Polygonaceae – Bestimmungsschlüssel für die in Deutschland und angrenzenden Regionen wachsenden Knöterichgewächse (Rolf Wißkirchen)
Hinweis: | Dieser Schlüssel ist mit dem Autornamen gekennzeichnet und die Mitarbeit ist auf Rolf Wißkirchen beschränkt. Auf der Diskussionsseite sind Kritik und Verbesserungsvorschläge willkommen! Diese Arbeit ist eine Originalarbeit, die erstmalig hier publiziert ist. |
Zitiervorschlag: | Wißkirchen, Rolf 2011. Polygonaceae – Bestimmungsschlüssel für die in Deutschland und angrenzenden Regionen wachsenden Knöterichgewächse. http://offene-naturfuehrer.de/web/Polygonaceae_-_Bestimmungsschlüssel_für_die_in_Deutschland_und_angrenzenden_Regionen_wachsenden_Knöterichgewächse_(Rolf_Wißkirchen) |
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Inhaltsverzeichnis
Kurzcharakteristik der Familie
Die Polygonaceae sind eine kleinere, fast weltweit verbreitete Pflanzenfamilie mit ca. 50 Gattungen und etwa 1170 Arten. Es sind vorwiegend krautige Gewächse, aber auch Sträucher und Zwergsträucher. Hinzu kommen Lianen und Schwimmblattpflanzen sowie in den Tropen eine Reihe von Bäumen. Markante Merkmale sind die knotige Gliederung der Stängel und die röhrige Nebenblattscheide (Tute, Ochrea). Letztere fehlt allerdings in Teilen der Unterfamilie Eriogonoideae. Die Ochrea schützt die jungen Blätter vor Verletzung und Austrocknung. Die Blüten der Knöterichgewächse sind klein (meist 2-6 mm im Durchmesser) und stehen in stark gestauchten kleinen zymösen Teil-Blütenständen (Wickeln oder Dichasien) - entweder einzeln in den Blattachseln oder zu vielen gruppiert in ährigen bis rispigen oder auch kopfigen bis doldigen Gesamt-Blütenständen - letztere meist am Ende der Sprosse. Die Blüten sind vom Grundbauplan her 5-kreisig (2 x Blütenhülle, 2 x Staubgefäße, 1 Fruchtknoten). Die Blütenhülle ist entweder in Form von zwei getrennt Kreisen (doppelt 3-zählig, z.B. Rumex) oder als Spirale mit zwei Umläufen (5-zählig, z.B. Fagopyrum) ausgebildet. Beide Bautypen sind innerhalb der Polygonaceae fast gleich stark vertreten. Eine Gliederung in Kelch und Krone fehlt in der Familie. Den Schutz der jungen Blüten übernehmen kleine, ineinander geschachtelte, oft halbtransparente Tütchen (Ochreolen). Es sind verkleinerte Bauversionen der Tuten (Ochreen). Auf die Blütenhülle folgen 2 (selten nur 1) Staubblattkreis(e) und ein überwiegend 3-zähliger oberständiger Fruchtknoten. Die Staubgefäße des äußeren Kreises sind meist paarig gestellt (sog. Dédoublement). Auch dies ist ein bezeichnendes Merkmal der Familie. Der Fruchtknoten ist einfächrig verwachsen (coenokarp-parakarp. An seinem Grunde entwickelt sich eine einzige aufrechte (orthotrope), nur bei wenigen, sehr ursprünglichen Vertretern der Familie, eine umgewendete (anatrope) Samenanlage. Die Frucht ist eine Nuss, die fast immer zusammen mit der anhaftenden, oft sich zu Verbreitungseinrichtungen umwandelnden Blütenhülle verbreitet wird.
Umfang der Darstellung
Das primäre Bezugsgebiet des Schlüssels ist Deutschland! Der geographische Geltungsbereich, d.h. die Regionen, in denen der Schlüssel mit Erfolg verwendet werden kann, geht aber deutlich über Deutschland hinaus und umfasst die Regionen nördliche Schweiz, nördliches Österreich, Westpolen, Tschechien, Dänemark und die Benelux-Staaten sowie das nördliche und mittlere Frankreich (ohne die Küsten). Der Schlüssel enthält aber keine Arten, die nur außerhalb Deutschlands zu finden sind. In diesem Bezugsgebiet wachsen einheimisch oder eingebürgert 45 Arten von Knöterichgewächsen (incl. etablierte Bastarde) und 11 vom Typus der Art abweichende infraspezifische Sippen (Unterarten, Varietäten), zusammen 56 Taxa. Hinzu kommen 3 wichtige Kulturpflanzen wie Rhabarber (Rheum rhabarbarum), Garten-Sauerampfer (Rumex rugosus) und Schlingknöterich (Fallopia baldschuanica)sowie 3 Unbeständige, die in der Literatur immer wieder für Deutschland genannt werden. Das sind: Ungarischer Knöterich (Polygonum bellardii), Orientalischer Knöterich (Persicaria orientalis) und Nepalesischer Knöterich (Persicaria nepalensis) – letzterer mit leichter Einbürgerungstendenz. Insgesamt werden 62 Taxa verschlüsselt.
Praktische Hinweise zum Bestimmen
Die bestimmungsrelevanten Merkmale der Polygonaceen — oft Blüten und Früchte, gelegentlich auch Behaarung, Drüsen u. a. — sind klein bis sehr klein. Von daher ist zur Bestimmung der Knöterichgewächse eine gute optische Ausrüstung anzuraten – entweder eine hochwertige Lupe mit mindestens 10-facher Vergrößerung, besser noch eine binokulare Stereolupe mit 10–40-facher Vergrößerung. Eine feine spitze Pinzette und eine Präpariernadel sind eine gute Hilfe bei der Untersuchung der Blüten.
Wie geht man bei der Bestimmung vor? Wenn man bei einem Knöterichgewächs überhaupt nicht weiß, um was es sich handeln könnte, prüft man am besten erst mit dem Gattungsschlüssel die Zugehörigkeit zu einer der neun Gattungen. Weiß man die Gattung bereits, kann man gleich dort beginnen und die Art bestimmen. Wenn man die Art schon weiß, kann man über die "Gesamt-Artenliste" oder die "Gesamt-Namensliste" direkt zu den einzelnen Arten und deren Photos gehen. Unter "mehr..." werden im Bestimmungsgang eine Reihe von Bildern angeboten, die die Entscheidung zwischen zwei Alternativen erleichtern sollen.
Bestimmungsschlüssel
Blütenstruktur-Typen bei Gattungen der Polygonaceae — der Fruchtknoten jeweils entfernt (Zeichnungen: Rolf Wißkirchen) | ||||||||||||||
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Erläuterungen zu Fachbegriffen
Ochrea: Die Ochrea oder Tute ist das wohl bekannteste Merkmal der Knöterichgewächse. Sie wird als röhriges Verwachsungsprodukt von Nebenblättern gedeutet. Bei den meisten Gattungen ist die Ochrea oben spitztütig geschlossen, was aber vielfach nicht sichbar ist, da die Ochrea durch den Druck der Folgeblätter oben oder seitlich schon sehr früh aufplatzt). Nur bei Persicaria und Fagopyrum ist es eine zylindrische, oben offene Röhre. Die Ochrea ist eigentlichen Sinne ist unten begrenzt durch die Ansatzstelle des Blattstiels. Was sich darunter befindet, ist die Blattscheide. In der Bestimmungsliteratur wird aus Gründen der Vereinfachungs beides meist nicht klar unterschieden. Wenn es z. B. bei Persicaria amphibia heißt, dass der Blattstiel in der Mitte der Ochrea oder Tute abzweigt, ist das morphologisch gesehen falsch. Der untere Teil (unterhalb des Blattstielansatzes) ist die hier relativ lange Blattscheide, erst darüber befindet sich − etwa gleichlang − die echte Ochrea. Um Verwirrung zu vermeiden wird hier aber die herkömmliche Formulierung beibehalten und mit dem Zusatz „scheinbar“ präzisiert.
Fruchtstiel: Ein ähnliches Problem liegt beim Fruchtstiel vor, wenn es heißt: „Fruchtstiel in der Mitte gegliedert“ oder „Fruchtstiel unterhalb der Mitte gegliedert“. Auch das ist morphologisch nicht korrekt, denn der eigentliche Fruchtstiel ist nie gegliedert! Bei vielen Polygonaceen-Gattungen ist der Blütengrund unten zu einer ± langen stielartigen Struktur ausgewachsen. Dies trifft insbesondere auf Rheum, Oxyria, Rumex, Fallopia und Aconogonon zu, während der Fruchtstiel bei Bistorta, Polygonum, Persicaria und Fagopyrum meist direkt am krugförmigen Blütenboden ansitzt. Bei Fallopia kam man deutlich sehen, dass die Flügel nur bis zur Trennstelle verlaufen. D. h. unterhalb der Trennstelle befindet sich der Fruchtstiel, während oberhalb davon bereits die Blüte beginnt. Dieser stielartige basale Blütenfortsatz wird in der Wissenschaft als Perikladium bezeichnet, eine bei Blütenpflanzen insgesamt seltene Struktur (auch bei Asparaginaceae und Anthericaceae). Der Begriff beschreibt die Morphologie korrekt, hat sich aber nicht eingebürgert. Um auch hier alte Gewohnheiten zu berücksichtigen sind, wird die hergebrachte Formulierungsweise beibehalten, aber mit dem korrigierenden Zusatz „scheinbar“.
Danksagung
Für vielfältige Hilfen und Diskussionen bei der Erstellung einer internetfähigen Version meines Polygonaceen-Beitrags sowie für das Einscannen von Herbarbildern sei an dieser Stelle Dr. Gregor Hagedorn (Berlin) ganz herzlich gedankt. Die technisch aufwendige Tabelle 3 (Polygonum) wurde dankenswerterweise von Dr. Andreas Plank (Berlin) programmiert. Danken möchte ich auch denen, die mich mit Photos reichlich unterstützt haben. Dies sind Günther Blaich (Mannheim), Dr. Ulf Schmitz (Düsseldorf), Prof. Dr. Klaus Adolphi (Roßbach), Eckhard Garve (Braunschweig), G. Schepers und Prof. Dr. Uwe Braun (Univ. Halle). Dr. Bodo M. Möseler (Univ. Bonn) ermöglichte mir die Anfertigung einer größeren Zahl von Makroaufnahmen auf einem Leica-Video-System. Dank gebührt weiterhin dem BGBM Berlin, welches das Einscannen von Herbarbildern im Projekt ermöglichte, dem Herbarium Hamburgense, das Belege zum Einscannen zur Verfügung stellte und den Botanischen Gärten in Bonn, welche mir die Kultur und das Photographieren von einigen Arten ermöglichten. Peter Wolff (Saarbrücken), Dr. Hans Reichert (Trier) und Franz-Josef Weicherding (Landsweiler-Reden) schließlich gaben wichtige Fundorthinweise.