Autoren: Tamara Ayoub, Linda Eichner, Vanessa Mögle, Sina Siedler
Abb. 1. Schemazeichnung eines Triebes. (Zeichnung & Bearbeitung: T. Ayoub)
Welche Merkmale stehen im Winter zur Verfügung?
Im Sommer erkennt man die meisten Bäume und Sträucher oftmals leicht anhand ihrer Blüten und Blätter. Im Winter findet man diese leider nicht mehr am Gehölz vor, oder nur noch teilweise und vertrocknet. Daher dienen zur kalten Jahreszeit andere Merkmale zum Bestimmen, wie etwa Wuchsform und -höhe, Stammdurchmesser und -anzahl, Farbe und Beschaffenheit der Borke („Rinde“), eventuell vorhandenes, altes Blattlaub oder Früchte unterhalb der Pflanze. Es bieten sich vielfältige Erkennungsmerkmale nur durch Betrachtung der Pflanze und ihrer Umgebung am Standort. Aber auch ein einzelner Zweig kann einiges über seine Art verraten und bietet ausreichend viele Unterscheidungsmerkmale und Untersuchungspunkte. Dazu gehören etwa die Zweigrinde (Farbe/Beschaffenheit), Knospen (Farbe/Größe/Anzahl), Knospenschuppen (Farbe/Anzahl/Vorhandensein), Knospenstellung (gegenständig/wechselständig), Blattnarben (Erscheinungsform/Größe), aber auch Eigenheiten wie etwa Dornen oder auffällige Lenticellen (Korkporen) können hilfreiche Besonderheiten darstellen. [Abb. 1]
Abb. 2. Schemazeichnung eines Sprossendes mit Knospe. (Zeichnung & Bearbeitung: T. Ayoub)
Abb. 3. Auszug der Knospenvielfalt (von oben links nach unten rechts): Ahornblättrige Platane, Esche, Rosskastanie, Walnuss. (Fotos & Bearbeitung: T. Ayoub)
Begriffsklärungen:
Knospe: In einer Knospe verbirgt sich der junge Spross des nächsten Jahrestriebes [Abb. 2]. Das heißt ein Baum oder Strauch legt den „Grundbausatz“ für die Blüten und Blätter, welche im nächsten Jahr austreiben sollen bereits im Vorjahr, etwa im Herbst, an. Knospen variieren teilweise sehr in ihrem Erscheinungsbild [Abb. 3]. In den meisten Fällen werden die Knospen von schuppenartigen, dicht aneinander liegenden Plättchen, den sogenannten Knospenschuppen bedeckt [Abb. 4]. Durch diese Knospenschuppen sind die empfindlichen Blüten- und Blattanlagen den Winter über gut geschützt. Form, Farbe und Anzahl der Knospenschuppen variieren von Art zu Art und können daher als Bestimmungsmerkmal dienen. Nicht immer müssen Knospenschuppen vorhanden sein, eine „nackte Knospe“ kann auch geschützt werden durch andere Mechanismen, wie etwa unentfaltete Laubblätter (Bsp.: Roter Hartriegel – Cornus sanguinea). Es kann aber auch sein, dass die Knospe zum Beispiel in den Blattnarben verborgen liegt und somit keinen äußeren Schutzmantel benötigt, dann ist sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen, von außen scheint der Zweig knospenlos (Bsp.: Robinie – Robinia pseudoacacia [Abb. 5]). Bei einer Knospe handelt es sich also um einen gestauchten Spross, in welchem die Blattanlagen bzw. Blütenanlagen dicht gedrängt beieinander liegen, bis die Knospe sich im Frühjahr öffnet. Man unterscheidet zwischen Blütenknospen (= generative Knospen) und Blattknospen (= vegetative Knospen); diese sind nicht immer so gut wie beim wolligen Schneeball voneinander zu unterscheiden [Abb. 6]. Ein weiteres Merkmal bezieht sich auf die unterschiedlichen Größen von Endknospe und Seitenknospen. Dabei entsteht eine echte Endknospe (Terminalknospe) [Abb. 7] nicht in der Achsel eines Blattes und tragt somit an der Basis keine Blattnarbe. „Falsche“ Endknospen können entstehen, wenn zum Beispiel zwei gegenständige Seitenknospen das vermeintliche Ende des Triebes bilden (Bsp.: Flieder – Syringa vulgaris [Abb. 7]).
| Abb. 4. Knospe des Berg-Ahorn mit Knospenschuppen (einzelne Schuppe rot umrandet) und Blattnarbe (gelb umrandet). (Foto: PIW-Kurs, Bearbeitung: T. Ayoub) |
| Abb. 5. Die Knospen der Robinie sind hinter der drei-geteilten Blattnarbe verborgen, geschützt durch Behaarung und Dornen. (Foto: PIW-Kurs) |
| Abb. 6. Die vegetativen Knospen (links) des wolligen Schneeballs unterscheiden sich deutlich von seinen Blütenknospen (rechts, bereits leicht geöffnet). (Fotos & Bearbeitung: T. Ayoub) |
| Abb. 7. Im Gegensatz zur Rosskastanie (links) besitzt der Flieder (rechts) keine echten Endknospen. (Fotos & Bearbeitung: T. Ayoub) |
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Abb. 8. Links: Gegenständige Knospenstellung (hier: kreuz-gegenständig) wie beispielsweise bei der Rosskastanie; rechts: Wechselständige Knospenstellung, typisch für z.B. Linde oder Buche. (Zeichnungen: S. Siedler, Bearbeitung: T. Ayoub)
Knospenanordnung: Die Blatt- und Knospenstellung dient im Bestimmen von holzigen Laubpflanzen als Schlüsselmerkmal und steht deshalb häufig sehr weit am Anfang eines Bestimmungsschlüssels. Man unterscheidet unter anderem zwischen gegenständiger, kreuz-gegenständiger, wechselständiger oder wirteliger Stellung. Zur Vereinfachung soll in diesem Schlüssel lediglich eine Unterscheidung zwischen gegenständig (dazu zählt auch kreuz-gegenständig) und wechselständig stattfinden.
Bei Pflanzen mit gegenständiger Blattstellung (Knospenstellung) stehen immer zwei Knospen (sofern es sich nicht um eine echte Endknospe handelt) einander gegenüber [Abb. 8]. Dabei können diese Knospenpaare entweder parallel (direkt) untereinander stehen (Bezeichnung: gegenständig) oder jeweils um 90° versetzt zueinander (Bezeichnung: kreuz-gegenständig). Bei einer wechselständigen Anordnung, steht jeweils nur ein Blatt/Knospe an einem Knotenpunkt [Abb. 8].
Blattnarbe: Unterhalb der Knospen, dort wo am Trieb die Laubblätter, im letzten Herbst, abgeworfen wurden, findet man eine Abbruchstelle, die sogenannte „Blattnarbe“. Da sich Form und Größe, aber auch Anzahl und Anordnung der Blattspuren (kleine punktartige Erscheinungen auf der Blattnarbe) unterscheiden, eignet sie sich auch als Bestimmungsmerkmal. Bei diesen erwähnten Blattspuren handelt es sich um Leitbündel im Querschnitt (= “Adern“ der Pflanze, für Wasser- und Nährstofftransport) welche im Sommer das Blatt mit Wasser versorgen [Abb. 9].
Lenticellen: Lenticellen – auch Korkporen oder Korkwarzen genannt – sind kleine Bereiche im toten Gewebe der Rinde oder Borke eines Zweiges oder Stammes die den Gasaustausch zwischen der Umgebungsluft und dem lebenden Gewebe unterhalb der Lenticelle ermöglichen. Mit bloßem Auge sind sie als kleine punktförmige Erhebungen zu erkennen [Abb. 10].
| Abb. 9. Blattnarben (Ansatzstellen der Blätter) und die Anordnung ihrer Blattspuren (Leitbündel) können unter anderem als Bestimmungsmerkmal dienen. links: Rosskastanie mit typischer Leitbündelanordnung. rechts: Charakteristisch herzförmige Blattnarbe der Walnuss. (Fotos: PIW-Kurs, Bearbeitung: T. Ayoub) |
| Abb. 10. Wenn ein Zweigstück zur Verfügung steht, kann die Anwesenheit von Lenticellen ("Korkwarzen") zur Bestimmung dienen, da diese bereits mit bloßem Auge als punktförmige Erhebungen zu erkennen sind. Lenticellen treten beispielsweise an Zweigen von Esche (li. oben), Eiche (re. oben), Walnuss (li. unten) oder Linde (re. unten) auf. (Fotos: PIW-Kurs, Bearbeitung: T. Ayoub) |
| Abb. 11. Blattadern ("Blattnerven") können z.B. parallel - wie beim Gingko (oben)- oder netzartig - wie beispielsweise beim Efeu (unten) - verlaufen. Bei letzterem sind sie darüber hinaus gut zu erkennen, da sie sich farblich vom Rest des Blattes abheben. (Fotos & Bearbeitung: T. Ayoub) |
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Abb. 12. Viele unserer einheimischen Laubbäume tragen Kätzchen (ährenartiger Blütenstand), darunter die Birke (oben) oder etwa die Hasel (unten). (Fotos & Bearbeitung: T. Ayoub)
Blattadern: Blattadern werden häufig auch Blattnerven genannt und bezeichnen die Leitbündel, die „Adern“ der Pflanze, die die Blätter mit Wasser und Nährstoffen/Salzen versorgen. Blattadern können zum Beispiel parallel verlaufen oder netzartig [Abb. 11].
Kätzchen: Unter dem Begriff „Kätzchen“ versteht man einen meist männlichen, ährenartigen Blütenstand, welcher aus vielen kleinen, unscheinbaren Blüten, welche dicht beieinander stehen, gebildet wird. Kätzchen verdanken ihren Namen ihrem weichen Äußeren, welches bei Berührung an weiches Fell junger Katzen erinnern konnte. Viele unserer einheimischen Laubbäume tragen Kätzchen, darunter die Birke oder etwa die Hasel [Abb. 12].
Quellen:
- Godet, Jean-Denis (2008): Knospen und Zweige – Einheimische Bäume und Sträucher. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart. 432 Seiten.
- Humphries, Press und Sutton (1981): Der Kosmos Baumführer: Über 400 europäische Bäume in Farbe. Kosmos – Gesellschaft der Naturfreunde, Franckh'sche Verlagshandlung – Stuttgart
- Schauer, Dr. Thomas und Claus Caspari (2008): Der BLV Pflanzenführer für unterwegs. 3. Auflage, BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
- Zimmer, Ute E. (Text) und Dorothee Eisenreich (Gesamtüberarbeitung) (2012): Bäume und Sträucher – Zweige, Blätter, Nadeln. Neuer Kaiser Verlag (Erstauflage und Copyright BLV Verlagsgesellschaft mbH,1986, München).
- Zimmer, Ute E. (Text) und Dorothee Eisenreich (Gesamtüberarbeitung) (2012): Früchte der Bäume und Sträucher. Neuer Kaiser Verlag (Erstauflage und Copyright BLV Verlagsgesellschaft mbH, 1986, München).
- Hecker, Ulrich (2008): Einheimische Laubgehölze. 2. Auflage, Quelle und Meyer GmbH und Co., Wiebelsheim
- Haller, Berthold und Wilfried Probst (1979): Botanische Exkursionen Band I – Exkursionen im
Winterhalbjahr. Gustav-Fischer Verlag, Stuttgart
- Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (2002): Gebietsheimische Gehölze in Baden-Württemberg. Greiserdruck, Rastatt.
Links:
Häufige Gehölze im Winter bestimmen (Kurs „Pflanzen im Winter“, Universität Tübingen)
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2 | | Abb. 1: Robinie: Unter den Blattnarben verborgene Knospe, geschützt durch Härchen und Dornen. (Foto & Zeichnung: T. Ayoub) |
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2 | * | Abb. 2: Typische Sprossdorne der Schlehe. (Foto: T. Ayoub) |
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3 | | Knospenschuppen vorhanden | ► 4 |
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3 | * | Knospenschuppen fehlen | ► 5 |
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4 | | Anordnung der Knospen: wechselständig | ► 14 |
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4 | * | Anordnung der Knospen: gegenständig | ► 6 |
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5 | | Abb. 5: Roter Hartriegel: Roter, Behaarter Zweig mit Knospen. Knospen ohne Schuppen, geschützt durch filzige Blätter. (Foto: AnRo0002) |
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5 | * | Abb. 7: Blütenknospe des wolligen Schneeballs. Man beachte das Fehlen der Knospenschuppen. (Foto: T. Ayoub) |
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6 | | Mit einzelner Endknospe | ► 7 |
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6 | * | Ohne einzelne Endknospe, Zweig endet in zwei gegenständigen Knospen | ► 8 |
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7 | | Abb. 9: Eschenzweig mit kreuzgegenständiger Knospenanordnung. (Foto: T. Ayoub) |
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8 | | Abb. 12: Gepaarte Endknospe des Flieders mit grünlichen Knospenschuppen und rot-braunem Rand. (Foto: PIW-Kurs) |
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8 | * | Abb. 13: Flieder: Zweig mit zahlreichen Lenticellen und roten Knospen mit locker schließenden Knospenschuppen. (Foto: El Grafo) |
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9 | | Abb. 14: Gegenständige Knospenanordnung bei der Rosskastanie. (Foto: T. Ayoub) |
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10 | | Abb. 18: Gegenständig angeordnete grünlich-bräunliche Knospen des Pfaffenhütchens mit dunkel berandeten Knospenschuppen. (Foto: Muriel Bendel) |
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11 | | Knospen hellbraun bis braun mit deutlichen weißen Härchen an den Knospenschuppenrändern; häufig Korkleisten an den Zweigen | | Feld-Ahorn – Acer campestre L. | |
Abb. 20: Ausgeprägte Korkleisten an den Feld-Ahorn-Zweigen. (Foto: T. Ayoub) |
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12 | | Abb. 21: Knospe mit hellgrünen, bewimperten Knospenschuppen und Blattnarbe. (Foto: PIW-Kurs) |
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13 | | Abb. 22: Weinrote Knospe mit kurz-behaartem Knospenschuppenrand und eng anliegenden Seitenknospen. (Foto: PIW-Kurs) |
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14 | | Nur eine Knospenschuppe | ► 15 |
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14 | * | Mehr als eine Knospenschuppe | ► 17 |
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15 | | Abb. 23: Charakteristisch gefleckte Rinde der Platane. (Foto: PIW-Kurs) |
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15 | * | Nur eine ungerillte Knospenschuppe, Zweig deutlich behaart | ► 16 |
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16 | | Abb. 25: Silber-Weide: Zweig mit rötlichen, eiförmigen Knospen, welche nur eine einzelne Knospenschuppe tragen. (Foto: AnRo0002) |
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16 | * | Abb. 26: Sal-Weide: Zweig mit wechselständigen Knospen. Die einzelne Knospenschuppe, welche die Knospe umgibt ist wie eine Kapuze abziehbar. (Foto: AnRo0002) |
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17 | | Abb. 27: Linde: Knospe mit typischer seitlich anliegender Knospenschuppe und Zweig mit Lenticellen. (Foto: PIW-Kurs) |
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17 | * | Knospe mit mehr als zwei Knospenschuppen | ► 18 |
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18 | | Abb. 28: Walnussbaum: Endknospe mit kleineren seitlich stehenden Nebenknospen. (Foto: PIW-Kurs) |
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18 | * | Zweige ohne gekammertes Mark | ► 19 |
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19 | | Abb. 31: Schwarz-Erle: Zweig mit männlichen Kätzchen und weiblichen Zapfen. (Foto: PIW-Kurs) |
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20 | | Knospen behaart (Lupe!) | ► 21 |
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20 | * | Knospen nicht behaart | ► 22 |
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21 | * | Abb. 34: Gemeine Hasel: Behaarter Zweig mit grünlicher, abgerundeter Knospe und leicht behaarten Knospenschuppenrändern. (Foto: PIW-Kurs) |
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22 | | Knospe schmal-eiförmig; Knospenschuppen braun (evtl. im Ansatz mit gelber oder grüner Färbung) [pp]; häufig mit männlichen Kätzchen | | Hängebirke – Betula pendula ROTH | |
Abb. 41: Hängebirke: Sehr junge, grünliche Knospe mit Kätzchen. (Foto: PIW-Kurs) |
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23 | | Abb. 42: Braunrote, zugespitzte Knospen am Zitter-Pappel Zweig mit offenem Kätzchen. (Foto: PIW-Kurs) |
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24 | | Abb. 43: Hainbuche: Rötlich-braune, länglich-spitze Knospen, welche eng am Zweig anliegen. (Foto: PIW-Kurs) |
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24 | * | Abb. 44: Die Knospen der Rotbuche stehen wechselständig und weit abgespreizt vom Zweig. (Foto: PIW-Kurs) |
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25 | | Schwach-kantige, braune, eikegelförmige Knospen; Endknospen nicht größer als Seitenknospen; Knospenschuppenrand schwach bewimpert (Lupe!); Knospen am Zweigende gehäuft | | Stieleiche – Quercus robur L. | |
Abb. 48: Stieleiche: Spitz-eiförmige, braune Knospen mit an den Knospenschuppen häufig vorkommender kurzer, weißer Behaarung. (Foto: T. Ayoub) |
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