die_Gattung_Chenopodium_(Rolf_Wißkirchen_und_Johannes_Walter)