Rubiaceae – Bestimmungsschlüssel der in Deutschland und angrenzenden Regionen wachsenden Rötegewächse (Rolf Wißkirchen)
Hinweis: | Dieser Schlüssel ist mit dem Autornamen gekennzeichnet und die Mitarbeit ist auf Rolf Wißkirchen beschränkt. Auf der Diskussionsseite sind Kritik und Verbesserungsvorschläge willkommen! Diese Arbeit ist eine Originalarbeit, die erstmalig hier publiziert ist. |
Zitiervorschlag: | Wißkirchen, Rolf 2018. Rubiaceae – Bestimmungsschlüssel der in Deutschland wachsenden Rötegewächse. http://offene-naturfuehrer.de/web/Rubiaceae_–_Bestimmungsschlüssel_der_in_Deutschland_wachsenden_Rötegewächse_(Rolf_Wißkirchen) |
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Inhaltsverzeichnis
Allgemeine Charakteristik der Rubiaceen
Die Rubiaceen (Rötegewächse) sind eine sehr große, weltweit verbreitete Pflanzenfamilie innerhalb der Gentianales (Enziangewächs-Verwandte). Sie umfassen ca. 13150 Arten in 615 Gattungen. Ihren Schwerpunkt haben sie in den Tropen. Dort bilden sie vorwiegend Holzgewächse (Bäume und Sträucher) mit kreuzgegenständigen einfachen Blättern, kleinen Nebenblättern und großen Blüten mit langen Kronröhren aus. Bekannte Vertreter sind z.B. die Kaffeesträucher (Coffea arabica, C. robusta) und der Chinarindenbaum (Cinchona div. spec.). In Europa (nachfolgende Charakterisierung) wachsen von dieser Familie nur ca. 250 einjährige oder ausdauernde Kräuter (selten niedrige Sträucher). Deren einfache bis stark verzweigte Stängel sind meist vierkantig (seltener rund) und deutlich in Knoten und Internodien gegliedert. Die stets ganzrandigen ungeteilten Blätter sind kreuzgegenständig angeordnet. Dadurch dass deren Nebenblätter diesen gleichgestaltet (isomorph) und zudem nicht selten vermehrt sind, bilden sich an jedem Knoten (4) 6-10 (12)-zählige Blattwirtel (Scheinquirle) aus. Die meist kleinen Blüten sind in kurzen, zymös strukturierten Teilblütenständen angeordnet. Sie sind entweder einzeln blattachselständig oder bilden im oberen Teil der Pflanzen traubige, rispige, scheindoldige oder kopfige Gesamtblütenstände (Thyrsen) aus. Die in der Regel zwittrigen Blüten sind radiärsymetrisch und im Bereich der Blütenhüllorgane meist 4-zählig (selten 5- oder 3-zählig). Die Blütenhülle ist primär doppelt, doch die unverwachsenen Kelchblätter (Sepalen) sind meist stark reduziert oder fehlen ganz. Die Kronblätter (Petalen) sind stets miteinander verwachsen, und zwar in unterschiedlich starkem Maße. Die im oberen Teil freien Blütenkronabschnitte sind flach rad- oder schüsselförmig ausgestellt, während der verwachsene untere Teil eine schmale (kurze bis sehr lange) Röhre ausbildet. Die 4 (3, 5) Staubgefäße sind im oberen Teil der Kronröhre jeweils in den Lücken zwischen den Kronblattzipfeln eingefügt. Der Fruchtknoten ist unterständig und besteht aus 2 Karpellen (Fruchtfächern), von denen jedes 1 bis viele anatrope Samenanlagen enthält. Der Griffel ist einfach oder zweispaltig. Die Frucht ist meist eine trockene braune bis schwarze (halb)kugelförmige Spaltfrucht, seltener eine Beere, Kapsel oder Steinfrucht.
Neuere Entwicklungen in der Systematik der Rubieae
In (Mittel)Europa werden in den gängigen Florenwerken fünf Gattungen (Asperula, Cruciata, Galium, Rubia, Sherardia) innerhalb der Tribus Rubieae unterschieden (Valentine & Chater 1976, Jäger 2011, Fischer et al. 2008, Stace 1991). In der 1. Auflage des Hegi waren es nur vier Gattungen, da Cruciata als Bestandteil von Galium gesehen wurde. Später hat Adema (1969) die neuere Sichtweise mit 5 Gattungen kritisiert und auf die großen Übereinstimmungen im Bau der Pflanzen hingewiesen. Es stellt sich somit die Frage, in wieweit der klassische typologisch-morphologische Ansatz den wahren Verwandtschaftsverhältnissen gerecht wird – besteht doch die Gefahr, dass einzelne griffige Merkmale aus dem Gesamtzusammenhang herausgelöst und als Leitmerkmale von Gattungen propagiert werden. Das Verhältnis von Asperula zu Galium ist hierfür ein Beispiel. So wurden früher Galium odoratum und Galium glaucum zu Asperula gerechnet, da die Kronröhren ihrer Blüten rel. deutlich und in etwa so lang sind wie die freien Kronabschnitte sind, eine Situation, die sie in eine Art Mittelstellung zwischen den konzeptionell kurzröhrigen Galium- und den mittel bis langröhrigen Asperula-Pflanzen bringt. Erst mit einem zweiten Gattungstrennungsmerkmal (Galium: Blüten lang gestielt, Asperula: Blüten kurz gestielt) konnte das von Linné beschriebene Asperula odorata L. diesem typologischen Konzept entsprechend „richtig“ in Galium odoratum (L.) Scop. umgetauft werden. In der Vegetationskunde blieb aus dieser Zeit das Asperulo-Fagetum, der Waldmeister-Buchenwald, noch längere Zeit erhalten. Die Schwächen eines solchen Konzeptes liegen in parallelen Einzel-Merkmalsausprägungen nicht direkt verwandter Gruppen. Die Verwendung auffälliger Einzelmerkmale bringt die Gefahr einer künstlichen Gliederung und die Aufstellung zu vieler schwacher Gattungen mit sich.
Die molekularsystematische Arbeit von Soza & Olmstead (2010) über die Rubieae schlägt hier ein neues Kapitel auf. Die Autoren konnten zeigen, dass von den fünf genannten Gattungen nur Rubia mit seinen fünfzähligen Blüten und beerenartigen Früchten phylogenetisch eigenständig ist gegenüber einem Rest-Komplex, in dem die übrigen vier Gattungen, also Galium, Cruciata, Sherardia und Asperula (sowie weitere Gattungen), in einem engen stammesgeschichtlichen Verzweigungszusammenhang verwoben sind. Ehrendorfer & Barfuss (2014) kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach erscheinen sowohl Galium wie auch Asperula in traditioneller Fassung polyphyletisch. Paraphyletische Teillösungen sind vielleicht denkbar, reichen hier aber auch nicht aus die Probleme zu lösen. Um Polyphylie zu vermeiden, müsste Galium sehr weit gefasst werden. Dann aber könnten Asperula, Cruciata und Sherardia als Gattungen nicht länger aufrecht erhalten werden. Die Gattung Galium würde hierdurch komplex und sehr umfangreich (über 1000 Arten), was nachteilig wäre. Die Möglichkeit einer weiten Fassung von Galium wird auch von Ehrendorfer & Barfuss (2014) als mögliche Alternative diskutiert, doch hätte dies weitreichende taxonomische und nomenklatorische Folgen, und die Diagnostik der Gattungsuntereinheiten müsste ganz neu erarbeitet werden. Eventuell müssten auch Arten umgestellt werden. So ist in Zukunft für Mitteleuropa im Bereich der Rubieae wohl mit Änderungen auf Gattungsebene zu rechnen, doch dürfte das noch lange dauern, denn zur Zeit liegt kein ausgearbeiteter Neuklassifizierungs-Vorschlag vor, der die Probleme lösen kann, also die phylogenetischen Erkenntnisse mit einer nachvollziehbaren morphologischer Diagnostik neu zu harmonisieren. Das ist eine Riesenaufgabe, und es gibt nur ganz wenige Spezialisten in dieser Verwandtschaftsgruppe, die dies überhaupt leisten können. Angesicht dieser Situation sehen Kästner & Ehrendorfer (2016) es als sinnvoll an, die Problematik zwar offen zu legen (Abb. 15 und 16), das bisherige Konzept aber bis auf weiteres beizubehalten und die Ergebnisse weiterer molekularer Untersuchungen abzuwarten. Das ist verständlich, denn Taxonomie ist immer auch eine Sache der Stabilität. Man wird Geduld haben müssen.
Bestimmungsschlüssel
Geographischer Geltungsbereich: Deutschland — Mitarbeit begrenzt auf: Rolf Wißkirchen
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Literatur
Adema, F. (1971): De geslachten Asperula, Galium, Rubia en Sherardia in Nederland 1. Een synoptische sleutel.– Gorteria 5: 116-119
Ehrendorfer, F. & Barfuss, M. (2014): Paraphyly and Polyphyly in the worldwide tribe Rubieae (Rubiaceae): Challenges for generic delimitation.- Ann. Missouri Bot. Garden 100: 79-88
Fischer, M.A., Oswald, K. & Adler, W. (2008): Exkursionsflora für Österreich, Lichtenstein und Südtirol, 3. Aufl.– Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterr. Landesmuseen, Linz, 1392 S.
Kästner, A. & Ehrendorfer, F. (2016): Rubiaceae, in: Hegi, G., (Begr.): Illustrierte Flora von Mittel-Europa, Bd. VI, 2B: 1-348 – 2. Aufl., Weißdorn-Verlag, Jena
Jäger, E.J. (2011): Rothmaler (Begr.), Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband, 20. Aufl.– Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 930 S.
Soza, V.L. & Olmstead, R.G. (2010): Molecular systematics of tribe Rubieae (Rubiaceae): Evolution of major clades, development of leaf-like whorls, and biogeography.– Taxon 59: 755-771
Stace, C.A. (1991): New Flora of the British Isles.– Cambridge University Press, 1226 S.
Valentine, D.H. & Chater, A.O., eds. (1976): Rubiaceae. In: Tutin, T.G., Heywood, V.H., Burges, N.A., Moore, D.M., Valentine, D.H., Walters, S.M. & Webb, D.A.: Flora Europaea, Vol. 4. Plantaginaceae to Compositae (and Rubiaceae): 3-38.– Cambridge University Press
Danksagung
Für organisatorische und datentechnische Hilfen bei der Erstellung dieses Rubiaceen-Beitrags sei Dr. Gregor Hagedorn (Berlin) und Andreas Plank (Berlin) ganz herzlich gedankt. Danken möchte ich auch all denen, die das Projekt mit Fotos unterstützt haben. Dies sind Günther Blaich (Mannheim), Petra Gebauer (Senckenberg Görlitz), Franz-Josef Weicherding (St. Ingbert), Prof. Dr. Wolfgang Schumacher (Antweiler), Wolf Lopata (St. Augustin), Dr. Georg Schepers (Waldkirch), Uwe Raabe (Marl), Arne Beck (Struppen) und Rainer Borcherding (Schutzstation Wattenmeer Husum) sowie die Botanische Staatssammlung München. Die Botanischen Gärten in Bonn und Frankfurt ermöglichten mir das Fotographieren von mehreren Arten. Dank für das Ausleihen von Herbarbelegen gebürt der Botanischen Staatssammlung in München (M), dem Herbarium des Senckenberg-Museums für Naturkunde in Görlitz (GLM), dem LWL-Museum für Naturkunde in Münster (MSTR) und dem Herbarium (NHV) des Naturhistorischen Vereins der Rheinlande und Westfalens in Bonn. Herbarbelege wurden mir zur Verfügung gestellt von Dr. Georg Schepers, Rainer Otto, Ingmar Gorissen und Franz-Josef Weicherding Wichtige Fundorthinweise gaben Prof. Dr. Wolfgang Schumacher (Antweiler), Ingmar Gorissen (Siegburg), Dr. Martin Schmelzer (Bonn), Peter Wolff (Saarbrücken), Dr. Hans Reichert (Trier), Franz-Josef Weicherding (St. Ingbert) und Dr. Karl-Peter Buttler (Frankfurt). Für einzelne Korrekturen möchte ich Prof. Dr. Arndt Kästner (Halle) danken.