Sempervivum (Mitteleuropa)

Sempervivum (Hauswurz, Dachwurz; Crassulaceae)

Von: W. Bernhard Dickoré
Siehe auch die Anmerkungen unter Sempervivum in „Crassulaceae – Dickblattgewächse in Mitteleuropa“ von W. Bernhard Dickoré. – Daten nach Eggli 2003, Fischer & al. 2008, Rothmaler 2005, Rothmaler 2008, Fu & al. 2001 in Flora of China 8, Moran 2010 in Flora of North America 8
Geographischer Geltungsbereich: Mitteleuropa — Quelle: Dieser Schlüssel basiert auf der Arbeit „Crassulaceae – Dickblattgewächse in Mitteleuropa“ von W. Bernhard Dickoré. Für eine unveränderte Originalversion bitten wir diese Fassung zu konsultieren. — Im Unterschied zur zitierten Seite ist bei der hier vorliegenden Fassung Mitarbeit willkommen: Ergänzungen oder Korrekturen an Text oder Illustrationen sind erwünscht. — Zielgruppe: Allgemein — Zusammenarbeit: offen — Stand: Erstfassung beendet — Bisherige Koautoren: W. Bernhard Dickoré, mit Anmerkungen von Eckehart Jäger, Klaus Adolphi

1		Kronblätter oberseits überwiegend gelb    ► 2
–		Kronblätter oberseits überwiegend rosa, rot oder purpurn (S. montanum: selten gelblich-weiß)    ► 4
2		Kronblätter 10–18 mm lang, gelb mit basalem purpurnem Fleck. Blüten 12–14-zählig. Pflanzen mit starkem Harzgeruch   Großblütige Hauswurz  –  Sempervivum grandiflorum Haw. (= Sempervivum gaudinii Christ) Rosetten 2–15 cm im Durchmesser, ziemlich locker und flach; Ausläufer kräftig, 10–20 cm lang. Rosettenblätter 8–15 mm breit, länglich-keilförmig, mit rotbrauner Spitze, auf der Fläche dicht drüsig behaart. Höhe 10–20 cm. SW-Alpen (endemisch) zerstreut: S-CH (S Wallis, Tessin), NW-IT (Piemont). Felsen, Rasen, auf Silikat; mont.-alp.
–		Kronblätter 5–10 mm lang, blassgelb oder zitronengelb mit basalem purpurnem Fleck. Blüten 6–15-zählig. Pflanzen ohne Harzgeruch    ► 3
3		Blüten 8–12-zählig, Kronblätter blassgelb, dicht drüsenhaarig. Staubfäden weißlich, fast kahl (am Grund manchmal etwas drüsenhaarig)   Serpentin-Hauswurz  –  Sempervivum pittonii Schott Rosettenblätter verkehrt eilänglich, ca. 4–6 mm breit, grau-grün, auf den Flächen (besonders gegen die Spitze) mit 1–2 mm langen, wolligen, meist rotköpfigen Drüsenhaaren; Wimpern am Blattrand 0,1–0,5 mm. Vegetative Rosetten 1,5–5 cm im Durchmesser, dicht gedrängt, Ausläufer 2–3 cm. Stängel, Stängelblätter und Kelch dicht drüsenhaarig. Höhe (8) 12–15 cm. E-Alpen (endemisch), sehr selten: AT (St: Serpentingebiet um Kraubath im mittleren Murtal). Steile Serpentin-Felsen; mont.
–		Blüten 11–15-zählig, Kronblätter zitronengelb, am Grund mit purpurrotem Fleck. Staubfäden purpurn    ▼▼ a  –   Gelbe Hauswurz  –  Sempervivum wulfenii Hoppe ex Mert. & W. D. J. Koch Rosettenblätter länglich-spatelförmig, ca. 30 × 8–12 (14) mm, blaugrün, am Grund oft etwas rötlich überlaufen, am Rand gewimpert, auf beiden Flächen kahl oder selten kurz drüsenhaarig. Vegetative Rosetten 4–9 cm im Durchmesser. Blütenstand kaum mehr als 20-blütig. Höhe 15–25 cm. E-Alpen (endemisch), selten bis zerstreut: AT (St, K, S, T), E-CH (Graubünden), NW-IT, SI. Felsen, Felsschutt, steinige Bergwiesen und –rasen, auf Silikat; mont-alp.
		a		Rosettenblätter auf beiden Flächen kahl (am Rand gewimpert)   Gewöhnliche Gelbe Hauswurz  –  S. wulfenii subsp. wulfenii Im gesamten Verbreitungsgebiet außer Slowenien.
		–		Rosettenblätter auf beiden Flächen kurz drüsenhaarig   Slowenische Gelbe Hauswurz  –  S. wulfenii subsp. juvanii (Strgar) Favarger & J. Parn. E-Slowenien.
4	(1)	Rosettenblätter oberseits und an den Spitzen mit sehr langen dünnen Haaren, die die Rosetten ± spinnwebartig einhüllen    ▼▼ a  –   Spinnweb-Hauswurz  –   Sempervivum arachnoideum L. Rosettenblätter länglich-eiförmig bis verkehrt ei-länglich, meist beiderseits drüsenhaarig (selten kahl), Spitzen meist rotbraun; Kronblätter 8–10, ca. 8–10 mm lang, leuchtend purpurrot mit dunklerem Mittelnerv; Staubfäden purpurn. Höhe 4–10 cm. Kalkarme Felsen und Blockschutt.
		a		Blattrosetten 0,5–1,5 cm im Durchmesser, eiförmig bis kugelig, oberseits nicht abgeflacht, locker bis ± dicht spinnwebig behaart, manchmal verkahlend; Rosettenblätter gegen die Spitze nur wenig verbreitert   Gewöhnliche Spinnweb-Hauswurz  –  S. arachnoideum subsp. arachnoideum Alpen zerstreut-häufig: AT (St, K, S, T, V), CH, S-DE (Ba: Allgäu, Bw: Belchen), SE-FR, N-IT; mont- alp.
		–		Blattrosetten 1,5–2,5 (3) cm im Durchmesser, ± halbkugelig, oberseits ± deutlich abgeflacht, dicht spinnwebig behaart, nie verkahlend; Rosettenblätter gegen die Spitze deutlich verbreitert   Filzige Spinnweb-Hauswurz  –  S. arachnoideum subsp. tomentosum (C. B. Lehm. & Schnittsp.) Schinz & Thell. (= Sempervivum tomentosum C. B. Lehm. & Schnittsp.) SW-Alpen (endemisch), selten bis zerstreut: CH, SE-FR, N-IT; coll.-mont. Taxonomischer Wert und Abgrenzung der Unterarten sind umstritten. — Die „Belchen-Hauswurz“ Sempervivum × barbulatum Schott (S. arachnoideum × S. montanum) wurde wahrscheinlich 1867 von Vulpius am Belchen im Südschwarzwald [DE (Bw)] angesalbt und hat sich dort als fest eingebürgert bis heute gehalten. — Sempervivum × funckii Lej. ex Nyman (S. arachnoideum × S. montanum × S. tectorum) wird als adventiv für [BE] angegeben.
–		Rosettenblätter ohne lange, spinnwebige Haare; am Rand bewimpert, auf den Flächen kahl oder kurz flaum- oder drüsenhaarig    ► 5
5		Rosettenblätter ohne Drüsenhaare, auf den Flächen kahl (abgesehen von Wimpern am Rand und manchmal einigen langen Haaren auf der Oberseite) oder jung mit kurzen Flaumhaaren    ► 6 Rosetten meist mehr als 3 cm im Durchmesser. Blätter meist mehr als 7 mm breit
–		Rosettenblätter auf den Flächen drüsenhaarig (spärlich bei S. dolomiticum)    ► 8
6		Kelchblätter stumpf. Rosettenblätter mit einen scharf begrenzten rot-braunem Fleck nahe der Spitze, jung kurzhaarig, verkahlend. Stängelblätter halb stängelumfassend, kahl. Blüten 10–12-zählig   Kalk-Hauswurz  –  Sempervivum calcareum Jord. Kronblätter 7–8 mm lang, blassrosa oder grünlich-weiß. SW-Alpen (endemisch), selten: SE-FR, NW-IT. Kalkfelsen; coll.-subalp.
–		Kelchblätter spitz. Rosettenblätter unterschiedlich rot oder braun überlaufen, aber ohne deutlich begrenzten Fleck. Stängelblätter nicht stängelumfassend, die oberen oft auf der Fläche behaart. Blüten 11–16-zählig    ► 7
7		Rosettenblätter auf den Flächen verkahl, am Rand dicht bewimpert. Blüten (12–) 13 (–16) -zählig. Kronblätter 9–10 mm lang, rosa bis purpurn, meist blassrosa. Staubbeutel purpurn    ▼▼ a  –   Dach-Hauswurz  –  Sempervivum tectorum L. Rosetten 3–14 cm im Durchmesser; Rosettenblätter 10–15 mm breit; Blütenstand groß, 22–100 (120) -blütig. Höhe 10–50 cm. SW-, S-, SE-Europa und südliches Mitteleuropa (Pyrenäen, Alpen, Apeninn); häufig kultiviert und adventiv in W-, N- und E-Europa und SW-Asien; im nördlichen Mitteleuropa adventiv, selten-zerstreut: AT (K, T, V), BE, CH, [CZ], DE, [DK], FR, IT, NL†, SI, [SK]. Felsen, Felsschutt, Felssteppen, Magerrasen, Mauern, meist auf Silikat; coll.-alp.
		a		Rosetten 6–14 cm im Durchmesser. Staubblätter ± verkümmert   Gewöhnliche Dach-Hauswurz  –  S. tectorum subsp. tectorum Außerhalb der Alpen und vor allem als Kulturplanze oder adventiv weit verbreitet.
		–		Rosetten 3–7 cm im Durchmesser. Staubblätter normal entwickelt   Alpen-Dach-Hauswurz  –  S. tectorum subsp. alpinum (Griseb. & Schenk) Wettst. Überwiegend in den Alpen (und einigen Mittelgebirgen?). Taxonomischer Wert und Abgrenzung infraspezifischer Taxa sind umstritten. Die Nominat-Sippe, eventuell hybridogenen Ursprungs (?) ist seit langem in Kultur und wurde als Arznei- und Zauberpflanze (gegen Blitzschlag) häufig auf Dächern und Mauern gepflanzt. Identität und Status verwilderter, gelegentlich wahrscheinlich auch an natürlichen Felsstandorten angesalbter (oder doch auch indigener?) Vorkommen sind, vor allem in den Mittelgebirgen, unklar. Der Bastard Sempervivum × stenopetalum Schnittsp. & C. B. Lehm. (Sempervivum × schottii C. B. Lehm. & Schnittsp.) = S. montanum × S. tectorum soll in der Natur (im Überlappungsbereich beider Arten) häufig auftreten.
–		Rosettenblätter auf den Flächen jung dicht kurz flaumhaarig, verkahlend, am Rand dicht bewimpert. Blüten 11–13-zählig. Kronblätter ca. 10 mm lang, purpurrot mit weißlichem Rand. Staubbeutel lachsfarben bis hellrot   Marmor-Hauswurz  –  Sempervivum marmoreum Griseb. (subsp. marmoreum) (= Sempervivum schlehanii Schott, Sempervivum assimile Schott, Sempervivum tectorum subsp. marmoreum (Griseb.) Maire & Petitm.)) Rosetten 5–10 cm im Durchmesser. Höhe 10–20 cm. E- und SE-Europa (Tatra, Karpaten, Balkan); selten am SE-Rand Mitteleuropas: HU, SK. Infraspezifische Gliederung der Art insgesamt und Vorkommen von Sempervivum marmoreum subsp. reginae-amaliae(Heldr. & Sart. exBoiss.) Zonn. am SE-Rand Mitteleuropas: S-HU erscheinen zweifelhaft.
8	(5)	Wimperhaare am Rand der Rosettenblätter drüsenlos, mehr als doppelt so lang wie die spärlichen Drüsenhaare auf den Flächen. Rosettenblätter allmählich zugespitzt. Pflanzen ohne Harzgeruch   Dolomiten-Hauswurz  –  Sempervivum dolomiticum Facchini Rosetten 2–4 cm im Durchmesser; Rosettenblätter verkehrt eilanzettlich, 3–4 mm breit, oft mit bräunlicher Spitze; Kronblätter 10–13 mm lang, ca. doppelt so lang wie die Kelchzipfel), Staubfäden kahl. Höhe 8–16 cm. E-Alpen, sehr selten: NE-IT (N-Dolomiten, Prags / Braies, endemisch). Felsen und steinige Magerrasen, auf Dolomit, Kalk und[?]Basalt; mont.-alp.
–		Wimperhaare am Rand der Rosettenblätter drüsig, so lang bis etwa doppelt so lang wie die zahlreichen Drüsenhaare auf den Flächen. Rosettenblätter abrupt (kurz) zugespitzt, meist mit roter Spitze. Pflanzen mit Harzgeruch    ▼▼ a  –   Berg-Hauswurz  –  Sempervivum montanum L. Kronblätter 8–20 mm lang, 2–4 × so lang wie die Kelchzipfel, besonders unterseits und am Rand drüsenhaarig; Staubfäden am Grund etwas drüsenhaarig. Höhe 5–12 cm. Gebirge SW-, S-, E- und Mitteleuropas (Pyrenäen, Apennin, Korsika, Alpen, Karpaten); im südlichen Mitteleuropa (Zentralalpen) zerstreut bis verbreitet: AT (K, N, O?, S, T, V), CH, IT, PL, SK. Felsen, Felsschutt, auf Silikat; subalp.-alp.
		a		Laubblattrosetten 1–2 (2,5) cm im Durchmesser   Gewöhnliche Berg-Hauswurz  –  S. montanum subsp. montanum Wimperhaare am Rand der Rosettenblätter nur wenig länger als die Haare auf den Flächen; Blütenstand (2) 3–7 (8) -blütig; Kronblätter 10–12 (–15) (?) mm lang, ca. doppelt so lang wie die Kelchblätter. Diploid: 2n=42. Höhe 5–12 cm. W-Alpen, östlich bis zu den Hohen Tauern und Dolomiten: AT (K, S, T, V), CH, N-IT. Felsen, Felsschutt, auf Silikat; subalp.-alp.
		–		Rosetten > 2 cm im Durchmesser    ► b
		b		Ausläufer lang, kräftig. Rosettenblätter bis 7 mm breit, ohne rote Spitze; Rosetten (2–) 3–5 (–8) cm im Durchmesser    S. montanum subsp. burnatii (Wettst. ex Burnat) Hayek (= Sempervivum burnatii Wettst. ex Burnat)) Diploid: 2n=42. SW-Alpen (Seealpen), Korsika (endemisch), selten: SE-FR, NW-IT?
		–		Ausläufer kurz. Rosettenblätter bis 5 mm breit, meist mit roter Spitze    ► c
		c		Wimperhaare am Rand der Rosettenblätter deutlich länger als die Haare auf den Flächen   Steirische Berg-Hauswurz  –  S. montanum subsp. stiriacum (Wettst. exHayek) Wettst. (= Sempervivum stiriacum Wettst. ex Hayek, Sempervivum braunii Funck ex W. D. J. Koch) Blütenstand (3–) 4–10 (–13) -blütig; Kronblätter (12–) 16–22 mm lang, 3–4 × so lang wie die Kelchblätter. Tetraploid: 2n=84. Höhe 5–12 cm. E-Alpen, vom Glockner (Hohe Tauern) ostwärts (endemisch), selten bis verbreitet: AT (N, O?, St, K, S). Felsen, Felsschutt, auf Silikat.
		–		Wimperhaare am Rand der Rosettenblätter etwa so lang wie die Haare auf den Flächen   Karpaten-Berg-Hauswurz  –  S. montanum subsp. carpathicum (Wettst. ex Prodan (= Sempervivum carpathicum Wettst. ex Prodan) Rosetten 3–4 cm im Durchmesser. Blätter verkehrt eiförmig, nahe der Spitze am breitesten. Diploid: 2n=42 (morphologisch etwa intermediär zwischen subsp. burnatii und subsp. stiriacum). Karpaten (Slowakei, Polen, Rumänien, Ukraine): PL, SK. Die Gliederung von Sempervivum montanum bleibt offenbar problematisch. Im weiteren Umfeld erscheint Artstatus für die tetraploide Sippe (S. stiriacum) nicht notwendigerweise angemessen. Problematisch bleibt die Verwandtschaftsgruppe auch im Bereich der Karpaten. Als möglicherweise zusätzliche Unterart wurde hier neuerdings Sempervivum montanum subsp. heterophyllum (Hazsl.) Jáv. ex Soó wieder diskutiert.