Salicornia L. (Queller) ist eine kleinere Gattung von einjährigen krautiger Pflanzen, die ausschließlich Salzstandorte besiedelt (obligate Halophyten). Nach Teege (2009) umfasst sie weltweit etwa 30 Arten. Die Verbreitung reicht von boreal bis subtropisch, in Eurasien vom Atlantik quer durch den Kontinent bis zum Pazifik. Hinzu kommen Vorkommen im mediterranen Nordafrika sowie in Südafrika (inkl. Madagaskar). In der neuen Welt ist die Gattung auf Nordamerika beschränkt. Queller sind die ersten Landpflanzen in der Überflutungszone von Küsten, aber auch für binnenländiche Salzstandorte charakteristisch. Die auffälligsten Merkmale sind die sehr starke Reduktion der Blätter und Blüten und die glasige Sukkulenz der Sprosse. Die Pflanzen sind völlig kahl. Alle Sprosse sind regelmäßig gegliedert. Die Pflanzen sind oft stark verzweigt, ihre Äste dabei kreuzgegenständig angeordnet. Die Blätter sind auf einen anliegenden stängelumfassenden kurzen Saum reduziert. Die Blüten stehen in Scheinähren am Ende der Zweige. Meist sind es drei Blüten, die dicht zusammen eine Art Dreieck bilden. Vorblätter fehlen. Die Blüten sind zwittrig und im Bereich der Internodien so in die Sprossachse eingesenkt, dass nur ihre abgeflachten Spitzen sichtbar sind. Die 3 Hüllblätter sind fast vollständig miteinander verwachsen und lassen im Zentrum der Blüte nur einen kleinen Spalt frei, aus dem bis zu drei Staubgefäße und zwei Griffel herausragen. Die gelblichen bis braunen Samen sind abgeflacht ellipsoid und mit hakig gekrümmten Borsten versehen.
Die Systematik und Benennung der Queller-Arten ist kompliziert und nicht abschließend geklärt. Die Vorschläge der verschiedenen Bearbeiter waren in der Vergangenheit sehr unterschiedlich ausgefallen. In den letzten Jahren aber zeichnet sich ein Konsolidierung ab. Die Hauptschwierigkeit in der Salicornia-Taxonomie liegt in der starken Reduktion aller Pflanzenorgane, so dass oft nur wenige greifbare Merkmale zur Verfügung stehen. Zudem ist oft unklar, in wieweit bestimmte Merkmale standortsbedingt (modifikativ) oder genetisch fixiert sind, und wenn genetisch fixiert, welche Bedeutung man den Merkmalen zumisst. So wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl von Arten und infraspezifischen Taxa beschrieben. Vorherrschende Selbstbestäubung (Autogamie) und entsprechend geringer Genaustausch haben offensichtlich zu einer polytopen Entstehung von zahlreichen leicht verschiedenen Populationen (Mikrospezies) geführt. Teilweise sind es nur reine Morphotypen, teilweise aber auch Ökotypen. Einigkeit herrscht heute in der grundsätzlichen Unterscheidung von diploiden (S. europaea) und tetraploiden (S. procumbens) Quellern, die auch mit deutlichen Unterschieden in der Antherengröße einhergeht. Dies ergibt sich auch aus neueren Arbeiten wie der sehr genauen Analyse von Teege (2009) und der molekularsystematischen Untersuchung von Kadereit et al. (2012). Abgelehnt wird in beiden Arbeiten allerdings die Unterscheidung von Sippen innerhalb der beiden Arten für unser Gebiet mit der Begründung, dass es sich dabei um mehrfach parallel entstandene Sippen handele. Die grundsätzliche Feststellung ist sicherlich richtig. Meines Erachtens spricht aber nichts dagegen, Ökotypen ähnlich wie geographische Rassen als Unterarten zu fassen, egal ob sie einmal oder mehrfach parallel entstanden sind. Sie entstehen gesetzmäßig unter spezifischer Selektionsbedingungen, denen sie sich nach und nach sukzessive anpassen. Die Vorstellung, dass nur das eine Art, Unterart etc. sein kann, was durch ein einmaliges Ereignis entsteht und sich danach in alle Richtungen ausbreitet, ist eine gedankliche Verengung kladistischer Prägung. Eine solche Einmaligkeitsforderung halte ich für wenig sinnvoll, bei autogamen Sippen sowieso, und es gibt auch keinen Grund, warum z.B. zwei Arten, die durch allotetraploide Hybridisierung eine neue Art erzeugen, dies nur einmal in der Stammesgeschichte tun dürfen. So konnten z.B. Pflanzen von Galeopsis tetrahit, dem bekanntesten Beispiel einer hybridogenen Art, aus den Elternarten im Experiment problemlos "nachgebaut" werden. Kann man da annehmen, dass alles jeweils nur ein einziges Mal stattfindet? Man kann im Zusammenhang mit paralleler Entstehung von Ökotypen auch nicht von Polyphylie sprechen. Polyphyla sind künstliche Gruppierungen nicht verwandter Taxa. Davon kann hier keine Rede sein. Es ist m.E. nicht sinnvoll, in einem Bereich, in dem noch Genaustausch stattfindet, Begriffe der Stammesgeschichte wie Monophylie, Paraphylie und Polyphylie überhaupt zu verwendet. Hier gibt es noch keine Stämme, Äste oder Zweige, sondern nur eine Matrix mit ersten Ausstülpungen. Zudem schließt Autogamie den Genaustausch nicht ganz aus. Entscheidend ist doch, dass bei Ökotypen eine klare Korrelation zwischen Morphologie und Standort sowie möglicherweise weiteren Eigenschaften (Diasporologie, Keimungsökologie, Toleranz gegenüber Sauerstoffmangel etc.) gegeben ist, diese Taxa also informativ sind. Der Selektionsdruck ist offenbar so hoch und spezifisch, dass auch bei polytoper, d.h. unabhängiger paralleler Entstehung immer gleichartige Merkmale entstehen, zumindest so gleich, dass die Ökotypen in 80-90 % der Fälle als solche unterschieden werden können - für infraspezifische Taxa ein recht brauchbares Ergebnis. Eine solche Information kann man nicht einfach übergehen. Zumindest bei Salicornia procumbens könnten so problemlos zwei Unterarten unterschieden werden. Aus praktischen Gründen kann dies aber hier nicht umgesetzt werden, da eine entsprechende Umkombination fehlt. Bei Salicornia europaea scheint eine klare Korrelation der bislang postulierten Untereinheiten (ramosissima, brachystachya) mit dem Lebensraum eher nicht gegeben zu sein, so dass man in dem Fall eher von Varietäten oder Forma sprechen würde. Doch hier hat es noch Zeit, dies umzusetzen, bis letzte Fragen geklärt sind. (Kadereit et al. 2012) fanden weiterhin, dass die Binnenlandpopulationen von Salicornia europaea sich in ihren Gen-Sequenzen von denen der Küste unterscheiden, ohne dass morphologische Unterscheidungsmerkmale wahrnehmbar sind. Die Autoren sprechen von kryptischen Taxa, die formal benannt werden sollten. Solche Forderungen ("must have names") sind kritisch zu sehen, da Unterschiede im Genom (bedingt durch ständig stattfindende Mutationen, Rekombinationen etc.) zunächst nur eine reproduktive Isolation dokumentieren. Offenbar stammen die Pflanzen nicht von den benachbarten Küsten ab, sondern von Binnenlandpopulationen. Ob man hier aber gleich von einem Taxon sprechen kann, erscheint sehr fraglich. Etwas verwunderlich in der Publikation ist auch die Unterscheidung von Unterarten bei Salicornia europaea (außerhalb unseres Gebietes), ohne dass diese von molekularen Merkmalen gestützt werden. Die für unser Gebiet wichtigen Beiträge von Dahmen (Dahmen 1998, Dahmen 2000) wurden leider nicht berücksichtigt. Es stellt sich insgesamt die Frage, welchen Fortschritt, welches Mehr an Information ein tendenziell erkennbarer Paradigmenwechsel von einer Merkmalstaxonomie hin zu einer Herkunftstaxonomie bringen soll. Bis auf weiteres wird hier der von König (1960), Aellen (1979) und (Dahmen 1998, Dahmen 2000) entwickelten konventionellen Fassung gefolgt. – Im Gebiet 3 Arten und eine zusätzliche Unterart
Literatur
Aellen, P. : Chenopodiaceae. In: Hegi, G. (Hrsg.): Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Bd. 3, Nr. 2, Paul Parey, Berlin, S. 533-747.
Briggs, D. & Walters, S. M. 1997: Plant Variation and Evolution. 3. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge.
Dahmen, R. 1998: Salicornia. In: Wisskirchen, R. & Haeupler, H. (Hrsg.): Standardliste der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Ulmer, Stuttgart, S. 447-450.
Hand, R. & Buttler, K. P. 2014: Beiträge zur Fortschreibung der Florenliste Deutschlands (Pteridophyta, Spermatophyta) - Siebte Folge. In: Kochia. Bd. 8, S. 71-89.
Jäger, E. J. (Hrsg.) 2011: Rothmaler, W. (Begr.), Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband. 20. Auflage. Bd. 2, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin.
Kadereit, G., Piirainen, M., Lambinon, J. & Vanderpoorten, A. 2012: Cryptic taxa should have names: Reflections in the glasswort genus Salicornia (Amaranthaceae). In: Taxon. Bd. 61, Nr. 6, S. 1227-1239.
König, D. 1960: Beiträge zur Kenntnis der deutschen Salicornien. In: Mitteilungen der floristisch-soziologischen Arbeitsgemeinschaft. Bd. 8, S. 5-58.
Lambinon, J. & Vanderpoorten, A. 2012: Salicornia. In: Lambinon, J. & Verloove, F. (Hrsg.): Nouvelle Flore de la Belgique, du Grand-Duché de Luxembourg, du Nord de la France et des Régions voisines. 6. Auflage. Jardin botanique national de Belgique, Meise, S. 153-156.
Piirainen, M. 1991: Flora Nordica notes. 1. Salicornia (Chenopodiaceae) in northern Europe: Typification and taxonomic notes. In: Ann. Bot. Fenn. Bd. 28, S. 81-85.
Piirainen, M. 2001: Salicornia. In: Jonsell, B. (. (Hrsg.): Flora Nordica. Bd. 2, The Bergius Foundation, Stockholm, S. 50-54.
Teege, P. K., Kadereit, J. W. & Kadereit, G. 2011: Tetraploid European Salicornia are best interpreted as ecotypes of multiple origin. In: Flora. Bd. 206, S. 910-920.
Teege, P. K. 2009: Entstehung und Diversifizierung der mittel- und westeuropäischen Salicornia-Arten. Dissertation Universität Mainz, Mainz, S. 117.
Schlüssel
1 | | Äste abstehend (Winkel größer als 45°), Scheinähren kurz, 1–4 cm lang, Seitenblüten klein, kürzer als die halbe Mittelblüte, Staubbeutel 0,2–0,5 mm lang, Samen rundlich | | ▼▼ a – Kurzähren-Queller – Salicornia europaea |
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a | | | |
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a | * | | |
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1 | * | Äste nach oben angewinkelt bis fast angelegt (Winkel kleiner als 45°), Scheinähren lang (3–10 cm), Seitenblüten mindestens halb so lang wie die Mittelblüte, Staubbeutel 0,6–1 mm lang, Samen länglich | ► 2 |
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2 | | Stängel niederliegend bis aufsteigend, Scheinähren bis 10 (20) cm lang, in unterschiedliche Richtungen wachsend, 4–5 (8) mm dick, Mittelblüten oben stumpf gerundet, Pflanze im Herbst gelb oder braun-orange verfärbend | | Sandwatt-Queller – Salicornia procumbens |
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2 | * | Stängel aufrecht, Scheinähren bis 8 cm lang, weitgehend parallel zueinander wachsend, 3,5–4 mm dick, Mittelblüten oben etwas zugespitzt, Pflanze im Herbst nicht verfärbend | | Schlickwatt-Queller – Salicornia stricta |
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Salicornia europaea L.
Synonyme:
- Salicornia herbacea L.
- Salicornia ramosissima sensu Aellen
Kurzähren-Queller
Salicornia europaea subsp. brachystachya (G. Mey.) Dahmen & Wissk.
Synonyme:
- Salicornia adpressa Dumort.
- Salicornia patula Duval-Jouve
- Salicornia obscura P.W. Ball
- Salicornia ramosissima subsp. ramosissima
Gewöhnlicher Kurzähren-Queller
| Salicornia europaea ssp. brachystachya: Schlickwatt bei Berensch (nahe Cuxhaven), leg. R. Wißkirchen, 1994 (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
| Salicornia europaea ssp. brachystachya: feuchter Sandstrand der Insel Mellum (nördl. Wilhelmshaven), leg. R. Wißkirchen, 1996 (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
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Salicornia europaea subsp. europaea
Synonyme:
- Salicornia europaea subsp. gracilis (G. Mey.) Kloss
- Salicornia ramosissima subsp. gracilis (G. Mey.) Aellen
Zierlicher Kurzähren-Queller
| Salicornia europaea ssp. europaea: Jadebusen bei Dangast, leg. R. Wißkirchen, 1994 (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
| Salicornia europaea ssp. europaea: Insel Mellum nördl. Wilhelmshaven, leg. R. Wißkirchen, 1996 (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
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Salicornia procumbens Sm.
Synonyme:
- Salicornia lutescens P.W. Ball & Tutin
- Salicornia dolichostachya Moss
- Salicornia dolichostachya subsp. decumbens (Aellen) Kloss
- Salicornia fragilis P.W. Ball & Tutin
- Salicornia stricta subsp. decumbens Aellen
Sandwatt-Queller
| Salicornia procumbens: Insel Mellum nördl. Wilhelmshaven, feuchter Sand, leg. R. Wißkirchen, 1996 (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
| Salicornia procumbens: Insel Mellum nördl. Wilhelmshaven, mäßig feuchtes Sandwatt, leg. R. Wißkirchen, 1996, (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
| Salicornia procumbens: Jadebusen bei Dangast, leg. R. Wißkirchen, 1994 (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
| Salicornia procumbens: Jadebusen bei Dangast, leg. R. Wißkirchen, 1994 (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
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Salicornia stricta Dumort. s.str.
Synonyme:
- Salicornia strictissima
- Salicornia dolichostachya subsp. strictissima
- Salicornia stricta subsp. stricta
Schlickwatt-Queller
| Salicornia stricta: Schlickwatt bei Berensch südwestl. Cuxhaven, leg. R. Wißkirchen, 1994 (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
| Salicornia stricta: auf feuchtem Schlick bei Berensch (südwestl. Cuxhaven), leg. R. Wißkirchen, 1994 (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
| Salicornia stricta: Jadebusen bei Dangast, leg. R. Wißkirchen, 1996 (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
| Salicornia stricta: Insel Mellum nördl. Wilhelmshaven, auf sandigem Schlick, leg. R. Wißkirchen (Herb. MSTR) (Foto: Rolf Wißkirchen) |
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